OGH 3Ob131/84

OGH3Ob131/8412.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dr. Gerhard E*****, wider die verpflichteten Parteien 1. Dr. August U*****, 2. Dipl.-Ing. Ernst U***** und 3. Dr. Ilse U*****, alle vertreten durch Dr. Hans Pfersmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Exekution zur Erwirkung der Übernahme eines Bestandgegenstands, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. September 1984, GZ 46 R 376, 377/84-13, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 26. Jänner 1984, GZ 48 K 132/83-3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit dem am 23. 9. 1983 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz kündigte die betreibende Partei den verpflichteten Parteien das im Haus W*****, gegen vierteljährliche Aufkündigung gemietete Geschäftslokal Nr 4 samt Zubehör für den 31. 12. 1983 gerichtlich auf und beantragte, der Gegenseite aufzutragen, den Bestandgegenstand binnen 14 Tagen nach dem genannten Termin geräumt zu übernehmen oder gegen die Aufkündigung Einwendungen anzubringen.

Mit Beschluss vom gleichen Tag, 48 K 132/83-1, trug das Erstgericht dem Kündigungsgegner bei sonstiger Exekution auf, den in der Kündigung bezeichneten Bestandgegenstand binnen 14 Tagen nach dem dort genannten Kündigungstermin geräumt von seinen Fahrnissen zu „übergeben“ oder gegen die Aufkündigung Einwendungen anzubringen.

Einwendungen wurden nicht angebracht.

Mit dem am 18. 1. 1984 beim Erstgericht überreichten Schriftsatz stellte die betreibende Partei den Antrag, ihr mangels freiwilliger Übernahme aufgrund der rechtskräftigen und vollstreckbaren Aufkündigung vom 23. 9. 1983, 48 K 132/83, die Exekution zur Erwirkung der Übernahme des aufgekündigten Geschäftslokals zu bewilligen und den verpflichteten Parteien für den Fall der weiteren Saumsal eine Geldstrafe in der Höhe von je 10.000 S anzudrohen, und zwar unter Setzung einer Frist für die Vornahme der Handlung in der Dauer von 2 Wochen.

Das Erstgericht bewilligte die Exekution antragsgemäß.

Das Rekursgericht wies den Exekutionsbewilligungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 300.000 S übersteige. Mit dem der Exekution zugrundeliegenden Beschluss vom 23. 9. 1983 habe das Erstgericht den verpflichteten Parteien - entgegen dem Wortlaut der Aufkündigung - aufgetragen, den Bestandgegenstand geräumt zu übergeben. Die Exekution dürfe nur bewilligt werden, wenn aus dem Exekutionstitel auch Gegenstand und Art der geschuldeten Leistung zu entnehmen seien. Es sei Voraussetzung jeder Exekutionsbewilligung, dass über diese Umstände im Titel Klarheit bestehe und der Exekutionsantrag damit genau übereinstimme. Da die verpflichteten Parteien nach dem Inhalt des Exekutionstitels das Bestandobjekt zu übergeben hätten, könne aufgrund dieses Titels nicht Exekution zur Erwirkung der Übernahme, sohin zur Erzwingung einer Leistung, die im Titel keine Deckung finde, beantragt werden. Die Exekution sei daher zu Unrecht bewilligt worden. Ein Eingehen auf die weitere Frage, ob es sich bei der Exekution zur Erwirkung der Übernahme eines Geschäftslokals um eine vertretbare oder unvertretbare Handlung handle und ob daher eine Exekution nach § 354 EO, wie von der betreibenden Partei beantragt, geführt werden könne, erübrige sich damit. Der Ausspruch über den Wert des Streitgegenstands gründe sich auf § 78 EO und auf die §§ 526 Abs 3 und 500 Abs 2 Z 2 ZPO.

Die betreibende Partei bekämpft den Beschluss des Rekursgerichts mit Revisionsrekurs und beantragt, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen. Sie macht geltend, es liege beim Exekutionstitel, soweit darin nur von der Übergabe, nicht aber von der Übernahme des Bestandsobjekts gesprochen werde, ein offensichtlicher Schreibfehler vor. Das Unterbleiben der amtswegigen Berichtigung des Beschlusses sei belanglos, weil das Titelgericht selbst die Exekution bewilligt habe. Die betreibende Partei habe die richtige Exekutionsart gewählt. Eine Exekutionsführung nach § 353 EO komme entgegen der von den verpflichteten Parteien in ihrem Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichts vertretenen Ansicht nicht in Betracht; die Bestellung eines Kurators (Sachwalters) für die Besorgung der Übernahme allein deswegen, weil die verpflichteten Parteien die Übernahme verweigern, wäre unter keinen Umständen gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Zuzustimmen ist allerdings der Meinung der betreibenden Partei, dass der Exekutionsantrag nicht deshalb als verfehlt angesehen werden kann, weil im Exekutionstitel nur von der Übergabe, nicht aber von der Übernahme des Bestandobjekts gesprochen wird. Es kann mit Rücksicht auf den Wortlaut der vom Bestandnehmer eingebrachten gerichtlichen Aufkündigung kein Zweifel darüber bestehen, dass der Beschluss des Erstgerichts vom 23. 9. 1983, soweit damit dem Kündigungsgegner aufgetragen wird, den Bestandgegenstand zu übergeben, an einem offenbaren Schreibfehler (einem offensichtlichen Übersehen eines Fehlers des Formularvordruckes) leidet, der gemäß den §§ 430, 419 ZPO jederzeit von Amts wegen oder auf Antrag vom erkennenden Gericht (oder einem Rechtsmittelgericht) wahrzunehmen und unverzüglich zu beseitigen (Fasching, Lehrbuch, Rdz 1567). Der offenbare Fehler hätte daher das Erstgericht, das im vorliegenden Fall über den Antrag der betreibenden Partei auf Bewilligung der Exekution nicht als Exekutionsgericht, sondern als Titelgericht zu entscheiden hatte, zu einer Berichtigung des Beschlusses vom 23. 9. 1983 veranlassen sollen. Ob der Umstand, dass das Erstgericht ausdrücklich die Exekution „zur Erwirkung der Übernahme des Geschäftslokals“ bewilligt hat, implicite als derartige Berichtigung angesehen werden könnte - darauf zielen die Rechtsmittelausführungen im Ergebnis ab -, oder ob das Erstgericht vor der Erledigung des Exekutionsantrags zu einer Berichtigung verpflichtet gewesen wäre, kann jedoch auf sich beruhen; denn der Exekutionsantrag war in jedem Fall deshalb abzuweisen, weil die betreibende Partei eine verfehlte Exekutionsart gewählt hat. Die Exekution nach § 354 EO setzt voraus, dass der betriebene Anspruch in einer Handlung besteht, die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und deren Vornahme zugleich ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt; denn nur ein solcher Anspruch wird gemäß § 354 Abs 1 EO dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete auf Antrag vom Exekutionsgericht durch Geldstrafen oder durch Haft zur Vornahme der Handlung angehalten wird. Sollte dagegen die von den Verpflichteten vorzunehmende Handlung der Art sein, dass ihre Vornahme auch durch einen Dritten erfolgen kann, wäre die betreibende Partei gemäß § 353 Abs 1 EO auf Antrag von dem die Exekution bewilligenden Gericht zu ermächtigen, die Handlung auf Kosten der Verpflichteten vornehmen zu lassen. Eine Handlung ist vertretbar iSd § 353 EO, wenn sie nicht nur der Verpflichtete, sondern auch ein Dritter vornehmen kann, ohne dass es für den betreibenden Gläubiger einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Unterschied macht, wer sie tatsächlich vornimmt; sie ist unvertretbar, wenn sie nur vom Verpflichteten persönlich vorgenommen werden kann und (zur Zeit des Exekutionsaktes) ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt. Im Zweifel, ob eine Handlung als vertretbar oder als unvertretbar anzusehen ist, wird die Handlung (zunächst) als vertretbar angesehen, weil die Exekution vertretbarer Handlungen den Verpflichteten weniger belastet und weil sie vor allem eher zur Durchsetzung des Exekutionstitels in der Richtung führt, dass der Inhalt des Titels wirklich durchgeführt werden kann (Heller-Berger-Stix, 2551 f und 2561 f, Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht2 273). Die Anordnungen der Exekutionsordnung über die Exekutionsarten nach den §§ 353 und 354 EO sind zwingendes Recht, Verstöße dagegen sind von Amts wegen zu berücksichtigen; keineswegs kann nach Wahl und Willkür des betreibenden Gläubigers Exekution entweder nach § 353 oder nach § 354 EO geführt werden (Heller-Berger-Stix, 2552 und 2554, RZ 1959, 35 ua).

Der Oberste Gerichtshof war mit der Frage, ob bei der Übernahme eines Bestandobjekts durch den Bestandgeber eine vertretbare oder eine unvertretbare Handlung vorzunehmen ist, bisher, soweit überschaubar, nicht befasst. Er vermag sich jedoch nicht der von der betreibenden Partei offensichtlich vertretenen Meinung anzuschließen, die Übernahme eines von der Fahrnissen des Bestandnehmers geräumten Bestandgegenstands könne nur von den Verpflichteten (als den Bestandgebern) persönlich vorgenommen werden. Zur Zurückstellung des Bestandgegenstands gehört nämlich (lediglich), dass dem Bestandgeber wieder die Innehabung und tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über den Bestandgegenstand eingeräumt wird, dass die dem Bestandnehmer gehörigen Fahrnisse vollständig aus dem Bestandgegenstand entfernt werden und dass die Schlüssel an den Bestandgeber übergeben werden (MietSlg 29.170, 24.153; Klang in Klang 2 V 88). Es entspricht dabei sogar einer allgemeinen Übung, dass die Zurückstellung eines Bestandgegenstands auch an einen Vertreter des Bestandgebers, wie insbesondere an den Hausverwalter, vorgenommen wird (vgl auch die Entscheidung MietSlg 24.153 hinsichtlich der Schlüsselübergabe).

Die Übernahme des Bestandgegenstands kann daher nicht als eine unvertretbare Handlung angesehen werden. Bei einem Vorgehen nach § 353 EO entspräche es allerdings nicht der Sachlage, die Wahl des Dritten (der die Handlung anstelle des Verpflichteten vornimmt) dem betreibenden Gläubiger zu überlassen (eine Ermächtigung des betreibenden Gläubigers, die Handlung selbst vorzunehmen, käme von vornherein nicht in Betracht); es wäre vielmehr Sache des Gerichts, einen mit solchen Vorgängen vertrauten und daher geeigneten Dritten auszuwählen (vgl Heller-Berger-Stix 2553 und Holzhammer aaO 273).

Der gemäß § 354 EO gestellte Exekutionsantrag war deshalb für den vorliegenden Fall verfehlt und seine Abweisung durch das Rekursgericht im Ergebnis gerechtfertigt. Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 78 EO, §§ 40, 50 ZPO.

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