Spruch:
Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss als nichtig aufgehoben und der gegen den erstinstanzlichen Beschluss (ON 33) erhobene Rekurs (ON 35) zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die im Handelsregister einzutragenden Verhältnisse der „D*****“ *****‑Gesellschaft mbH wurden seit der Eintragung des Gesellschaftsvertrags vom November 1970 in dem vom Handelsregister Wien geführten Handelsregister in der Abteilung ***** unter Nr ***** eingetragen.
Nach der Aktenlage haben die beiden damaligen Gesellschafter am 2. 8. 1978 die Auflösung der Gesellschaft, die Liquidation unter der durch den Beisatz „in Liquidation“ ergänzten Firma sowie die Bestellung der damaligen Minderheitsgesellschafterin zur Liquidatorin beschlossen. Dieser Gesellschafterbeschluss wurde am 8. 8. 1978 in das Register eingetragen. Nachdem weder durch die Liquidatorin noch von sonstiger Seite über die Durchführung und den Stand der Abwicklung konkrete Umstände aktenkundig geworden wären, stellte die Finanzprokuratur auf Ersuchen des Finanzamts für Körperschaften in Wien im August 1981 einen Antrag auf Löschung der Gesellschaft gemäß § 2 Abs 1 AmtsLG (Gesetz vom 9. 10. 1934, RGBl I 914). Das Registergericht verfügte mit seinem Beschluss vom 22. 3. 1982 die beantragte Löschung der Gesellschaft; die entsprechende Registereintragung erfolgte am 28. 4. 1982.
Ende April 1983 beantragte die seinerzeit zur Liquidatorin bestellte Minderheitsgesellschafterin die „Anordnung einer fortgesetzten Liquidation und Wiedereintragung der Gesellschaft im Handelsregister unter der Firma 'D*****Gesellschaft mbH in Liquidation'“. In diesem Antrag bezeichnete sich die Einschreiterin als ehemalige Liquidatorin und strebte offenkundig ihre Wiederbestellung in dieser Funktion an. Im März 1984 änderte sie ihren Antrag in dieser Hinsicht, dass nicht sie selbst, sondern ein von ihr benannter Betriebsberater zum Liquidator bestellt werden möge. Zur Begründung des Antrags auf Nachtragsliquidation führte die Einschreiterin aus, die gelöschte Gesellschaft besitze nach wie vor Ansprüche auf Einzahlung der restlichen, nur zu einem Viertel eingezahlten und im weiteren Umfang nicht eingeforderten Stammeinlagen im Gesamtbetrag von 75.000 S, ferner einen strittigen Anspruch in der Höhe von 54.825 S, dessen Einbringlichkeit nunmehr dadurch begünstigt erscheine, dass die Einschreiterin in der Zwischenzeit zur Geschäftsführerin der Schuldnergesellschaft bestellt worden sei, und überdies besitze die Gesellschaft einen strittigen Anspruch auf Zahlung eines Betrags von 54.622 S gegen eine weitere Gesellschaft mbH, gegen die die Forderung zwar erst klageweise geltend gemacht werden müsste, deren Einbringlichkeit aber anzunehmen sei.
Das Registergericht fasste ohne weiteres Bescheinigungsverfahren am 25. 4. 1984 den Beschluss, dass gemäß § 2 Abs 3 AmtsLG die Liquidation stattfinde, und bestellte den namhaft gemachten Betriebsberater zum Liquidator. Die Anordnung von Eintragungen in das Handelsregister erfolgte nicht, auch eine formelle Beschlussfassung über den ausdrücklich gestellten Antrag auf Wiedereintragung der Gesellschaft unterblieb.
Die Finanzprokuratur erhob gegen die Entscheidung des Registergerichts Rekurs. Das Rekursgericht gab diesem Rechtsmittel statt und änderte den erstinstanzlichen Beschluss im Sinne einer Abweisung des Antrags auf Anordnung der fortgesetzten Liquidation und Wiedereintragung der Firma ab.
Die durch den gerichtlich bestellten Liquidator vertretene Gesellschaft ficht die abändernde Rekursentscheidung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf Wiederherstellung des Beschlusses erster Instanz an.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist mangels Rekursbeschränkung zulässig, der die Interessen der Gesellschaft vertretende Liquidator ist zur Rechtsmittelerhebung befugt.
Aus Anlass des wirksam erhobenen Rechtsmittels ist zur Zulässigkeit des gegen den erstinstanzlichen Beschluss auf (Fortsetzung der) Liquidation und Neubestellung eines Liquidators erhobenen Rekurses der Finanzprokuratur zu erwägen:
Der Steuerbehörde ‑ und der auf ihr Ersuchen einschreitenden Finanzprokuratur ‑ steht nach § 2 Abs 1 AmtsLG ein Antragsrecht zu. Dieses verschafft eine Beteiligtenstellung gemäß § 9 AußStrG. Die Rechtsmittelbefugnis im Einzelfall hängt aber davon ab, dass eine Verletzung solcher Interessen geltend gemacht wird, deren Wahrung der antragsberechtigten Behörde gesetzlich zugewiesen ist. Der im § 2 AmtsLG genannten Steuerbehörde steht weder aufgrund dieser noch einer anderen Gesetzesstelle aus allgemeinen öffentlichen Rücksichten eine Einflussnahme auf die Liquidation einer Gesellschaft nach den §§ 89 ff GmbHG zu.
Das im § 2 Abs 1 AmtsLG angeordnete Unterbleiben einer Liquidation steht in einem untrennbaren Sachzusammenhang mit der Löschungsvoraussetzung der Vermögenslosigkeit und der Funktion einer Liquidation. Das Unterbleiben der Liquidation ist in diesem Sinne nicht als eine rechtspolitisch angestrebte Rechtsfolgenanordnung zu erkennen, deren Beobachtung der verfahrensrechtlichen Einflussnahme der antragsberechtigten Steuerbehörde unterworfen wäre. Die verfahrensrechtlich beachtlichen Interessen dieser Behörde beschränken sich auf die Löschung der Gesellschaft.
Da § 2 Abs 2 letzter Satz AmtsLG die entsprechende Geltung der Vorschriften des § 141 Abs 3 und 4 FGG anordnet, sind auch die aus dieser Regelung abgeleiteten Beschränkungen der Rechtsmittelzulässigkeit (vgl RZ 1977/109, S 214) zu beachten.
Die Bestellung von Organen zur Liquidation (oder wie im vorliegenden Fall zu Fortsetzung der vor der Löschung nach § 2 AmtsLG nach den §§ 89 ff GmbHG bereits eingeleiteten Liquidation), weil diese Abwicklung entgegen der der Löschung zugrunde gelegten Annahme der Vermögenslosigkeit nach den tatsächlich obwaltenden Verhältnissen als erforderlich erscheint, berührt das allgemeine Interesse nach Registerbereinigung, das die im § 2 Abs 1 AmtsLG genannten Steuerbehörde zu wahren hat, nicht.
Dem Inhalt nach bedeutet die nachträgliche Liquidation keinesfalls mehr als eine teilweise und vorübergehende Aufhebung der Wirkungen des Löschungsbeschlusses, sodass nach einem Größenschluss aus der oben zitierten Rechtsprechung, die die Anfechtung eines Einstellungsbeschlusses im Löschungsverfahren als unzulässig erachtet, auch die Unanfechtbarkeit einer Beschlussfassung nach § 2 Abs 3 AmtsLG gefolgert werden müsste, und zwar selbst dann, wenn mit einer solchen Anordnung im Einzelfall eine Wiedereintragung der Gesellschaft in das Handelsregister verbunden sein sollte.
Das Registergericht hat mit seinem auf § 2 Abs 3 AmtsLG gegründeten Beschluss keine Eintragung in das Handelsregister angeordnet. Nach überwiegender Kommentaransicht zu § 93 Abs 5 GmbHG ist die Wiedereintragung der Gesellschaft im Falle einer Nachtragsliquidation keinesfalls zwingend (Kornfeld/Scheu Komm zum GmbHG, 143; Graschopf, Handbuch GmbH, 357; Kostner, Handbuch‑GmbH³, 159, anderer Ansicht offenbar Kastner, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts4, der zu § 93 Abs 5 keine besonderen Ansichten vorträgt ‑ vgl S 333 ‑ wohl aber zu § 214 Abs 4 AktG ‑ siehe S 252; Gellis Komm², 477 und Reich‑Rohrwig, GmbH‑Recht, 722). Demgegenüber ist in der Bundesrepublik Deutschland die Ansicht allgemein, dass die nachträgliche Liquidation im Handelsregister einzutragen sei (vgl zB Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit Teil A11, 1536 in Rdz 6 zu § 144 Anh und Jansen, FGG², II, 548 in Rdz 10 zu § 144 Anh II). Solange mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung (EvBl 1961/251, S 326 ua) die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister für die Rechtspersönlichkeit bloß als deklaratorisch angesehen wird, besteht keine Notwendigkeit zwecks nachträglicher Liquidation die Wiedereintragung der Gesellschaft in das Handelsregister als unumgänglich anzunehmen. Das Registergericht ging in seiner konkreten Anordnung über die nachträgliche Liquidation ausdrücklich davon aus, dass die Parteifähigkeit der Gesellschaft solange fortbestehe, als die Gesellschaft noch Vermögen habe; es ist daher zugrundezulegen, dass das Erstgericht von einer Registereintragung bewusst Abstand genommen hat.
Der auf Ersuchen der Steuerbehörde einschreitenden Finanzprokuratur fehlte es zur Anfechtung der erstinstanzlichen Entscheidung an der Rechtsmittelbefugnis, weil sie keine Verletzung von öffentlichen Interessen rügen konnte, zu deren Wahrung ihr die verfahrensrechtliche Beteiligtenstellung gesetzlich zugewiesen ist.
Der Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz war unzulässig, er hätte zurückgewiesen werden müssen, das Rekursgericht hätte keine Sachentscheidung fällen dürfen. Es hat daher mit der angefochtenen Entscheidung gegen die formelle Rechtskraft des erstinstanzlichen Beschlusses verstoßen. Die Entscheidung zweiter Instanz ist aus diesem Grund nichtig. Dies war aus Anlass des Revisionsrekurses von Amts wegen wahrzunehmen.
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