OGH 7Ob648/84

OGH7Ob648/8413.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** A*****, vertreten durch Dr. Alex Pratter und Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1) J***** M*****, 2) Dipl.‑Ing. Dr. K***** B*****, beide vertreten durch DDr. Hans Esterbauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 180.000 S sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 16. Mai 1984, GZ 32 R 105/84‑31, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 12. Dezember 1983, GZ 10 C 2352/81‑26, bestätigt wurde in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00648.840.1213.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 8.415,89 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.920 S Barauslagen und 590,54 S USt) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten sind Eigentümer des Hauses ***** in *****, in dem die Klägerin eine Wohnung und Geschäftsräumlichkeiten gemietet hatte. Das Bestandverhältnis wurde einvernehmlich aufgelöst. Die Klägerin verpflichtete sich Zug um Zug gegen Bezahlung von 180.000 S, die Bestandobjekte bis längstens 10. 9. 1981 geräumt zu übergeben. Die Klägerin war am 10. 9. 1981 und in der Folgezeit mehrfach zur geräumten Übergabe der Bestandobjekte Zug um Zug gegen Bezahlung des vereinbarten Betrags bereit. Mit der vorliegenden Klage begehrt sie diesen Betrag samt Anhang.

Die Beklagten behaupten, dass nur der Erstbeklagte eine Zahlungsverpflichtung und diese nur mit der Abrede übernommen habe, dass er die Geschäftsräumlichkeiten sofort mitbenützen könne. Diese Vereinbarung habe die Klägerin nicht zugehalten. Gegen die Klagsforderung wenden die Beklagten aufrechnungsweise eine Gegenforderung von 17.600 S an rückständigen Mietzinsen für die Zeit vom 1. 3. 1981 bis 30. 6. 1982 und von 70.000 S an Kosten für die von der Baubehörde angedrohte Ersatzvornahme der Entfernung von baubehördlich nicht bewilligten Einbauten im Dachgeschoss ein.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung mit 180.000 S zu Recht bestehe, die Gegenforderungen dagegen nicht zu Recht bestehen und gab demgemäß dem Klagebegehren samt Anhang statt. Nach seinen Feststellungen wurde nach einem vorangegangenen, erfolglosen Vergleichsversuch im Zuge eines Kündigungsverfahrens am 22. 7. 1981 zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten eine Einigung dahin erzielt, dass sich die Klägerin zur Räumung der Bestandobjekte bis längstens 10. 9. 1981 Zug um Zug gegen Bezahlung von 180.000 S verpflichtete. Der Erstbeklagte vertrat hiebei auch den Zweitbeklagten und erklärte auf Befragen des bei den Unterhandlungen anwesenden Klagevertreters ausdrücklich, ermächtigt zu sein, auch im Namen des Zweitbeklagten zu handeln. Mit Schreiben vom 7. 8. 1981 schlug Dr. G***** S*****, der Konzipient des Beklagtenvertreters, eine Abänderung der getroffenen Vereinbarung dahin vor, dass die Beklagten berechtigt sein sollten, ab sofort nach Belieben Sachen in den Geschäftsräumlichkeiten zu lagern. Dies wurde vom Klagevertreter abgelehnt. Die Klägerin zog Anfang September 1981 aus der Wohnung aus, wobei sie jedoch einige Möbelstücke in der Wohnung und einige Sachen im Geschäftslokal zurückließ. Die Wohnung hält sie versperrt. Seit Jänner 1982 bezahlt sie keinen Zins und auch kein Benützungsentgelt. Seit Pfingsten 1982 benützt der Erstbeklagte teilweise das Geschäftslokal.

Nach der Rechtsauffassung des Erstgerichts steht der Klägerin in analoger Anwendung des § 1052 ABGB ein Zurückbehaltungsrecht zu, bis die Beklagten die ihnen obliegende Gegenleistung erbringen oder Sicherstellung leisten. Es liege daher auch keine rechtsgrundlose Benützung der Bestandräume durch die Klägerin vor, sodass sie auch nicht zur Bezahlung eines Benützungsentgelts verpflichtet sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und führte aus, dass infolge des Verzugs der Beklagten die Weiterbenützung der Bestandsache durch die Klägerin gerechtfertigt sei, und es auch an einem. Der Klägerin zukommenden Nutzen fehle. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig, weil zur Frage der Bezahlung eines Benützungsentgelts des Bestandnehmers bei berechtigter Weiterbenützung der Bestandsache infolge Verzugs des Bestandgebers eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Bei der Revision der Beklagten handelt es sich ungeachtet ihrer Bezeichnung mit Rücksicht auf den Ausspruch des Berufungsgerichts nicht um eine außerordentliche Revision im Sinne des § 505 Abs 3 ZPO. Der Zulässigkeitsbekämpfung der Klägerin ist engegenzuhalten, dass die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts über die Verpflichtung des Bestandnehmers zur Bezahlung eines Benützungsentgelts bei Verzögerung der Rückstellung der Bestandsache der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zwar entspricht, die Ausführungen zur Frage der Berechtigung der Weiterbenützung jedoch zu Missverständnissen Anlass geben könnten und daher insoweit einer Klarstellung bedürfen.

Nach § 1109 ABGB muss der Bestandnehmer nach Beendigung des Bestandvertrags die Bestandsache dem Bestandgeber zurückstellen. Der Bestandnehmer, der entgegen dieser Verpflichtung die Rückstellung der Bestandsache verzögert, muss nach Lehre und ständiger Rechtsprechung für die Zeit der vertragswidrigen Weiterbenützung ein Benützungsentgelt in Höhe des Bestandzinses bezahlen. Zur Begründung der Zahlungspflicht genügt objektiver Verzug des Bestandnehmers (MietSlg 32.189, 31.204 mwN). Verzug fällt dem Schuldner zur Last, wenn er bei Fälligkeit die Leistung nicht oder nicht in gehöriger Art anbietet ( Koziol‑Welser 6 , 189). Im vorliegenden Fall war die Klägerin aufgrund der Vereinbarung über die Auflösung des Bestandverhältnisses verpflichtet, die geräumten Bestandobjekte nur Zug um Zug gegen Erbringung der bedungenen Gegenleistung zu übergeben. Es ist unbestritten, dass die Klägerin am 10. 9. 1981, und somit innerhalb der Leistungsfrist, die von ihr geschuldete Leistung anbot. Ihr fällt daher keine Verzögerung zur Last. Der vereinbarte Leistungsaustausch scheiterte an der Nichterbringung der von den Beklagten geschuldeten Gegenleistung. Da die beiden Leistungen im Austauschverhältnis standen, gerieten die Beklagten dadurch sowohl in Gläubiger‑ als auch in Schuldnerverzug ( Koziol‑Welser aaO 196). Fraglich ist aber, ob ein solcher Verzug der Bestandgeber den Bestandnehmer trotz Auflösung des Bestandverhältnisses zur bestimmungsgemäßen Weiterbenützung des Bestandobjekts berechtigt, die Weiterbenützung daher keine rechtsgrundlose ist, und der Bestandnehmer demgemäß zur Bezahlung eines Benützungsentgelts nicht verpflichtet ist. Diese Frage ist allerdings hier nicht weiter zu erörtern. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen zog die Klägerin nämlich am 10. 9. 1981 aus und ließ lediglich einige Sachen in den Bestandräumen zurück. Die Belastung von Sachen in den Bestandobjekten kann aber hier keine Verpflichtung zur Zahlung eines Benützungsentgelts begründen. Bei dem Zug um Zug vereinbarten Leistungsaustausch ist die Klägerin berechtigt, ihre Leistung bis zur Erbringung der Gegenleistung zurückzuhalten. Die von der Klägerin geschuldete Leistung ist die geräumte Übergabe des Bestandobjekts. Die Belassung einiger Sachen in den Bestandräumen liegt dann aber im Rahmen des ihr zukommenden Rechts der Leistungszurückhaltung und beruht somit auf einer zureichenden Rechtsgrundlage (vgl Stanzl in Klang² IV/1 911 ff).

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

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