OGH 7Ob694/84

OGH7Ob694/8413.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede S*****, vertreten durch Dr. Günther Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Arnold G*****, und 2.) Leo L*****, beide vertreten durch Dr. Theo Petter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 39.180,32 S sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. September 1984, GZ 41 R 159/84‑19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 28. Dezember 1983, GZ 4 C 1212/82‑11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00694.840.1213.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 2.946,15 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 240 S Barauslagen und 246,01 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Albertine und Johann E***** waren seit 22. 10. 1971 Mieter der Wohnung Nr *****. Dieses Haus steht nunmehr im Eigentum der beiden Beklagten. Nach dem Tod der beiden Mieter ging das Mietrecht an der Wohnung im Erbwege auf die Klägerin über. Dieses Bestandverhältnis wurde zum 31. 3. 1982 rechtskräftig aufgekündigt. Bereits vor Rechtskraft der Aufkündigung zeigte die Klägerin den Beklagten ihren Ersatzanspruch nach § 10 MRG an. Da es zu keiner Einigung über die Höhe dieses Anspruchs kam, überwiesen die Beklagten am 12. 11. 1982 8.000 S an die Klägerin zur Abgeltung aller Investitionen.

Die Vormieter haben von 1972 an folgende Investitionen in der Wohnung getätigt:

Im Jänner und Februar 1972 ließen sie sanitäre Geräte montieren und sanitäre Installationsarbeiten durchführen sowie die damit zusammenhängenden Putzarbeiten vornehmen.

Im Jahre 1976 schafften die früheren Mieter einen Gasherd an und ließen ihn in der Wohnung montieren.

Im Jahre 1977 kauften die Vormieter einen Gaskamin, ließen den alten vorhandenen Kachelofen abtragen und diesen Gaskamin anschließen.

Im Mai 1977 ließen die Vormieter Elektroinstallationsarbeiten durchführen, und zwar für diverse Schukokontaktsteckdosen in Küche und Bad.

Im Mai 1978 kauften die Vormieter einen 100 l Elektrospeicher samt Speicheranschlussgarnitur und ließen diesen montieren.

Sämtliche Arbeiten, für die insgesamt 68.359 S aufzuwenden waren, wurden von konzessionierten Fachleuten durchgeführt und es wurde hierüber Rechnung gelegt. Die Aufstellung einer Badewanne im Küchenbereich bedurfte bei Durchführung dieser Installationsarbeiten keiner baubehördlichen Bewilligung.

Bei Rückstellung der Wohnung wurden folgende Geräte montiert zurückgelassen: der Elektrospeicher samt Anschlussgarnitur, ein Gaskamin mit eingebautem Thermostat, Abgasgarnitur, ein R‑Becken mit Doppelschwenkventil, ein Waschbecken komplett mit Batteriesiphon und Konsolen, eine Stahlblechsitzbadewanne weiß emailliert, eine Wannenfüll‑ und Brausebatterie mit Schlauchbrause, eine Badewannenab‑ und ‑überlaufgarnitur, ein Gasherd mit Abdeckplatte, weiß emailliertem Seitenteil, Geschirrlade und Backrohr mit Thermostat und Backrohrfenster. Unter Berücksichtigung der heutigen Tagespreise und der Wertminderung aufgrund der durchschnittlichen Lebensdauer der verschiedenen Investitionen ergibt sich, bezogen auf den Tag der Rückstellung des Mietobjekts, ein verbliebener Nutzwert von 49.846 S.

Das Mietobjekt wurde inzwischen neuerlich vermietet. Der Nachmieter hat ein eigenes Badezimmer errichten lassen, wofür er zusätzliche Isolierungen durchführen musste. Da er eine Gasetagenheizung installieren ließ, reichten die von den Vorgängern vorgenommenen Gasleitungsarbeiten nicht aus.

Das Erstgericht hat das auf Zahlung der restlichen Investitionskosten von 39.180,32 S sA gerichtete Begehren mit der Begründung abgewiesen, die getätigten Investitionen seien deshalb nicht wesentlich, weil sie für den Nachmieter von keinem Nutzen waren.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und ließ die Revision zu. Es vertrat den Standpunkt, maßgebend für einen Ersatzanspruch nach § 10 MRG sei nicht der subjektive Nutzen für den konkreten Nachmieter, sondern der objektive Nutzen für einen Nachmieter schlechthin. Ein derartiger objektiver Nutzen könne den getätigten Investitionen nicht abgesprochen werden. Im Hinblick auf den festgestellten verbliebenen Nutzwert zum Zeitpunkt der Übergabe des Mietobjekts sei unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Teilzahlung von 8.000 S der Klagsbetrag noch offen.

Rechtliche Beurteilung

Die wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten ist nicht gerechtfertigt.

Auf die Mängelrüge musste schon deshalb nicht eingegangen werden, weil eine gemäß § 500 Abs 3 ZPO zugelassene Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nur auf die dort genannten Gründe, nicht aber auf einfache Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gestützt werden kann.

Dass die Investitionen solche waren, die grundsätzlich unter § 10 Abs 3 MRG zu subsumieren sind, und bezüglich derer die Vermieter gemäß § 9 Abs 1 MRG ihre Zustimmung nicht verweigern hätten können, ist nicht mehr strittig. Die von der Revision aufgezeigte, zu lösende Rechtsfrage besteht einzig und allein darin, ob eine Ersatzpflicht nach § 10 MRG davon abhängt, ob die getätigten Investitionen von konkretem Nutzen für einen bestimmten Nachmieter sind oder ob hiezu ein objektiver Nutzen für einen Nachmieter schlechthin genügt. Diese Rechtsfrage hat das Berufungsgericht richtig im Sinne der zweiten aufgezeigten Möglichkeit gelöst.

Nach § 10 Abs 1 MRG besteht der Ersatzanspruch für Investitionen, die über ihre Mietdauer hinaus wirksam und von Nutzen sind. In dieser Formulierung liegt ein wesentlicher Unterschied gegenüber den §§ 1097 und 1037 ABGB, da es nicht, wie dort, auf den klaren überwiegenden Vorteil für den Vermieter ankommt, sondern auf den objektiven Nutzen ( Würth‑Zingher MRG, 37 Anm 5 zu § 10). Der Grundgedanke des § 10 ist, dass die Investitionen die Wohnqualität verbessert haben und die Verbesserung weiterhin wirksam bleibt, so dass sie auch für den Nachmieter von Nutzen ist. Da die Frage, ob dies im Einzelfall zutrifft, ein breites Feld für Meinungsverschiedenheiten eröffnet, zumal damit auch Fragen des persönlichen Geschmacks involviert sind, bestimmt das Mietrechtsgesetz jene Investitionen, für welche die gesetzliche Vermutung streitet, dass sie, falls sie innerhalb der letzten 20 Jahre vorgenommen wurden, als werterhöhende Maßnahmen auch noch dem Nachmieter zugute kommen. Wie sich aus § 10 Abs 3 Z 4 MRG ergibt, enthält diese Bestimmung keine erschöpfende Aufzählung der den Ersatzanspruch begründenden Investitionen ( Schuppich , Die Neuordnung des Mietrechts, 110 f, Palten , Das neue Mietrechtsgesetz, 198 Anm 73).

Berücksichtigt man diesen Zweck des Gesetzes, so kann diesem keineswegs dadurch entsprochen werden, dass man die Beurteilung ausschließlich auf den subjektiven Nutzen für einen bestimmen Nachmieter abstellt. Bekanntlich ist die Einrichtung und die Ausgestaltung einer Wohnung eine Geschmacksfrage, wobei eine bestimmte Einrichtung nur in den seltensten Fällen dem Geschmack des Nachmieters entsprechen wird. Häufig wird der Nachmieter schon vor Einzug in die Wohnung diese in einen Zustand versetzen, der seinen Bedürfnissen und seinem Geschmack am ehesten entspricht. Dies wird vielfach zum Ersatz bereits vorhandener Geräte durch neue führen. Um weiteren Arbeiten in der Wohnung in absehbarer Zeit vorzubeugen, wird in einem solchen Fall der Nachmieter häufig den Ersatz alter Geräte durch neue dazu benützen. auch die Installationen, an die diese Geräte anzuschließen sind, erneuern zu lassen. Stellt man also einzig und allein auf den subjektiven Nutzen für den Nachmieter ab, so wird es zu einer Ersatzpflicht im Sinne des § 10 MRG nur in den seltensten Fällen kommen. In der Absicht des Gesetzgebers lag es aber, dem scheidenden Mieter in der Regel Ersatz für jene Investitionen zu gewähren, die er in den letzten 20 Jahren vorgenommen hat. Gerade der relativ lange Zeitraum lässt erkennen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch schon weitgehend abgenützte Installationen zu ersetzen sind, soweit diese nur noch irgendeinen Nutzen haben. Der Absicht des Gesetzgebers kann daher nur durch eine Auslegung entsprochen werden, die in der Mehrzahl der Fälle zur Erreichung dieses Ziels führt. Dies ist aber nur möglich, wenn man die Bestimmung dahin auslegt, dass es nicht auf den subjektiven Nutzen für einen konkreten Mieter ankommt, sondern nur darauf, ob und inwieweit die Installationen von objektivem Nutzen für einen Nachmieter schlechthin sind.

Nach den getroffenen Feststellungen haben die von den Vormietern getätigten Investitionen nach wie vor einen objektiven Nutzen, der unter Berücksichtigung der Abnützung und durchschnittlichen Lebensdauer zum Zeitpunkt der Aufgabe des Bestandobjekts durch die Klägerin 49.846 S betrug. An die diesbezügliche Feststellung ist der Oberste Gerichtshof gebunden. Demnach sind also die Beklagten verpflichtet, der Klägerin diesen Betrag zu ersetzen. Da sie bereits 8.000 S geleistet haben, ist der Klagsbetrag nach wie vor offen.

Die Anwendbarkeit des § 10 MRG auf den vorliegenden Fall ergibt sich aus § 43 Abs 1 MRG, demzufolge die Bestimmungen des ersten Hauptstücks des MRG auch für Mietverträge, die vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes geschlossen worden sind, angewendet werden müssen. Unter diese anzuwendenden Bestimmungen fällt auch § 10 MRG (7 Ob 540/84).

Für die in der Revision vertretene Rechtsansicht, der Ersatzanspruch nach § 10 MRG sei davon abhängig, dass der Vermieter den begehrten Betrag tatsächlich vom Nachmieter erhält, bietet weder der Wortlaut noch der Sinn des Gesetzes einen Anhaltspunkt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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