OGH 7Ob586/84

OGH7Ob586/8413.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Siegfriede S*****, vertreten durch Dr. Manfred Hasinglehner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Gottfried W*****, vertreten durch Dr. Roland Zika, Rechtsanwalt in Feldkirchen, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts (Streitwert 36.990 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 22. März 1984, GZ 6 R 41/84‑16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 19. Dezember 1983, GZ 24 Cg 234/83‑11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00586.840.1213.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.309,45 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 800 S Barauslagen und 409,95 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Entscheidungsgründe:

In einem Kaufvertrag vom 24. 8. 1971 über verschiedene Grundstücke vereinbarten die nunmehrigen Streitteile unter anderem, dass der Beklagte auch das (ihm von der Gemeinde als Ersatz für ein abgetretenes Grundstück zur Verfügung gestellte, aber noch nicht grundbücherlich übertragene) nun strittige Grundstück an die Klägerin „verkauft“ und sich „deshalb verpflichtet“, sobald ihm das Eigentumsrecht an diesem Grundstück von der Gemeinde eingeräumt werden wird, mit der Klägerin einen Kaufvertrag zu errichten, in welchem er an sie das Grundstück zu dem in diesem Vertrag (auch für die übrigen Grundstücke) vereinbarten Kaufpreis mit der Bewilligung zur Einverleibung des Eigentumsrechts veräußert.

Mit der vorliegenden Klage stellt die Klägerin das Hauptbegehren auf Errichtung eines verbücherungsfähigen Kaufvertrags und das Eventualbegehren auf Einverleibung ihres Eigentumsrechts am strittigen Grundstück mit der weiteren Behauptung, sie habe von der am 14. 1. 1982 erfolgten Verbücherung des Eigentumsrechts des Beklagten erst am 24. 11. 1982 erfahren. Der Beklagte bestritt vor allem die Rechtzeitigkeit der am 27. 5. 1983 überreichten Klage mit dem Hinweis auf die Jahresfrist des § 936 ABGB.

Der Erstrichter gab dem Hauptbegehren statt. Er stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus fest, dass die Einverleibung des Eigentumsrechts des Beklagten am strittigen Grundstück dem Notar Dr. Aichinger schriftlich Ende Jänner 1982 vom Gemeindeamt H***** mitgeteilt worden sei und dass die Klägerin davon erstmalig Ende Juni 1982 durch den Schwager des Beklagten erfuhr. Entgegen dem Inhalt des schriftlichen Kaufvertrags wurde nicht nur für das strittige Grundstück, sondern auch für die schon ursprünglich verkauften Grundstücke ein Kaufpreis von 45 S pro Quadratmeter vereinbart, der nach den Verhältnissen des Jahres 1971 angemessen war.

In der Natur gesehen stellen die ursprünglich verkauften Grundstücke und das strittige Grundstück eine Einheit dar. Aus diesem Grund war anlässlich des Abschlusses des Kaufvertrags und auch vorher schon immer die Rede davon, dass alles gemeinsam gekauft bzw verkauft werden müsse. Nach der Rechtsansicht des Erstrichters liege ein Vorvertrag vor, aus dem nach § 936 ABGB innerhalb eines Jahres ab dem bedungenen bzw in Aussicht genommenen Abschlusszeitpunkt geklagt werden müsse. Die Jahresfrist sei aber im vorliegenden Fall erst ab der tatsächlichen Verständigung der Klägerin zu bemessen, weil der Beklagte seine Verpflichtung verletzt habe, am Zustandekommen des Hauptvertrags nach seinen Kräften mitzuwirken. Es sei sittenwidrig, wenn sich der Beklagte trotz der Verletzung dieser Vertragspflicht jetzt auf den Fristablauf berufe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten statt und änderte das Urteil im Sinne der Abweisung sowohl des Haupt‑ wie auch des Eventualklagebegehrens ab. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstrichters und qualifizierte die strittige Vereinbarung wie dieser als Vorvertrag. Die Jahresfrist des § 936 ABGB sei aber nach herrschender Auffassung eine Präklusionsfrist, die ab dem bedungenen Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags laufe und nur durch die Klage gewahrt werde. Selbst wenn eine Mitwirkungspflicht des Beklagten bejaht würde, habe die Klägerin die Möglichkeit gehabt, den fälligen Anspruch auf Abschluss des Kaufvertrags noch innerhalb der Jahresfrist geltend zu machen, weil nicht nur der Notar Dr. Aichinger, der von ihr mit der Erledigung der Angelegenheit beauftragt gewesen sei, schon Ende Jänner 1982 von der erfolgten Eigentumseinverleibung an den Beklagten verständig wurde, sondern überdies die Klägerin ab Juni 1982 bis zum Ablauf der Klagefrist im Jänner 1983 Zeit gehabt hätte, sich über den Zeitpunkt der Eigentumseinverleibung und damit der Fälligkeit des Kaufvertragsabschlusses zu vergewissern und die Klage rechtzeitig einzubringen. Die Einrede des Erlöschens des Klagsanspruchs infolge Fristablaufs könne deshalb nicht als sittenwidrig angesehen werden, vielmehr falle der Klägerin ihre eigene Saumseligkeit zur Last. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige, und erklärte die Revision für zulässig.

Die Revision der Klägerin ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen kann schon im Ansatzpunkt nicht gefolgt werden, dass nämlich ein Vorvertrag vorliege, dessen Erfüllung nur innerhalb der Jahresfrist des § 936 ABGB begehrt werden konnte. Die strittige Vereinbarung war Teil eines Kaufvertrags, mit dem einerseits andere Grundstücke sofort ins Eigentum übertragen und andererseits eine Regelung über das nach der grundbücherlichen Zuschreibung an den Beklagten auf die Klägerin zu übertragende strittige Grundstück getroffen wurde. Ein Vorvertrag liegt nun in der Regel dann nicht vor, wenn eine bereits abgeschlossene schriftliche Vereinbarung alle wesentlichen Vertragsmerkmale enthält und nichts in der Vereinbarung darauf hinweist, dass die Parteien erst künftig den Vertrag abschließen wollen (SZ 53/19 uva). Wenn sich die Parteien auch nur mündlich über den Kaufgegenstand und den Kaufpreis geeinigt und bloß die schriftliche Ausfertigung in einverleibungsfähiger Form einem späteren Zeitpunkt vorbehalten haben, liegt im Zweifel bereits ein perfekter Kaufvertrag und nicht erst ein Vorvertrag vor, weil ohne besonderen Grund nicht anzunehmen ist, dass die Parteien bei gleichem Inhalt der Verträge (hier Kaufgegenstand und Preis) den umständlicheren Weg des neuerlichen Vertragsabschlusses statt der direkten Leistungsklage gehen wollen. Bei Konsensualverträgen ist deshalb anders als bei Realverträgen selbst bei verunglückten Formulierungen anzunehmen, dass die Parteien unmittelbar zur Leistung verpflichtet werden wollen. Vor allem das schriftliche Festhalten des Liegenschaftskaufs wegen Fehlens der verbücherungsfähigen Form wird oft unrichtigerweise als Vorvertrag bezeichnet, obwohl eine unmittelbare Verpflichtung gewollt ist. Die ausdrückliche Verpflichtung zur Errichtung verbücherungsfähiger Urkunden macht einen Kaufvertrag nicht zum Vorvertrag ( Reischauer in Rummel , ABGB, Rdz 1 zu § 936 mwN, NZ 1981, 80, SZ 53/19 uva).

Im vorliegenden Fall wurde eine besondere Absicht der Parteien weder behauptet noch unter Beweis gestellt. Es ist daher vom Text des schriftlich vorliegenden Vertrags auszugehen. Dieser enthält nicht einmal die Bezeichnung der betreffenden Vereinbarung als Vorvertrag. Für einen solchen könnte nur die Formulierung sprechen, dass sich der Beklagte verpflichtet, nach Einräumung des Eigentumsrechts am Grundstück mit der Klägerin einen Kaufvertrag zu errichten, in dem er dieses Grundstück veräußert. Aber abgesehen davon, dass schon nach dieser Formulierung eher die Errichtung der verbücherungsfähigen Urkunde gemeint sein konnte, ist der vorherige Text eindeutig, wonach laut Vereinbarung der Partei(en) der Beklagte an die Klägerin auch das neu vermessene Grundstück „verkauft“. Das entsprach auch der festgestellten Absicht beider Streitteile, die Grundstücke als Einheit zu kaufen bzw zu verkaufen. Die Einigung der Parteien über Ware und Preis ist also bereits im Kaufvertrag des Jahres 1971 erfolgt. Die Eigentumsübertragung war nur noch davon abhängig, dass der Beklagte die Liegenschaft zunächst selbst bücherlich erwerbe. Entgegen der Meinung des Revisionsgegners war die Wirksamkeit dieser Vereinbarung keineswegs davon abhängig, dass er damals schon bücherlicher oder außerbücherlicher Eigentümer war. Da der Kaufvertrag ein Konsensualvertrag ist, kommt es vielmehr auf das Eigentum an der verkauften Sache überhaupt nicht an ( Aicher in Rummel aaO Rdz 15 zu § 1053 mwN).

Handelte es sich aber nach dem Gesagten beim seinerzeitigen Vertrag bereits um einen Kaufvertrag auch über das strittige Grundstück, so sind damit alle Überlegungen über das Verhältnis des damaligen Kaufpreises zum heutigen Verkehrswert in Richtung einer Verkürzung über die Hälfte sowie zur Frage der zwischenweiligen Geldentwertung gegenstandslos, weil außerhalb des Vorvertrags die Umstandsklausel nicht gilt. Eine allfällige Aufwertung des Grundstücks durch zwischenweilige Verlegung einer Wasserleitung könnte höchstens einen Verwendungsanspruch rechtfertigen, der aber dem Klagebegehren nicht im Wege steht. Auch von einer Nichtigkeit des seinerzeitigen Vertrags wegen der aus Steuerzwecken erfolgten Angabe eines geringeren als des tatsächlichen Kaufpreises kann keine Rede sein, weil in einem solchen Fall des Scheinvertrags das verdeckte Geschäft gilt, das zulässig war. Der wahre Kaufpreis ist ohnehin Inhalt des Vertragstextes laut dem Urteilsspruch.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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