OGH 7Ob695/84

OGH7Ob695/8417.1.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A. *****, vertreten durch Dr. Friedrich Pechtold, Rechtsanwalt in Wien, wieder die beklagte Partei D*****, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn und Dr. Michael Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung des Nichtbestehens von Benützungsrechten (Streitwert 30.000 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. September 1984, GZ 41 R 290/84‑102, womit die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. April 1984, GZ 41 R 290/84‑90, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00695.840.0117.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Behandlung der Revision der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Entscheidung über die Rekurskosten bleibt vorbehalten.

 

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Revision des Beklagten gegen das bestätigende Berufungsurteil mit der Begründung zurück, dass in diesem Urteil der Streitgegenstand mit nicht über 60.000 S bewertet worden sei und ein Fall zwingender anderer Bewertung nach § 58 Abs 2 JN nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Beklagten dagegen erhobene Rekurs ist mit Rücksicht auf den wahren Streitwert (siehe unten) zulässig und auch berechtigt.

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, das seine Bewertung des Streitgegenstands, über den es im Berufungsurteil entschieden hatte, im Falle einer zwingenden Bewertung nach § 58 Abs 2 JN nicht stattzufinden gehabt hätte (RZ 1977/134 ua). Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts liegt aber hier ein solcher Fall vor. Nach der angeführten Gesetzesbestimmung ist der Betrag des auf die gesamte streitige Zeit fallenden Zinses der Bewertung des Streitgegenstands zugrundezulegen, wenn das Bestehen eines Pacht‑ oder Mietverhältnisses streitig ist. Dies setzt allerdings voraus, dass das Vorliegen eines Bestandvertrags mit einer bestimmen Zinshöhe behauptet wird: Fehlt es an einer solchen Behauptung oder ist sie begrifflich nicht möglich, dann ist die Bewertung des Streitgegenstands nach § 56 Abs 2 JN vom Kläger vorzunehmen ( Fasching  I 359, EvBl 1973/159 ua). Auch die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Bestandrechts ist aber gleich zu beurteilen (s Fasching , Zivilprozessrecht Rz 265). Bei der Beurteilung des Gegenstands des Rechtsstreits ist auf die Einwendungen des Beklagten (nur) insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie im Zusammenhang mit den Angaben des Klägers erkennen lassen, welche Rechtsverhältnisse strittig sind (JBl 1980, 103).

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der Beklagte den Standplatz vor dem Warenhaus der klagenden Partei zuletzt aufgrund einer als Pachtvertrag bezeichneten Vereinbarung benützt und ein tägliches Entgelt von 1.000 S bezahlt hat. Strittig ist die Rechtsnatur dieses Vertrags, besonders ob es sich um einen unzulässigen Kettenvertrag über ein Mietverhältnis handelte, und die Wirksamkeit der von der klagenden Partei behaupteten Auflösung des Rechtsverhältnisses. Damit ist hier aber, anders als in den Fällen einer auf die bloße Bestreitung jedes Vertragsverhältnisses gegründeten negativen Feststellungsklage (wie EvBl 1973/159) das (Fort‑)Bestehen eines Bestandvertrags mit einer bestimmten Zinshöhe strittig und eine Bewertung aufgrund des der Höhe nach außer Streit stehenden Entgelts (angeblichen Mietzinses) begrifflich durchaus möglich. Die Bewertung durch das Berufungsgericht hatte demnach gemäß § 58 Abs 2 JN stattzufinden.

Nach § 58 Abs 2 JN übersteigt der Streitwert mit Rücksicht auf den Streit über die Fortdauer des Rechtsverhältnisses auf unbestimmte Zeit (vgl § 58 Abs 1 JN) und wegen der Höhe des Entgelts die Wertgrenze von 300.000 S, sodass sogar die Vollrevision gegen das Berufungsurteil zulässig ist.

Der Ausspruch über die Rekurskosten beruht auf § 52 ZPO.

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