Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 2.940,15 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon 223,65 S USt und 480 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bis 31. 3. 1983 Angestellter der beklagten Partei. Er begehrte zuletzt an Gehalt für Februar und März 1983, aliquotem Urlaubs- und Weihnachtsgeld und Abfertigung 34.346,65 S netto sA. Die beklagte Partei bestritt die Ansprüche des Klägers nur in dem diesen Betrag zunächst übersteigenden Ausmaß und wendete insgesamt eine Gegenforderung von 122.348,92 S, später berichtigt auf 122.318,92 S aufrechnungsweise ein. Dazu führte die beklagte Partei in einem vorbereitenden Schriftsatz aus, der Kläger habe vom Konto der beklagten Partei insgesamt 57.548,92 S für private Zwecke (Spesen einer Amerikareise, Vorschüsse, Bezahlung einer Weinlieferung) behoben. „Aus diesem Grunde wurde der, bei Beendigung des Dienstverhältnisses der klagenden Partei jedenfalls fällige Forderungsanspruch unserer Gesellschaft gegen die klagende Partei von 57.548,92 S gegen deren restliche Bezugsansprüche compensando aufgerechnet und im Weiteren die rechtswegige Geltendmachung darüber hinausgehender Ansprüche unserer Gesellschaft gegen die klagende Partei ... vorbehalten.“ Die weitere Gegenforderung stützt die beklagte Partei auf den Verkauf einer Bauhütte an den Kläger (1.770 S) und auf unaufgeklärte Behebungen von ihrem Konto in Höhe von 63.000 S. Später brachte die beklagte Partei vor, die über die außer Streit gestellte Forderung des Klägers hinausgehende Gegenforderung sei mit 107.804,52 S zu Cr 1/84 des Erstgerichts klageweise geltend gemacht worden.
Das Erstgericht sprach dem Kläger mit Teilurteil 34.346,65 S netto sA zu und unterbrach über einverständlichen Antrag der Parteien das restliche Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens Cr 1/84 desselben Gerichts.
Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es war der Ansicht, dass die Fällung eines Teilurteils gemäß § 391 Abs 3 ZPO mangels eines rechtlichen Zusammenhangs zwischen Forderung und Gegenforderung zulässig gewesen sei.
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichts wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei ist zulässig. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Anwendung der Bestimmung des § 391 Abs 3 ZPO zwar an sich eine Frage des Prozessrechts, ihre richtige Lösung kann aber, wenn sie von der materiell-rechtlichen Frage des rechtlichen Zusammenhangs zweier Forderungen abhängt, im Rahmen des Revisionsgrundes des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO geprüft werden (SZ 42/162; SZ 52/90; JBl 1980, 548; JBl 1983, 438 uva). Gleiches gilt, wenn die Frage der Zulässigkeit der Fällung eines Teilurteils davon abhängt, ob der Beklagte die Aufrechnung als Schuldtilgungseinwand oder durch prozessuale Aufrechnungseinrede geltend gemacht hat (ähnlich 1 Ob 621/77).
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aber nicht berechtigt.
Der Revisionswerber rügt, das Erstgericht habe mit der Erlassung des Teilurteils gegen § 405 ZPO verstoßen, weil dessen Fällung gar nicht beantragt worden sei. Diese Rüge ist zwar zulässig, weil im arbeitsgerichtlichen Verfahren angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die im Berufungsverfahren nicht gerügt oder nicht als gegeben erkannt wurden, in der Revision geltend gemacht werden können, da sie jedenfalls auch solche des Berufungsverfahrens sind (Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren 143; JBl 1981, 387 mwN). Die Rüge ist aber nicht berechtigt, weil die Parteien die Fällung eines Teilurteils wohl anregen können, aber kein Antragsrecht auf Fällung eines Teilurteils haben. Der Richter hat im Rahmen der Zulässigkeitsgrenzen nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob er ein Teilurteil fällen soll oder nicht (Fasching LB Rdz 1421). Ein Verstoß gegen § 405 ZPO liegt schon begrifflich nicht vor, wenn einer Partei mit Teilurteil ein Teil von dem, was sie insgesamt beantragt hat, vorweg zugesprochen wird.
Die Revisionswerberin behauptet ferner, für die Fällung eines Teilurteils sei kein Raum, weil sie Erfüllung (durch Schuldtilgung) behauptet habe, sodass der Anspruch des Klägers erloschen sei. Es ist zwar richtig, dass im Prozess die Aufrechnung als Schuldtilgungseinwand, der sich auf eine (vor oder während des Prozesses) bereits vollzogene („außergerichtliche“) Aufrechnung stützt, oder durch prozessuale Aufrechnungseinrede geltend gemacht werden kann (EvBl 1979/171; SZ 50/35; EvBl 1972/187 ua; Nowak in JBl 1951, 504 ff). Im Zweifel ist aber die Geltendmachung einer Gegenforderung im Prozess, mit der sich der Beklagte nicht auf eine schon vorher („außergerichtlich“) vollzogene Aufrechnung stützt, als bloße Prozessaufrechnung anzusehen; die Erhebung des (in der Praxis die seltene Ausnahme bildenden) Schuldtilgungseinwands setzt voraus, dass aus dem Vorbringen des Beklagten eindeutig hervorgeht, dass er eine privatrechtliche Gestaltungserklärung bereits abgegeben hat oder während des Prozesses abgeben will. Dem Vorbringen der beklagten Partei ist aber eine solche deutliche Erhebung des Schuldtilgungseinwands nicht zu entnehmen. In der mündlichen Streitverhandlung vom 15. 9. 1983 erklärte sie lediglich, den Betrag von (damals) 122.348,92 S aufrechnungsweise einzuwenden. Die weitere Erklärung, mit der die beklagte Partei die damals noch mit 47.250 S geltend gemachte Klagsforderung mit einem Teil von 34.346,65 S als richtig zugab, reicht für die Annahme, sie wolle außergerichtlich aufrechnen, nicht aus. Gewiss hatte die Aufrechnungseinrede der beklagten Partei bis zu diesem Teilbetrag nicht mehr den Charakter einer Eventualaufrechnungseinrede, die für die Prozessaufrechnung typisch ist. Es steht aber jedem Beklagten auch die Möglichkeit offen, die Aufrechnungseinrede als primäres Verteidigungsmittel zu erheben (Fasching LB Rdz 1289; vgl SZ 19/44). Die anlässlich der Aufschlüsselung der eingewendeten Gegenforderung abgegebene Erklärung der beklagten Partei, sie habe ihre, bei Beendigung des Dienstverhältnisses fälligen Forderungsansprüche von 57.548,92 S gegen die restlichen Bezugsansprüche des Klägers aufgerechnet, bezog sich nicht erkennbar auf eine bereits (außergerichtlich) abgegebene Aufrechnungserklärung, sondern war im Zweifel bloß als Hinweis auf die bereits die in der vorausgegangenen Verhandlung erhobenen Aufrechnungseinrede und die Fälligkeit der eingewendeten Gegenforderung zu werten. Die konkrete Behauptung einer zu einem bestimmten Zeitpunkt abgegebenen Aufrechnungserklärung, die der Beklagte bei Behauptung der Schuldtilgung durch Aufrechnung dartun muss (EvBl 1979/462; SZ 50/35 mwN ua) fehlte weiterhin.
Die beklagte Partei hat somit einen Schuldtilgungseinwand infolge Aufrechnung nicht deutlich vorgebracht, was zu ihren Lasten geht. Damit braucht auf die in Lehre und Rechtsprechung äußerst umstrittene Frage, ob auch bei Erhebung des Schuldtilgungseinwands infolge Aufrechnung ein Teilurteil über die Forderung gefällt werden kann (so SZ 28/181; entgegengesetzt 1 Ob 621/77; zum Meinungsstand in der Lehre ausführlich Rummel in Rummel ABGB II Rdz 20 zu § 1438 und Rdz 6 zu § 1439) nicht eingegangen zu werden.
Wie das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionswerberin zutreffend erkannte, steht der Zulässigkeit des bekämpften Teilurteils auch ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Klagsforderung und Gegenforderung im Sinne des § 391 Abs 3 ZPO nicht entgegen.
Rechtlicher Zusammenhang zwischen Forderung und Gegenforderung wird angenommen, wenn sie aus einem einheitlichen Vertrag, einer einzigen gesetzlichen Vorschrift, einem einheitlichen Rechtsverhältnis oder einem einheitlichen, unter einem gleichen rechtlichen Gesichtspunkt zu beurteilenden Lebenssachverhalt hergeleitet werden (Fasching III 582 f; SZ 42/162; RZ 1977/14; SZ 52/90 uva), weiters, wenn beide Ansprüche einander bedingen (Gschnitzer in Klang 2 VI 497; RZ 1960, 21; IndS 1976, H 5/1003). Das Merkmal der Ableitbarkeit der Forderung und der Gegenforderung aus demselben Vertrag (Rechtsverhältnis) wurde in der Lehre (Weinzierl, Der Lohnschutz und die Zulässigkeit der Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil des Lohnes, RdA 1963, 153 ff [159]; Heller-Berger-Stix aaO 2103) und in der älteren Rechtsprechung (SZ 7/70; Arb 6780) für Forderungen und Gegenforderungen aus Arbeitsverhältnissen dahin verstanden, dass alle sich aus demselben Arbeitsverhältnis ergebenden Forderungen und Gegenforderungen, insbesondere also Lohnforderungen des Dienstnehmers und Ersatzforderungen des Dienstgebers für Schäden, die ihm der Dienstnehmer bei Erbringung seiner Dienstleistungen zugefügt hat, unbeschränkt gegeneinander aufrechenbar seien. Wie aber der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen EvBl 1983/94 und JBl 1984, 157 erkannte, wird das von dieser älteren Rechtsprechung als Merkmal des „rechtlichen Zusammenhanges“ herausgearbeitete Kriterium des „einheitlichen Vertrages“ bzw des „einheitlichen Rechtsverhältnisses“ durch das Bestehen eines Dienstverhältnisses allein nicht immer verwirklicht, weil ein Dienstverhältnis ein Dauerschuldverhältnis ist, das sich oft über lange Zeiträume erstreckt und eine ganze Fülle von beiderseitigen Einzelansprüchen nach sich zieht, deren verbindlichendes Tatbestandselement oft nur mehr das Bestehen des Dienstverhältnisses ist. Der Konnex zwischen diesen, oft verschiedene Zeiträume betreffenden Einzelansprüchen ist daher nicht so eng wie bei Ansprüchen aus Zielverschuldverhältnissen. Daher wurde auch ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Forderung und Gegenforderung aus einem Dienstverhältnis, die sich auf verschiedene Zeitperioden dieses Dienstverhältnisses bezogen, abgelehnt (Fasching III 583 unter Berufung auf 4 Ob 12/57; 4 Ob 72/78). Der Oberste Gerichtshof gelangte daher in den Entscheidungen EvBl 1983/94 und JBl 1984, 157, ebenso wie schon früher in den Entscheidungen 4 Ob 72/78 und IndS 1976 H 5/1003 zum Ergebnis, dass zwischen den Entgeltansprüchen des Dienstnehmers und einer eingewendeten Schadenersatzforderung des Dienstgebers aus einem Verhalten bei Erbringung seiner Dienstleistungen kein rechtlicher Zusammenhang besteht.
Diese Grundsätze gelten auch für den vorliegenden Fall, in dem die Gegenforderungen der beklagten Partei (zum weitaus überwiegenden Teil) darauf gestützt werden, der Kläger habe in deliktischer Verletzung seiner Dienstpflichten vom Konto der beklagten Partei, über das er verfügungsberechtigt war, private oder unaufgeklärte Ausgaben getätigt, die er aus diesen Mitteln nicht hätte vornehmen dürfen. Die damit behaupteten Gegenforderungen betreffen überwiegend Vorgänge, die zur Zeit, als die nunmehr geltend gemachte Lohnforderung des Klägers entstand, bereits mehrere Jahre zurücklagen. Nicht auf deliktischer Verletzung von Dienstpflichten beruht nur die behauptete Gegenforderung der beklagten Partei aus dem Verkauf einer Bauhütte an den Kläger. Auch zwischen dieser Forderung und der Lohnforderung des Klägers besteht aber kein Zusammenhang. Keine der erhobenen Gegenforderungen hat einen unmittelbaren und engen Sachbezug zum Entgeltanspruch des Klägers. Der Fällung des bekämpften Teilurteils über die nicht mehr bestrittene Klagsforderung stand daher § 391 Abs 3 ZPO nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO (Fasching II 364).
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