OGH 13Os19/85

OGH13Os19/857.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.März 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard A wegen des Verbrechens des Raubs nach § 142 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengerichts vom 20.November 1984, GZ 22 a Vr 2079/84-7, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Kodek, des Angeklagten und der Verteidigerin Dr. Morent zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben und die Strafe auf 1 (ein) Jahr erhöht.

Im übrigen wird der Berufung der Staatsanwaltschaft nicht Folge gegeben.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 30.Juli 1965 geborene Hilfsarbeiter Gerhard A wurde des Verbrechens des Raubs nach § 142 Abs 2 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 17.August 1984 in Bregenz der Radfahrerin Christiane B eine Handtasche (Wert ca. 200 S), welche sie über die rechte Schulter hängen hatte, samt Inhalt (Wert ca. 155 S nebst einem Schlüsselbund) geraubt und der Frau dabei Hautabschürfungen und Prellungen an beiden Knien zugefügt geraubt;

ferner in Tateinheit, richtig: in Realkonkurrenz (Tatmehrheit) einen auf Christiane B lautenden Reisepaß unterdrückt, indem er diesen der Handtasche entnahm und mit Gebrauchshinderungsvorsatz wegwarf (2).

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch wegen Urkundenunterdrückung (2) bekämpft der Angeklagte aus § 281 Abs 1 Z. 5, 9 lit a und (der Sache nach) 9 lit b StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Mängelrüge wendet sich gegen die Feststellung, wonach der Angeklagte sich im klaren gewesen sei und damit abgefunden habe, daß er Christiane B durch das Wegwerfen des Reisepasses um die Möglichkeit brachte, sich dieser Urkunde im Rechtsverkehr zu bedienen. Dies stehe im Widerspruch zu seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung, er habe gehofft, daß der Paß gefunden und der Frau zurückgegeben werde; wäre es ihm darauf angekommen, den Paß der Inhaberin dauernd zu entziehen, hätte er ihn etwa verbrannt. Die Verantwortung des Angeklagten unterliegt der freien Beweiswürdigung des Gerichts (§ 258 Abs 2 StPO), das ihr den Glauben versagt, wenn es aus den Feststellungen zur objektiven Tatseite dieser Verantwortung entgegenstehende Schlüsse zur subjektiven Tatseite zu ziehen vermag. Der Angeklagte hat den Reisepaß und den Schlüsselbund auf der Straße hinter ein parkendes Auto geworfen. Mit dem Wegwerfen des Reisepasses auf einer öffentlichen Verkehrsfläche war dessen Auffindung dem Zufall überlassen (SSt LI/21, S. 91 Mitte, wo auf die Möglichkeit einer maschinellen Straßenreinigung oder der Auffindung durch eine nicht ablieferungswillige Person hingewiesen wird). Die angefochtene Feststellung steht daher durchaus im Einklang mit der Lebenserfahrung.

In der Konstatierung, daß der Angeklagte mit dieser ihm bewußten Konsequenz seines Tuns den Erfolgseintritt ernstlich für möglich gehalten und sich mit ihm abgefunden hat, liegt - wie der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (Z. 9 lit a) zutreffend erkennt - der entscheidende Schritt zur Bejahung seines bedingten Vorsatzes (§ 5 Abs 1, zweiter Halbsatz, StGB) und zur Verneinung bloßer Fahrlässigkeit. Daß für bedingten Vorsatz Gleichgültigkeit des Täters gegenüber dem Erfolgseintritt genügt, führt der Motivenbericht zum Strafgesetzbuch ausdrücklich aus (Dokumentation S. 60). Im übrigen sei zur Frage des im Tatbestand des § 229 StGB (nicht: im Tatbild) geforderten Vorsatzes auf die Grundsätze der bereits zitierten Entscheidung SSt LI/21 verwiesen, die nunmehr ständige Rechtsprechung sind (u.a. RZ 1982/29, EvBl 1982/191 = ZVR 1983/204, 13 Os 114/84; Kienapfel,

WK, Rz 25

zu § 229 StGB).

Der Sache nach unter § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO reklamiert der Beschwerdeführer den Strafaufhebungsgrund des § 229 Abs 2 StGB Indes kann von der hiefür entscheidenden Freiwilligkeit nach den Verfahrensergebnissen nicht die Rede sein: Der Angeklagte hat nach seiner Ausforschung durch Gendarmeriebeamte zunächst geleugnet, erst nach längerem Verhör seine Tat gestanden und die Stellen gezeigt, wo er die der überfallenen Frau entzogenen Sachen weggeworfen hatte (S. 47, 15). Urteilsfeststellungen zur Strafaufhebung gemäß § 229 Abs 2 StGB, die bei dieser Sachlage nur negativer Art hätten sein können, waren somit für die rechtliche Beurteilung nicht geboten. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 28, 142 Abs 2 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Dabei waren erschwerend die Konkurrenz zweier Delikte und der überaus rasche Rückfall, mildernd hingegen die Schadensgutmachung, das volle und reumütige Geständnis sowie die Tatbegehung vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahrs. In Bejahung der Voraussetzungen des § 43 Abs 1 StGB wurde diese Strafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung eine Anhebung des Strafmaßes und die Beseitigung der bedingten Strafnachsicht an, der Angeklagte hingegen begehrt eine Herabsetzung der Strafhöhe. Dem Verlangen nach einer Erhöhung des Strafausmaßes kommt Berechtigung zu.

Hat sich doch Gerhard A, wie die Anklagebehörde zutreffend hervorhebt, schon am 17. Tag nach seiner Verurteilung durch das Landesgericht Feldkirch wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4

(§ 81 Z. 2) StGB (GZ 22 b E Vr 1389/84-6) - also einer im alkoholisierten Zustand begangenen Straftat - zum vorliegenden Raub allein deswegen entschlossen, um seine für einen Gasthausbesuch ungenügend erachtete Barschaft von maximal 20 S aufzubessern (S. 27). Dazu kommt die eher verwegene Tatausführung durch den Angriff auf eine in Bewegung befindliche Radfahrerin, die auch prompt zum Sturz kam und verletzt wurde; auch das wirkt erschwerend. Hier ist eine Mindeststrafe nicht mehr am Platz. Selbst bei Anhebung auf das Doppelte bewegt sich die Sanktion immer noch deutlich im untersten Bereich des angewendeten, bis zu fünf Jahren reichenden Strafsatzes (§ 142 Abs 2 StGB).

Der Angeklagte, der eine Reduzierung der Strafe begehrt, war mit seiner Berufung auf das insoweit erfolgreiche Rechtsmittel seiner Prozeßgegnerin zu verweisen.

Diese dringt mit ihrem gegen die bedingte Strafnachsicht zielenden Berufungsbegehren allerdings nicht durch. Steht doch zu hoffen, daß der Angeklagte bei der zu erwartenden psychischen Nachreifung eine labile Entwicklungsphase (siehe S. 31 im Vorstrafakt) überwinden und letztlich doch zu einem rechtschaffenen und arbeitsamen Lebenswandel finden wird. Der Oberste Gerichtshof will die ihm von den Tatrichtern gebotene Chance, das Strafübel durch seine Bewährung zu vermeiden, dem Angeklagten nicht nehmen, jedoch mittels Androhung einer empfindlicheren Strafe den Anreiz zu künftigem Wohlverhalten nachdrücklich verstärken.

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