OGH 11Os156/84

OGH11Os156/8411.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Dezember 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Lengauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alois A wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Krems a.d.D. vom 5. September 1984, GZ 10 d Vr 14/84-67, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Hauptmann, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Fuchs zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Jahre erhöht.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 5.Jänner 1933 geborene Pensionist Alois A des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB (Punkt 3 des Urteilstenors), des Vergehens der Schändung nach dem § 205 Abs 2 StGB (Punkt 2) sowie des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB (Punkt 1) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 27. Dezember 1983 in Zwettl vorsätzlich Maria B 1. dadurch, daß er sie zu Boden stieß und auf sie einschlug, am Körper verletzt zu haben, wodurch sie Blutunterlaufungen am rechten Auge, am Nasenrücken, an der Schädelschwarte, an den Armen, an den Händen und am Rücken erlitt, 2. zur Unzucht mißbraucht zu haben, indem er ihr mit einem Finger in die Scheide griff, während sie sich infolge der zu 1 geschilderten Tat in einem Zustand befand, der sie zum Widerstand unfähig machte, und 3. sodann durch längeres Würgen getötet zu haben.

In ihrem Wahrspruch bejahten die Geschwornen jeweils stimmeneinhellig die ihnen anklagekonform gestellten Hauptfragen I, II und III (Punkte 1, 4 und 7 des Fragenschemas) und verneinten die dazugehörigen Zusatzfragen I, II und III (Punkte 2, 5 und 8 des Fragenschemas) nach den Voraussetzungen des § 11 StGB; eine Beantwortung der entsprechenden Eventualfragen I, II und III (Punkte 3, 6 und 9 des Fragenschemas) in Richtung des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB) unterblieb folgerichtig.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Wahrspruch und den darauf basierenden Schuldspruch richtet sich die ausschließlich auf den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Den einleitenden Beschwerdeausführungen ist zwar dahin beizupflichten, daß sich die Rechtsbelehrung im Sinn des § 321 Abs 2 StGB - von der Erläuterung des Verhältnisses der einzelnen Fragen zueinander und der Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage abgesehen - auf die Auslegung der im Fragenschema enthaltenen Rechtsbegriffe zu beschränken hat, und daß der in S 13 der Rechtsbelehrung enthaltene Hinweis auf die besondere Bedeutung, die bei Beantwortung der Zusatzfragen den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen beizumessen sein werde, diesen Rahmen überschreitet, weil er sich auf bei Fällung des Wahrspruches zu berücksichtigende konkrete Beweisgrundlagen bezieht. Einer Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung im Sinn der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO wäre dieser Hinweis jedoch nur dann gleichzuhalten, wenn er geeignet gewesen wäre, durch Vorwegnahme der Lösung der Tatfrage oder wenigstens durch Andeutung einer bestimmten Richtung, in welcher die Verhandlungsergebnisse zu würdigen seien, die Meinungsbildung der Geschwornen in bestimmte Bahnen zu lenken und solcherart den Wahrspruch zu beeinflussen (Mayerhofer-Rieder, § 345 Abs 1 Z 8 StPO, ENr. 19). Hievon kann hier nicht die Rede sein; denn mit dem gerügten (knappen) Hinweis wurde nur zum Ausdruck gebracht, daß es bei der Lösung der Frage, ob ein die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit aufhebender Rauschzustand vorgelegen sei, vor allem der Auseinandersetzung mit dem eingeholten psychiatrischen Gutachten bedurfte. Dies kann aber auch von einem Laien nicht als Anleitung dazu aufgefaßt werden, dem Gutachten kritiklos - ohne Berücksichtigung allenfalls gegenteiliger Verfahrensergebnisse - zu folgen.

Die ferner gerügte - weitgehend an Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB 2 , § 11 StGB, RN 28 anknüpfende - Anführung jener Indizien, welche in der Regel für oder gegen eine volle Berauschung sprechen, stellt schon deswegen keine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung zu den Eventualfragen (siehe deren S 15) dar, weil sie - über die Erwähnung äußerlicher Symptome hinaus - auch das Wesen und die Auswirkungen einer rauschbedingten tiefgreifenden Bewußtseinsstörung anschaulich macht und solcherart der Auslegung der § 11 und 287 StGB dient. Sie war daher nicht geeignet, die Lösung der konkreten Tat- und Rechtsfragen durch die Geschwornen zu beeinflussen; denn der Hinweis auf die generell bei Beurteilung eines Rauschzustandes zu berücksichtigenden Indizien ließ offen, ob und in welchem Umfang Anhaltspunkte dieser Art im konkreten Fall vorlagen und welche Schlußfolgerungen auf das Ausmaß der Alkoholbeeinträchtigung des Angeklagten zu ziehen waren.

Eine Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung erblickt der Angeklagte darin, daß in den Darlegungen zur Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes (Hauptfrage III bzw. Frage 7 des Fragenschemas) die Äquivalenztheorie als für die Beurteilung der Kausalität der Tat für den tödlichen Erfolg maßgebend bezeichnet und erörtert wurde (S 11 der Rechtsbelehrung); nach Ansicht des Beschwerdeführers ist zur Lösung dieser Frage 'jedenfalls auch die von der Lehre und Rechtsprechung entwickelte Adäquanztheorie maßgebend', deren Erörterung in der Rechtsbelehrung unterlassen worden sei. Dieser Auffassung zuwider ist nach ständiger Rechtsprechung (siehe insbes.

Mayerhofer-Rieder 2 , EGr. 9 und 10 unter § 1 StGB Vorbem.) und herrschender Lehre (siehe insbes. Moos in WK, Vorbem. zu den § 75-79 StGB, Rz. 4, Leukauf-Steininger 2 , Vorbem. zu § 1 StGB, RN 19 und die jeweils an diesen Stellen erwähnte Literatur; ferner Burgstaller in WK, § 80 Rz. 59) die Kausalität ausschließlich nach der öquivalenztheorie zu beurteilen, somit jedwede Bedingung des Erfolges als ursächlich anzusehen; kausal ist demnach jegliche Handlung, die nicht weggedacht werden kann, ohne daß auch der Erfolg (in seiner konkreten Gestalt) wegzudenken wäre. Nur diese herrschende Rechtsansicht war in die Rechtsbelehrung aufzunehmen. Die zusätzliche Wiedergabe einer gegenteiligen (überholten) Rechtsmeinung hätte die Geschwornen höchstens überfordert; sie wäre nicht nur überflüssig, sondern prozeßrechtlich verfehlt gewesen (Mayerhofer-Rieder, § 345 Abs 1 Z 8 StPO, ENr. 37, 38). Dem Erfordernis der Adäquanz (Erfolgsangemessenheit) eines Täterverhaltens kommt allerdings in anderem Zusammenhang, nämlich als Teilaspekt objektiver Zurechenbarkeit, die Funktion eines zusätzlichen Filters zu, welcher dazu dient, aus dem weiten Bereich aller (nach der öquivalenztheorie untereinander gleichwertigen und daher ausnahmslos kausalen) Bedingungen des Erfolgs jene Verhaltensweisen auszuscheiden, welche den Erfolgseintritt nach allgemeiner menschlicher Erfahrung nicht erwarten lassen, denen also die generelle (adäquate oder typische) Eignung zur Erfolgsherbeiführung fehlt (SSt. 46/67;

EvBl. 1979/118; Burgstaller in WK, § 80 StGB, RZ 61; Moos ebendort, § 75 StGB RZ 15, 16; Kienapfel, BT I 2 , § 75 StGB, RN 15 bis 18 sowie § 80 StGB, RN 105 bis 112). Sollten die zuletzt wiedergegebenen Beschwerdeausführungen als Rüge des Unterbleibens einer Erörterung über diese Bedeutung der Adäquanz zu verstehen sein, wäre ihnen jedoch (mit Leukauf-Steininger 2 , Vorbem. zu § 1 StGB RN 26) zu erwidern, daß vor allem im Bereich der Vorsatzdelinquenz der Kausalzusammenhang die objektive Zurechnung indiziert. Einer eingehenden überprüfung des Teilaspektes der Adäquanz (oder objektiven Voraussehbarkeit; vgl. Leukauf-Steininger 2 , § 80 StGB, RN 27 und 28; Kienapfel BT I 2 , § 80 StGB, RN 105) bedarf es daher nur bei speziellen Fallkonstellationen, welche Anhaltspunkte für einen atypischen Kausalverlauf bieten. Solche kamen im gegenständlichen Verfahren jedoch nicht hervor (vgl. insbes. das gerichtsärztliche Gutachten Bd. II, S 506 f im Zusammenhang mit ON 42, wonach der Tod der Maria B durch Ersticken als unmittelbare Folge eines langdauernden Würgeakts eintrat). Das Fehlen von Erörterungen über die objektive Zurechnung bewirkt mithin im gegenständlichen Fall keine Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung, welche geeignet sein könnte, die Geschwornen bei Beurteilung der an sie gestellten Fragen auf einen falschen Weg zu weisen, und deshalb einer Unrichtigkeit gleichzusetzen wäre (Mayerhofer-Rieder, § 345 Abs 1 Z 8 StPO, EGr. 66). Den abschließenden Beschwerdeausführungen zuwider ist die Rechtsbelehrung zur Hauptfrage I (Punkt 1 des Fragenschemas), betreffend das Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB, keineswegs deshalb nichtig, weil sie Ausführungen zu den nicht Gegenstand der Fragestellung bildenden Tatbestandsvoraussetzungen des zweiten Absatzes dieser Gesetzesstelle enthält:

Die Aufnahme einer solchen Erörterung in die Rechtsbelehrung (siehe deren S 8

und 9) mag zwar entbehrlich gewesen sein (vgl. Mayerhofer-Rieder, § 345 Abs 1 Z 8 StPO, EGr. 22); um einer mit Nichtigkeit bedrohten Unrichtigkeit gleichzukommen, hätte sie überdies geeignet sein müssen, die Geschwornen zu beirren (RZ 1977/138). Welchen Irrtum der Geschwornen die Erörterung sämtlicher (zufolge ÖJZ-LSK 1975/171 und EvBl. 1979/146 rechtlich gleichwertigen) Begehungsweisen des § 83 StGB herbeizuführen vermochte, geht aber weder aus der Beschwerde (in welcher nur die Möglichkeit eines in keiner Weise konkretisierten 'falschen Eindruckes' der Geschwornen erwähnt wird) noch aus dem übrigen Akteninhalt hervor.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 75 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen zweier Vergehen mit einem Verbrechen, als mildernd die Verstandesschwäche des Angeklagten und die der Wahrheitsfindung dienlichen Geständnisse.

Mit ihren Berufungen streben die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe, der Angeklagte hingegen ihre Herabsetzung auf das gesetzliche Mindestmaß an. Nur der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. Der Staatsanwaltschaft ist beizupflichten, daß in erster Instanz die Strafzumessungsgründe zwar richtig und vollständig erfaßt, jedoch nicht ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt wurden. Bei der gebotenen Berücksichtigung des sehr getrübten Vorlebens des Angeklagten und seines besonders brutalen Vorgehens gegen das hochbetagte Opfer, erscheint die vom Erstgericht verhängte fünfzehnjährige Freiheitsstrafe dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schwere der Schuld des Täters nicht adäquat. Sie war daher auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß anzuheben.

Dementsprechend war der Angeklagte mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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