Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 15.Juni 1965 geborene Einzelhandelskaufmann Karl A und der am 15. Dezember 1956 geborene Bankangestellte Hermann B wurden des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie am 10.Juni 1984 in Winkl (Gemeinde St. Jakob im Rosental) im einverständlichen Zusammenwirken Barbara C mit Gewalt gegen ihre Person, indem sie sie in einem Personenkraftwagen festhielten, ihr die Kleider vom Leib rissen, sie an den Armen festhielten und sich auf sie setzten und legten, widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch fechten beide Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerden an, welche sie auf § 281 Abs 1 Z. 5 (A irrtümlich Z. 4) StPO stützen.
Zu den von beiden Beschwerdeführern vorgebrachten Einwänden gegen die Beweisgrundlagen der festgestellten Widerstandsunfähigkeit des Mädchens zum Zeitpunkt des Mißbrauchs zum Beischlaf genügt der Hinweis, daß sich das Schöffengericht auf die mit den Aussagen des Tatopfers weitgehend übereinstimmenden geständigen Verantwortungen beider Angeklagten stützen konnte. Diese erklärten inhaltlich des Hauptverhandlungs-Protokolls, sich schuldig zu bekennen und die Sachverhaltsschilderung der Anklage (ON 3), die sich ihrerseits auf die Angaben der Zeugin Barbara C im Vorverfahren stützte, als richtig anzuerkennen (S. 87, 88). In der Anklagebegründung wird aber eindeutig dargelegt, daß Barbara C in den Zustand der Widerstandsunfähigkeit versetzt wurde (S. 75).
Wenn daher der Angeklagte A unter Heranziehung der Z. 4 (da Beweisanträge aber gar nicht gestellt, richtig Z. 5) des § 281 Abs 1 StPO diese Geständnisse umdeuten will und dem Erstgericht vorwirft, sich nicht mit allen Details des Geschehensablaufs und den allenfalls hieraus zu seinen Gunsten ableitbaren Folgerungen (daß das Mädchen doch freiwillig mitgefahren war und auch nicht widerstandsunfähig gemacht wurde) auseinandergesetzt zu haben, überzieht er den durch § 270 Abs 2 Z. 5 StPO für die Begründungspflicht gezogenen Rahmen und bringt damit einen formellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Gleiches gilt für den - hilfsweise auch unter § 281 Abs 1 Z. 5 StPO vorgebrachten - Einwand des Angeklagten B, daß sich das Erstgericht zu wenig mit den Einzelheiten des Tathergangs (keine Beschädigung der Kleider) auseinandergesetzt habe.
Das Schwergewicht beider Beschwerden liegt aber auf den Rechtsrügen (Z. 10), mit denen behauptet wird, der angenommene Sachverhalt decke den für den Tatbestand nach § 201 Abs 1 StGB essentiellen Begriff der Widerstandsunfähigkeit nicht und es fehlten überdies Feststellungen, um in subjektiver und objektiver Richtung eine Tatbeurteilung auch in Richtung § 202 Abs 1 StGB vornehmen zu können.
Das Erstgericht konstatiert hiezu - wie dargelegt, im Einklang mit den Einlassungen beider Beschwerdeführer - daß sie Barbara C gegen deren mehrfach und eindeutig geäußerten Willen auf einem nahe der Bundesstraße liegenden Feldweg gewaltsam entkleideten und sie auf den als Liegesitz ausgestatteten Beifahrersitz legten, um sie geschlechtlich zu mißbrauchen.
C versuchte, aus dem Personenkraftwagen zu flüchten, dies gelang ihr aber deshalb nicht, weil sie einerseits vom Angeklagten A an den Armen festgehalten wurde, andererseits, weil A den Verriegelungsknopf der Beifahrertür nach hinten drückte. Als Barbara
C schon nackt war, kamen dem Angeklagten A Bedenken, daß sie von vorbeifahrenden Passanten gesehen werden könnten, weshalb B seinen Personenkraftwagen auf einen abgelegeneren Ort in einem Waldstück lenkte. Obwohl Barbara C wiederum verlangte, nach Hause gebracht zu werden, kam man ihrem Wunsch nicht nach, sie konnte sich allerdings wieder ankleiden. Kaum hatte B neuerlich angehalten, kam A zu Barbara C nach vorne und setzte sich, während B das Fahrzeug verließ, auf ihren Bauch, entkleidete sie neuerlich, wobei das Mädchen keine Chance hatte, sich des auf ihr sitzenden A zu wehren. In der Folge spreizte dann A die Beine der Barbara C und versuchte, einen Geschlechtsverkehr durchzuführen. Als ihm dies nicht gelang, forderte er B auf, es zu probieren. A stieg, in der Zwischenzeit Barbara C an den Armen festhaltend, auf den Rücksitz und ermöglichte es dadurch B, einen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguß durchzuführen.
Sodann wälzte sich A über Barbara C, drückte ihre Beine auseinander und führte in der Folge ebenfalls einen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguß durch (S. 95, 96).
Aus diesen Sachverhaltsfeststellungen zogen die Tatrichter unter Würdigung der ihnen zugrundeliegenden Aussagen der Zeugin C den rechtlich einwandfreien Schluß, daß das Mädchen zwecks Erzwingung eines Beischlafs widerstandsunfähig gemacht wurde. Die Verbrechen nach § 201 Abs 1 StGB und 202 Abs 1 StGB unterscheiden sich - was die Beschwerden zu verkennen scheinen - nicht in den zur Erzwingung des Geschlechtsverkehrs angewendeten Mitteln (der Gewalt gegen die Person des Tatopfers oder der gegen dieses gerichteten Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, sondern in der hiedurch beim Opfer vorsätzlich herbeigeführten Wirkung. Wird durch diese Mittel die Widerstandsunfähigkeit des Opfers bewirkt und dieser Zustand zur Ausübung des außerehelichen Beischlafs ausgenützt, dann ist der Tatbestand der Notzucht erfüllt; duldet hingegen das Opfer den Geschlechtsverkehr unter dem physischen oder psychischen Druck der Gewalt oder Drohung, ohne geradezu widerstandsunfähig zu sein, liegt Nötigung zum Beischlaf vor. Barbara C war aber physisch und psychisch so geschwächt, daß ein weiterer Widerstand unmöglich, aussichtslos und auch nicht mehr zumutbar war (S. 99). Bei der Prüfung der Widerstandsunfähigkeit einer Frau ist nämlich auch darauf Bedacht zu nehmen, daß bei fortgesetzten Angriffen (häufig körperlich überlegener) Männer die psychischen Kräfte einer Frau derart erlahmen, daß sie schließlich außerstande ist, weiteren Widerstand zu leisten und sich letztlich im Bewußtsein ihrer hilflosen Lage den Angreifern ohne weitere Abwehrhandlungen (wie z. B. das von der Beschwerde des A vermißte Kratzen oder Beißen) fügt. Unerheblich ist jedenfalls, ob auch noch beim Vollzug des Beischlafs Gewalt angewendet wird (EvBl 1975/270, LSK 1981/90). Es ist daher nicht, wie der Angeklagte A meint, erforderlich, daß im Zeitpunkt der Notzucht (also des Beischlafs) 'massive Gewalt und schwerste Drohungen' eingesetzt werden; es genügt, daß das Opfer bereits vorher in eine wehrlose Lage versetzt wurde. Der Angeklagte B wendet, teilweise in unzulässiger Bekämpfung der Beweiswürdigung, ein, von einer körperlichen überlegenheit könne keine Rede sein und der Tatablauf hätte näher ausgeleuchtet werden müssen. Ihm ist nur einzuräumen, daß die Frage der Widerstandsunfähigkeit nicht nur aus rechtlicher Sicht zu beantworten ist, sondern daß der Zustand körperlicher und seelischer Erschöpfung immer auch nach den forensischen Erfahrungen zu beurteilen, insoweit also auch eine Tatfrage ist (12 Os 136/82). Dazu sind aber - wie bereits dargelegt - ohnehin ausreichende Sachverhaltsfeststellungen vorhanden, die im Rahmen der Ausführung eines materiellen Nichtigkeitsgsgrunds nicht mehr bekämpft werden können, sodaß auf die weitwendigen Beschwerdeausführungen in dieser Richtung nicht mehr einzugehen ist.
Soweit der Angeklagte B Feststellungen zur subjektiven Tatseite insoweit vermißt, als aus den öußerungen des Mädchens, nach Hause geführt zu werden, noch nicht die Ernstlichkeit des Widerstands, vor allem aber auch nicht sein bedingter Vorsatz, den widerstrebenden Willen zu brechen, abgeleitet werden könne, weil auch eine Willensbeugung im Sinn des § 202 StGB als Tatziel in Frage käme, muß er sich neuerlich den Hinweis gefallen lassen, nicht alle (bereits oben zitierten) Feststellungen seiner rechtlichen Argumentation zugrundezulegen. Für die Beurteilung der subjektiven Tatseite war nämlich neben den Bekundungen der Zeugin maßgebend, daß der eine Angeklagte (A) Barbara C von rückwärts festhielt und der andere (B) ihr von vorne die Hose auszog. Daraus wurde eine ernstliche Gegenwehr ebenso wie aus den festgestellten Verletzungen abgeleitet (S. 100).
Die rechtliche Konklusion, daß die Angeklagten trotz des von ihnen als ernst erkannten Widerstands des Mädchens vorsätzlich so lang Gewalt anwendeten, bis sie es im Zustand der Widerstandsunfähigkeit geschlechtlich mißbrauchen konnten, ist daher fehlerfrei, weshalb für die Subsumtion des ausreichend festgestellten Sachverhalts unter den Tatbestand des § 202 Abs 1 StGB kein Raum bleibt. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über beide Angeklagte gemäß § 201 Abs 1 StGB eine einjährige Freiheitsstrafe und wertete beim Angeklagten B nichts, beim Angeklagten A hingegen dessen führende Rolle als erschwerend, während als mildernd bei beiden Angeklagten deren Unbescholtenheit und das 'Tatsachen'geständnis, bei A auch sein Alter unter 21 Jahren und bei B weiterhin der Umstand berücksichtigt wurden, daß er schon bei der Gendarmerie durch seine Aussagen wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat. Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht an.
Zu den vom Erstgericht herangezogenen Milderungsumständen ist zu bemerken, daß in der Hauptverhandlung beide Berufungswerber ein Geständnis abgelegt haben (S. 87, 88), das sie zwar durch die Ergreifung von Nichtigkeitsbeschwerden gewissermaßen formal in Frage stellten, aber (im Licht der Beschwerdeausführungen betrachtet) nicht inhaltlich zurückzogen, sondern nur rechtlich anders gewürdigt wissen wollen.
Zum Tatablauf ist aber - entgegen den Ausführungen beider Rechtsmittelwerber - darauf zu verweisen, daß der wesentlich jüngere Angeklagte A wohl der Initiator des Verbrechens war, die Schuld des Angeklagten B aber deshalb nicht minder wiegt, weil er es als Autolenker in der Hand hatte, die erst im zweiten Angriff vollendete Tat noch zu verhindern. Es kann daher von einer Unbesonnenheit bei keinem der beiden Täter die Rede sein, vielmehr deutet der Umstand, daß das Mädchen zweimal gewaltsam entkleidet und die Tat erst an einem verborgenen Ort ausgeführt wurde, auf einen starken verbrecherischen Willen hin, der der Annahme beträchtlichen überwiegens der Milderungsumstände (§ 41 StGB) zuwiderläuft. Die Art der Tatausführung und der hohe Grad an Schuld verbieten trotz des unbescholtenen Vorlebens die bedingte Strafnachsicht, zumal bei einem derart schweren Eingriff in die Intimsphäre eines (nach der Aktenlage keineswegs leichtsinnigen) jungen Mädchens auch erhebliche generalpräventive Bedenken gegen die Gewährung der verlangten Rechtswohltat obwalten (§ 43 Abs 1 StGB).
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