OGH 1Ob712/84

OGH1Ob712/8429.1.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** ST. W***, vertreten durch den Oberschützenmeister Robert W***, Hotelier, St. Wolfgang, Markt 41, dieser vertreten durch Dr. Peter Pfarl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider die beklagte Partei Rudolf A***, Dentist, St. Wolfgang, AU 83, vertreten durch Dr. Wilfried Würl, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 91.500,- s.A. infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 13. November 1984, GZ 3 b R 109/84-23, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 20. Juli 1984, GZ 4 Cg 452/83-18, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.289,40 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten S 335,40 Umsatzsteuer und S 600,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung

Der klagende Verein bezweckt statutengemäß die Förderung des Schützenwesens durch Abhaltung von regelmäßigen Zimmergewehrübungen, von Bestund Freischießen und von größeren Veranstaltungen. Es werden ausübende, unterstützende und Ehrenmitglieder unterschieden. Ausübende Mitglieder sind diejenigen, die an den Veranstaltungen des Vereines teilnehmen, unterstützende solche, die jährlich mindestens einen Betrag von S 50,- als Vereinsbeitrag leisten, ohne ausübende Mitglieder zu sein. Alle Mitglieder sind verpflichtet, die Mitgliedsbeiträge termingemäß zu entrichten und die Statuten zu beachten. Die unterstützenden Mitglieder haben das Recht, an allen Veranstaltungen des Vereines und an den Beratungen desselben mit beratender Stimme teilzunehmen. Die ausübenden Mitglieder - mit Ausnahme der Jungschützen und die Ehrenmitglieder haben außer den vorher angeführten Rechten das aktive und passive Wahlrecht und beschließende Stimme bei den Vereinsberatungen. Die Generalversammlung ist bei jeder Teilnehmerzahl beschlußfähig. Sie faßt ihre Beschlüsse mit absoluter Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Zu einem gültigen Beschluß auf Statutenänderung, Vereinsauflösung oder Erwerbung und Veräußerung unbeweglichen Vermögens ist eine Zweidrittelmajorität der anwesenden Stimmen erforderlich. Der Generalversammlung steht unter anderem die Wahl der Vereinsvorstehung zu. Die Wahl der Vereinsvorstehung findet alle drei Jahre in der ordentlichen Generalversammlung statt. Die Vereinsvorstehung besteht aus dem Oberschützenmeister, dem Schützenmeister, dem Schriftführer, dem Kassier und vier Schützenräten. Die Vereinsvorstehung wird auf die Dauer von drei Jahren mit Stimmzetteln gewählt. Der Oberschützenmeister vertritt den Verein nach außen, führt den Vorsitz in allen Vereinsveranstaltungen, beruft die Vereinsversammlungen ein, führt die Beschlüsse der Generalversammlung und der Vorstehung aus, fertigt zu diesem Zwecke die Bekanntmachungen des Vereins zugleich mit dem Schriftführer und überwacht das Schießwesen des Vereins. Zum Beschluß des Vorstandes, der Generalversammlung eine Statutenänderung vorzuschlagen, ist die Anwesenheit sämtlicher acht Vorstandsmitglieder notwendig, von denen mindestens fünf für den Vorschlag stimmen müssen. Zwistigkeiten unter den Vereinsmitgliedern und Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis werden durch ein Schiedsgericht entschieden.

Der Beklagte wurde in der ordentlichen Generalversammlung vom 7.3.1978 zum Oberschützenmeister gewählt. Da die vier Schützenräte nicht gewählt wurden, bestand der Vorstand nur aus vier Personen. In der vom Beklagten unter anderem zur Wahl des neuen Vorstandes einberufenen ordentlichen Generalversammlung vom 5.5.1981 bestimmte er, daß nur jenen Mitgliedern das aktive und passive Wahlrecht zustehe, die während eines Vereinsjahres sich mehr als fünfmal am Vereinsgeschehen beteiligt hätten. Einen Wahlvorschlag, in dem Robert W*** zum Oberschützenmeister vorgesehen war, erklärte er aus diesem Grunde für unwirksam. Von den nach dieser Auslegung verbliebenen Wahlberechtigten gaben vier ihre Stimme für die vom Beklagten angeführte Liste ab, zwei enthielten sich der Stimme. Da es wegen dieser Vorgangsweise zu Zwistigkeiten mit anderen Vereinsmitgliedern kam, erklärte sich der Beklagte über Drängen der Vereinsbehörde bereit, für den 12.9.1981 eine außerordentliche Generalversammlung einzuberufen. Diese außerordentliche Generalversammlung sah als Tagesordnung die "Beratung und Beschlußfassung über die Ausdehnung der Wahlberechtigung im Sinne der Vereinsstatuten", die Einbringung von Wahlvorschlägen und die Ergänzungswahl des Vereinsvorstandes oder Neuwahl vor. Von 23 geladenen Mitgliedern waren 18 erschienen. Der Beklagte führte den Vorsitz. Er beharrte auf seinem Standpunkt, daß Vereinsmitglieder, die an den Vereinsschießen nicht teilnehmen, keine ausübenden Mitglieder seien. Er sprach sich aber für eine großzügige Auslegung der Statuten aus und meinte, daß jeder wahlberechtigt sei, der an zwei Vereinsveranstaltungen teilgenommen habe. Als zweite Möglichkeit stellte er zur Abstimmung, ob jedes Mitglied, das den Vereinsbeitrag bezahlt habe, wahlberechtigt sei. Von den anwesenden 18 Mitgliedern stimmten zwölf für den erstgenannten Vorschlag, sechs für den zweiten. Von den 23 Vereinsmitgliedern wurden darauf 13 für wahlberechtigt erklärt, darunter drei Nichtanwesende, die sich entschuldigt hatten; zehn Mitglieder wurden als nicht wahlberechtigt bezeichnet. Der Beklagte brachte sodann einen Wahlvorschlag ein, in dem er als Oberschützenmeister vorgesehen war. Die Gruppe um Robert W*** erklärte vorerst, keinen Wahlvorschlag zu erstatten. Der Beklagte übergab sodann dem Bezirksschützenmeister Patrik BER zwecks Durchführung der Wahl den Vorsitz. Die Gruppe um Robert W*** erklärte in der Folge, daß ihre Anhänger durch Besuch der Generalversammlung vom 5.5.1981 und der außerordentlichen Generalversammlung vom 12.5.1981 an zwei Veranstaltungen im Vereinsjahr teilgenommen hätten. Sie reklamierten aus diesem Grund für weitere fünf Personen das aktive und passive Wahlrecht. Robert W*** stellte unter Protest der anderen Vereinsmitglieder nunmehr einen Wahlvorschlag zusammen, der vom Bezirksschützenmeister Patrik BER angenommen wurde. Der Beklagte erklärte diese Liste für ungültig. Zu später Stunde kam es dann zur Abstimmung: sechs Personen stimmten für die Liste des Beklagten, neun für die Liste Robert W***.

Die klagende Partei, vertreten durch den Oberschützenmeister Robert W***, begehrt den Zuspruch des Betrages von S 91.500,-

samt Anhang als Ersatz für Zimmergewehre, Gedenkscheiben, eine Teilermaschine und die vom Beklagten entfernte Vereinskasse sowie für Einnahmenentgang. Der Beklagte könne sich von der Zahlung eines Teilbetrages von S 67.500,- dadurch lösen, daß er die Gewehre, Gedenkscheiben und die Teilermaschine zurückstelle. Der Beklagte erhob unter anderem die Einrede, daß Robert W*** nicht gültig zum Oberschützenmeister der klagenden Partei gewählt worden sei, weil er kein ausübendes Mitglied im Sinne der in der außerordentlichen Generalversammlung vom 12.9.1981 erfolgten Ausdehnung der Statuten und damit nicht wahlberechtigt und wählbar gewesen sei. Niemand sei in den Verein als ausübendes Mitglied aufgenommen worden; erst die Ausübung im Sinne des Vereinszweckes scheide die ausübenden Mitglieder von den unterstützenden. Auch weitere im Vorschlag Robert W*** enthaltene Personen seien nicht wählbar gewesen.

Die klagende Partei replizierte, daß alle dem Verein agehörenden Mitglieder als ausübende Mitglieder in den Verein aufgenommen worden seien. Die ausübenden Mitglieder hätten das Recht, aber nicht die Pflicht, an den Veranstaltungen des Vereines teilzunehmen. Bei der am 12.9.1981 abgehaltenen Abstimmung habe es sich in Wahrheit um eine Interpretation der Statuten bzw. um deren Abänderung gehandelt. Das Erstgericht hob das Verfahren einschließlich der Zustellung der Klage als nichtig auf und wies die Klage zurück. Die anläßlich der am 12.9.1981 abgehaltenen Generalversammlung durchgeführten Neuwahl des Vereinsvorstandes sei in mehrfacher Hinsicht statutenwidrig gewesen. Für eine Änderung der Statuten sei eine Beschlußfassung des Vorstandes in Anwesenheit sämtlicher acht Vorstandsmitglieder erforderlich, der Vorstand habe damals nur aus vier Personen bestanden. Als einziger Tagesordnungspunkt für die außerordentliche Generalversammlung vom 12.9.1981 wäre die Durchführung einer Neuwahl zulässig gewesen, nicht aber auch eine Statutenänderung. Einer Statutenänderung hätte unbedingt eine Neuwahl vorausgehen müssen, die unter Beachtung der bisherigen Statuten durchzuführen gewesen wäre. Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedern über die Statutenauslegung hätten zum Abbruch des Wahlvorganges führen müssen, um vorerst die Entscheidung des Vereinsschiedsgerichtes über diese für eine gültige Wahl wesentliche Vorfrage einzuholen. Der Beklagte sei nicht mehr befugt gewesen, auf Grund der Wahl vom 20.3.1978 den Verein nach außen hin zu vertreten, da die dreijährige Funktionsperiode bereits abgelaufen gewesen sei. Nach Ablauf der Funktionsperiode sei der Vorstand grundsätzlich nicht mehr für den Verein handlungsfähig. Eine Ausnahme bestehe nur insoweit, als der bisherige Vorstand gültig eine Generalversammlung zwecks Durchführung von Neuwahlen einberufen könne. Weitere Befugnisse stünden aber dem bisherigen Vorstand nicht zu. Sei eine statutengemäß korrekte Neuwahl des Vereinsvorstandes am 12.9.1981 nicht vorgenommen worden, stehe Robert W*** die Vertretungsbefugnis für die klagende Partei als Oberschützenmeister nicht zu.

Das Rekursgericht hob über Rekurs der klagenden Partei den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug ihm die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Der nach Ablauf der dreijährigen Funktionsperiode handlungsunfähig gewordene Vorstand des klagenden Vereins sei mangels gegenteiliger Bestimmungen in den Satzungen noch berechtigt gewesen, eine Generalversammlung zwecks Durchführung von Neuwahlen einzuberufen. Bei der Beurteilung der Vorgänge der außerordentlichen Generalversammlung vom 12.9.1981 sei der eindeutig zum Ausdruck gekommenen Willenserklärung der Vereinsmitglieder gegenüber der Verletzung von Formvorschriften der Vorrang einzuräumen. Vereinsstatuten seien wie generelle Normen auszulegen. Es verbleibe den Mitgliedern aber eine gewissen Disposition über die Statuten, die im Sinne der Vereinsfreiheit und im Zweifel so zu handhaben seien, daß der Verein funktionsfähig bleibe. Die Generalversammlung vom 12.9.1981 sei den Statuten gemäß ausgeschrieben worden. Auf der Tagesordnung sei unter anderem auch die Neuwahl des Vorstandes gestanden. Eine Statutenänderung sei nicht vorgesehen gewesen und auch nicht erfolgt. Es sei seitens des Beklagten lediglich versucht worden, in der Generalversammlung eine Einigung darüber herbeizuführen, welchen Vereinsmitgliedern als ausübenden das aktive und passive Wahlrecht zustehen solle. Die für jedes Mitglied zugängige Abstimmung habe mehrheitlich die Ansicht ergeben, daß ein Mitglied dann wahlberechtigt sei, wenn es an zwei Vereinsabenden teilgenommen habe. Durch diese Abstimmung sollten die Statuten nicht geändert, sondern in vermittelnder Weise großzügig ausgelegt werden. Obwohl der Beklagte demnach zehn der anwesenden Mitglieder nicht für wahlberechtigt gehalten habe, habe er die Gruppe W*** dennoch aufgefordert, einen eigenen Wahlvorschlag zu erstatten. Diese mehrheitlich in den Vorstand gewählte Gruppe habe sich sohin einerseits auf die ausdrückliche Aufforderung des Beklagten zur Kandidatur und auch darauf berufen können, daß sie ohnehin an zwei Veranstaltungen des Vereines teilgenommen hätten. Es sei damit der Beklagte selbst gewesen, der die Statuten trotz des nachfolgenden Protests vorerst in Anlehnung an die Ansicht der Vereinsbehörde großzügig ausgelegt habe. Es könne auch nicht der Sinn der Einteilung von Mitgliedern sein, daß es immer wieder völlig offen bleibe, wer nach Ablauf einer dreijährigen Funktionsperiode des Vorstandes jeweils wahlberechtigt sei. Wenn die Wahl des neuen Oberschützenmeisters und auch die Abgabe eines Wahlvorschlages durch die Gruppe W*** letztlich zumindest dem Willen der Mehrheit der Mitglieder des klagenden Vereins entsprochen habe, könne zufolge des im Ergebnis allgemein gewährten Wahlrechtes nicht eingewendet werden, der Beklagte hätte die Wahl abbrechen und vorerst die Entscheidung des statutenmäßig vorgesehenen Schiedsgerichtes einholen müssen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist nicht berechtigt. Die Statuten sind die grundsätzliche Norm, mit der sich der Verein seine Organisation selbst gibt (Fessler-Kölbl, Österreichisches Vereinsrecht 5 26). Die Auslegung der Statuten hat nicht nach den Regeln der §§ 914 f. ABGB zu erfolgen; maßgeblich ist vielmehr ihr sich in erster Linie aus dem Wortlaut ergebender objektiver Sinn (VfSlg. 9589/1982; VfSlg. 8844/1980;

Fessler-Kölbl aaO 27; Rummel in FS Strasser 819;

Staudinger-Coing 12 § 25 BGB Rz 16). Die Auslegung hat auf der Grundlage von Gesetzeskonformität unter Berücksichtigung des Vereinszweckes und unter Beachtung der berechtigten Interessen der Mitglieder (Heinrichs in Palandt 44 25; Reuter in Münchener Kommentar 2 § 25 BGB Rz 11; Steffen in BGB-RGRK 12 § 25 Rz 12;

Soergel-Schultze v. Lasaulx 11 § 25 BGB Rz 25) zu erfolgen. Der bisherigen Übung (Observanz) kann Bedeutung zukommen (EvBl 1980/380; Fessler-Kölbl aaO 27 vorsichtig einschränkend Rummel aaO 820). Nach Punkt VI Abs 6 der Statuten findet die Wahl der Vereinsvorstehung alle drei Jahre in der ordentlichen, alljährlich stattfindenden Generalversammlung statt. Zwischen der Bestellung des Vereinsvorstandes am 7.3.1978 und der außerordentlichen Generalversammlung lag ein Zeitraum von mehr als drei Jahren. Wenn auch nach Ablauf der Funktionsperiode der Vorstand bei Fehlen entsprechender Satzungsbestimmungen für den Verein nicht mehr zu handeln befugt ist (Fessler-Kölbl aaO 44), bleibt er zur Wahrung der Vereinskontinuität doch berechtigt, zwecks Durchführung von Neuwahlen eine Generalversammlung einzuberufen (Fessler-Kölbl aaO 44). Die Tagesordnung der außerordentlichen Generalversammlung vom 12.9.1981 enthielt aber nicht nur den Punkt Ergänzungswahl des Vereinsvorstandes oder Neuwahl, sondern sah vor dieser Wahl die "Beratung und Beschlußfassung über die Ausdehnung der Wahlberechtigung im Sinne der Vereinsstatuten" vor. Nach den Vereinsstatuten hatten - unter Ausschluß der Jungschützen nur ausübende sowie Ehrenmitglieder, nicht aber unterstützende Mitglieder das aktive und passive Wahlrecht und beschließende Stimme bei den Vereinsberatungen. Daß bei Aufnahmen in den Verein zwischen ausübenden und unterstützenden Mitgliedern unterschieden worden wäre, wurde nicht festgestellt. Selbst der Beklagte geht davon aus, daß eine solche Unterscheidung nicht vorgenommen wurde, hätte er doch sonst gar nicht auf den Gedanken verfallen können, im nachhinein festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Mitglieder als ausübende anzusehen und damit wahlberechtigt seien. Tatsächlich waren auch alle Mitglieder ausübungsberechtigt; ihr Wahlrecht wurde nur bestritten, weil sie von ihrem Recht nicht Gebrauch machten; Ausübungspflichten sehen die Statuten aber nicht vor. Bei der in die Tagesordnung aufgenommenen Beratung und Beschlußfassung über die "Ausdehnung" der Wahlberechtigung im Sinne der Vereinsstatuten handelte es sich nicht um eine Beschlußfassung im Sinne der Vereinsstatuten, sondern um deren authentische Interpretation und somit letztlich um eine Satzungsänderung. Von einer authentischen Interpretation spricht man, wenn das zur Aufstellung oder Änderun der Grundnorm berechtigte Organ bestimmt, in welchem Sinn sie zu verstehen sei (Bydlinski in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 8; Koziol-Welser 6 I 18; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verfassungsrechts 4 40; Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht 82 f.). Auf den Verein angewendet bedeutet dies, daß nur eine Generalversammlung, die ein Statutenänderung beschließen kann, auch zur authentischen Interpretation der Statuten berechtigt ist. Waren nach Ablauf der dreijährigen Funktionsperiode die bisherigen Organe des Vereins lediglich befugt, eine Generalversammlung zum Zwecke der Neuwahl auszuschreiben, fehlte es ihnen an der rechtlichen Möglichkeit, im Sinne des Punktes VIII der Statuten, der Generalversammlung eine Statutenänderung in Form einer authentischen Interpretation vorzuschlagen. Bei der Erweiterung der Tagesordnung der Generalversammlung handelte es sich nicht nur um einen bei der Einberufung unterlaufenen bloßen Formfehler, in welchem Fall der in der Versammlung erfolgten eindeutigen Willenserklärung der Vereinsmitglieder gegenüber der Einhaltung bloßer Formvorschriften der Vorrang zu geben sein mag (6 Ob 678/78; Fessler-Kölbl aaO 44), sondern um eine Verletzung der Statuten als der Vereinsvorfassung. Deren Nichteinhaltung führt zur durch die Gerichte, sei es als Vorfrage, sei es als Hauptausspruch zu treffenden Feststellung der Ungültigkeit dieses Vorganges (3 Ob 534/80; Fessler-Kölbl aaO 80).

Ungültig war aber nur die Änderung der Statuten, nicht die Durchführung der Neuwahl, die längst überfällig war. Es ist daher zu prüfen, wer auf Grund der damals in Geltung gestandenen Vereinsstatuten wahlberechtigt war. Grundsätzlich ist jedes Mitglied zur Stimmabgabe berufen (Reuter in Münchener

Kommentar 2 § 32 BGB Rz 15;

Soergel-Schultze v. Lasaulx 11 § 32 BGB Rz 23;

Staudinger-Coing 12 § 32 BGB Rz 19). Die Satzungen können nur das Stimmrecht von gewissen Voraussetzungen abhängig machen, so etwa von der Bezahlung des Mitgliedsbeitrages

(Soergel-Schultze v. Lasaulx aaO; Staudinger-Coing aaO); selbst eine von vornherein gegebene Differenzierung in verschiedene Mitgliederklassen (wie hier die Unterscheidung von ausübenden und unterstützenden Mitgliedern sowie Jungschützen mit verschiedener Rechtsstellung), ist zulässig (Reuter aaO Rz 18; vgl. BGHZ 55, 381, 385 f). Es ist nicht hervorgekommen, daß bei den ausübenden Mitgliedern - mit Ausnahme der allgemein als ungültig angesehenen Wahl der Generalversammlung vom 5.5.1981 jemals eine Differenzierung nach der Zahl ihrer Teilnahme an Vereinsveranstaltungen verlangt oder durchgeführt wurde. Der im Zweifel anzuwendende Grundsatz der Gleichbehandlung aller Vereinsmitglieder, der auch nach der bisherigen Übung offenbar eingehalten wurde, führt zum Ergebnis, daß alle Mitglieder, die befugt waren, an Vereins- einschließlich der Schießveranstaltungen teilzunehmen, als ausübende Mitglieder im Sinne der Statuten und damit als aktiv und passiv wahlberechtigt anzusehen sind. Die tatsächliche Nichtausübung des Wahlrechtes durch einige anwesende Mitglieder machte für sich allein die Wahl noch nicht ungültig, zumal die Statuten eine Wahlpflicht nicht vorsehen und das grundsätzlich zu wahrende Kontinuitätsprinzip einer Annahme, die Wahl sei auch schon wegen solcher Mängel ungültig, entgegensteht. Es wäre Sache der zu Unrecht von der Ausübung des Wahlrechtes Ausgeschlossenen gewesen, ihr Recht, an der Wahl mitzuwirken, in Anspruch zu nehmen.

Ist aber Robert Wiesbauer zum Oberschützenmeister der klagenden Partei gültig gewählt worden, liegt das vom Beklagten behauptete Prozeßhindernis nicht vor. Seinem Revisionsrekurs ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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