OGH 9Os10/85

OGH9Os10/8513.2.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Horak, Dr.Lachner und Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Hardegg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs.1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 27. Februar 1984, GZ 9 U 195/84-3, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Ersten Generalanwaltes Dr.Nurscher, und des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 27.Februar 1984 (unrichtig datiert mit 21.Februar 1984), GZ 9 U 195/84-3, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 127 Abs.1 StGB.

Dieses Urteil und alle darauf gegründeten richterlichen Verfügungen, insbesondere die Endverfügung vom 2.März 1984, werden aufgehoben und es wird gemäß §§ 288 Abs.2 Z 3, 292 StPO in der Sache selbst erkannt:

Helmut A wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 9. Dezember 1983 in Wien versucht. eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Musikkassette im Wert von 67 S, der B*** mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Am 9.Dezember 1983 wurde im C (D) in Wien 20., Nordwestbahnstraße 4, der 42-jährige Helmut A von dem mit der überwachung des Großmarkts betrauten Privatdetektiv Johann E wegen des Verdachts, im Geschäft eine Musikkassette im Wert von 67 S zu sich gesteckt und an der Kasse nicht bezahlt zu haben, angehalten und der Polizei übergeben. Sowohl vor den intervenierenden Sicherheitswachebeamten als auch bei seiner niederschriftlichen Einvernahme gab A an, er habe die Musikkassette nicht im D an sich genommen, sondern schon zuvor im Kaufhaus F gekauft und dort bezahlt. Bei seiner Anhaltung konnte A den Kassabeleg nicht vorweisen; in der Folge legte er aber eine diesbezügliche Rechnung vor (S 9), worauf das Bezirkspolizeikommissariat Brigittenau am 3.Jänner 1984 das Erhebungsergebnis dem Bezirksanwalt beim Strafbezirksgericht Wien zur strafrechtlichen Beurteilung in Richtung des Vergehens der Entwendung nach § 141 StGB übermittelte (S 11). Eine Ermächtigung zur Strafverfolgung des Helmut A lag bis zu diesem Zeitpunkt nicht vor; es wurde lediglich in der Anzeige (S 6) vermerkt, daß die Ermächtigung nachgereicht werden wird.

Der Bezirksanwalt beantragte hierauf am 20.Jänner 1984 die Bestrafung des Helmut A wegen Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127

Abs.1 StGB (S 12), worauf das Strafbezirksgericht zunächst am 21. Februar 1984

eine Hauptverhandlung abführte, in welcher der Beschuldigte und der Zeuge Johann E vernommen wurden und welche sodann (zwecks Einholung einer Auskunft des Kaufhauses F) auf den 27.Februar 1984 vertagt wurde (S 13 ff.). Mit dem in Form eines (bisher vom Richter nicht unterschriebenen und unrichtig mit '21.Februar 1984' datierten) Protokolls- und Urteilsvermerkes beurkundeten Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 27.Februar 1984, GZ 9 U 195/84-3, wurde Helmut A schließlich des 'Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs.1 StGB' schuldig erkannt, weil er 'am 9.Dezember 1983 in Wien aus Unbesonnenheit versucht (hat), eine Sache geringen Wertes, nämlich eine Musikkassette im Wert von 67 S, Verfügungsberechtigten der Firma D zu entziehen' (S 18); hiefür wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, die er inzwischen (in Raten) bezahlt hat (S 23 bis 29).

Rechtliche Beurteilung

Das bezeichnete Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien steht, wie die Generalprokuratur in ihrer deshalb gemäß § 33 Abs.2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Im Falle eines in Form eines Vermerkes gemäß § 458 Abs.2 StPO beurkundeten Urteils ergeben sich die Feststellungen, die das Gericht seinem Schulderkenntnis zugrundegelegt hat, allein aus der im Urteilsspruch enthaltenen Beschreibung der Tat, deren der Beschuldigte schuldig befunden wurde (§ 260 Abs.1 Z 1 StPO). Welche strafbare Handlung durch die solcherart als erwiesen angenommenen Tatsachen begründet wird, ist somit ausschließlich nach dem Inhalt des Urteilstenors zu beurteilen. Darnach hat aber vorliegend der Beschuldigte aus Unbesonnenheit eine Sache geringen Wertes einem anderen zu entziehen versucht. Eine solche Tat erfüllt in rechtlicher Beziehung alle Voraussetzungen des Vergehens der versuchten Entwendung nach §§ 15, 141

StGB, sodaß deren Beurteilung als Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs.1 StGB rechtsirrig erfolgte. Insoweit ist das angefochtene Urteil also mit einer Nichtigkeit im Sinne der Z 10 des § 281 Abs.1 StPO behaftet.

Für eine Verurteilung des Helmut A wegen Vergehens der versuchten Entwendung nach §§ 15, 141 StGB fehlt es zudem an der hiefür erforderlichen Ermächtigung des Verletzten (§ 141 Abs.2 StGB), weil eine solche nach der Aktenlage bis zum Beginn der Hauptverhandlung (§ 2 Abs.5 vorletzter Satz StPO) nicht erteilt worden ist (§ 281 Abs.1 Z 9

lit.b StPO;

vgl. ÖJZ-LSK 1976/134; 10 Os 184/81 ua).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher spruchgemäß zu erkennen.

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