OGH 10Os207/84

OGH10Os207/8411.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini, Dr.Friedrich, Dr.Lachner sowie Hon.Prof.Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Gurschler als Schriftführer in der Strafsache gegen Thomas A wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs.1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 25.Juli 1984, GZ 30 Vr 70/84-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt I.2., im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs nach § 38 StGB) und in der Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche des Manfred B aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Staatsanwaltschaft mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und der Angeklagte mit seiner Berufung werden darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas A auch des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs.1 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 6.Jänner 1984 in Linz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Manfred B durch gefährliche Drohung, und zwar durch die öußerung 'Was gibst zu mir freiwillig, wenn ich dir nichts mehr antue?', zur übergabe von 33,40 S Bargeld, einigen Zigaretten und einem Plastikfeuerzeug genötigt habe, die den Genannten am Vermögen schädigte (Faktum I.2.). Nach den insoweit wesentlichen Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte bei einem Raufhandel (Faktum I.1.) B zusammengeschlagen und leicht, aber nicht unerheblich verletzt; im Anschluß an seine folgende Wahrnehmung, daß dieser Angst vor ihm hatte, habe er ihm die zuvor wiedergegebene Frage gestellt: darin erblickte das Erstgericht die Androhung weiterer Tätlichkeiten, doch ging es im Hinblick darauf, daß er eine solche öußerung überhaupt bestritt, 'im Zweifel zu seinen Gunsten' von der Annahme aus, er habe dabei nicht an eine fremde bewegliche Sache gedacht, sondern hiedurch bloß eine andere vermögenswerte Leistung des Bedrohten erlangen wollen, wie etwa ein Darlehen zur Bezahlung der Taxikosten für die Heimfahrt, welches bei seiner bekannten 'Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungsunwilligkeit' nie zurückgezahlt worden wäre; B indessen gab ihm daraufhin die eingangs angeführten Sachen, wobei dem Angeklagten bewußt gewesen sei, daß letzterer das nur aus Angst davor getan habe, neuerlich von ihm geschlagen zu werden.

Lediglich diesen Schuldspruch bekämpfen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde; damit wird (teils im Weg einer Verfahrenserneuerung) von ersterem ein Freispruch, von letzterer hingegen ein (anklagekonformer) Schuldspruch wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs.1 StGB angestrebt. Schon der auf § 281 Abs.1 Z 5 StPO gestützten, nach ihrer Zielrichtung primär relevanten Beschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Warum das Schöffengericht bei der Feststellung der dem Beschwerdeführer angelasteten, als Drohung gewerteten Frage nicht seiner leugnenden Verantwortung folgte, wonach er zu B bloß mit Bezug auf eine angebliche Hilfeleistung beim Aufstehen nach der Rauferei gesagt habe, 'das koste ihn einen Gespritzten', und wonach er nur in jenem Zusammenhang auch eine Zigarette verlangt habe, sondern vielmehr den ihn belastenden Aussagen der Zeugen B und C Glauben schenkte, denen zufolge er mit seiner öußerung unmißverständlich die (verhüllte) Androhung weiterer Schläge verbunden habe, ist nämlich dem Urteil tatsächlich nicht zu entnehmen; damit, daß es von den mehreren ihm nachteiligen Darstellungen 'im Zweifel' die vermeintlich für ihn günstigste als erwiesen annahm, konnte es jedenfalls nicht denkfolgerichtig begründen, weshalb es seine Tatversion, mit der er eine Drohung überhaupt in Abrede stellte, als widerlegt ansah.

Eine zureichende Begründung dafür kann aber auch nicht in einer Konstatierung erblick werden, wonach er schon vor der in Ansehung ihres Inhalts umstrittenen öußerung bemerkt habe, daß B Angst vor ihm hatte:

denn daraus allein kann nach den Gesetzen der Logik gleichwie nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus noch nicht abgeleitet werden, daß der von ihm behaupteten Aufforderung ebenfalls objektiv und subjektiv die Bedeutung einer Drohung zugekommen (und deshalb die demgegenüber als erwiesen angenommene 'Frage' die für ihn günstigste Geschehensvariante) wäre; die darüber hinausgehende weitere Feststellung jedoch, der Angeklagte habe zudem gewußt, daß ihm B die in Rede stehenden Sachen aus Angst übergab - was rückblickend immerhin als ein Indiz dafür gewertet werden könnte, daß er schon mit seiner inkriminierten öußerung vorsätzlich auf einen derartigen Einschüchterungseffekt hingewirkt habe -, findet ihrerseits im Urteil keinerlei Begründung.

Falls schließlich das Erstgericht lediglich deshalb der ein drohendes Verhalten seinerseits leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers keinen Glauben schenkte, weil ein solches von den Zeugen B und C trotz der jeweils verschiedenen Formulierung der ihm zugeschriebenen öußerung in jedem Fall bekundet wurde, hätte es sich unbedingt auch mit den übrigen mehrfachen Divergenzen in und zwischen diesen Zeugenaussagen wie insbesondere mit der weitgehend entlastenden Darstellung des Tatopfers in der Hauptverhandlung, die im Urteil nicht einmal andeutungsweise erwähnt werden, auseinandersetzen und dartun müssen, warum es den betreffenden Verfahrensergebnissen nichtsdestoweniger eine für die Beweisführung ausreichende Verläßlichkeit beimaß (§ 270 Abs.2 Z 5 StPO). Die aufgezeigten, vom Angeklagten im Kern zutreffend gerügten Begründungsmängel der Entscheidung (Z 5) in bezug auf die Feststellung der ihm angelasteten Drohung machen in Ansehung des davon betroffenen Schuldspruchs eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, sodaß nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung der von der Staatsanwaltschaft ins Treffen geführten Unzulänglichkeit und inneren Widersprüchlichkeit der Begründung (Z 5) hinsichtlich des Zieles jener Drohung sowie des geltend gemachten Rechtsirrtums bei der Subsumtion des insoweit als erwiesen angenommenen Sachverhalts (Z 10) bedarf.

Demnach sei der Anklagebehörde nur der Vollständigkeit halber bestätigt, daß die Konstatierung, der Angeklagte habe mit der ihm vorgeworfenen öußerung von B keine (fremden) beweglichen Sachen, sondern lediglich eine andere vermögenswerte Leistung, wie beispielsweise ein Bardarlehen zur Bezahlung von Taxikosten, erlangen wollen, nach der gesamten Aktenlage als rein willkürlich erscheint (Z 5); daß in der Gewährung eines derartigen (bar zuzuzählenden) Darlehens jedenfalls die Hingabe beweglicher Sachen zu erblicken und dementsprechend dessen Abnötigung bei gegebenem Bereicherungsvorsatz - wie etwa bei (vom Schöffengericht angenommener) Rückzahlungsunwilligkeit - sehr wohl als Raub (§ 142 StGB), ansonsten aber als Nötigung (§ 105 StGB) zu beurteilen wäre; sowie schließlich, worauf sich die Beschwerde allerdings nicht erstreckt, daß auch die Entgegennahme von Sachen, die unter dem Druck einer ursprünglich auf eine andere vermögenswerte Leistung gerichtet gewesenen Drohung (mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) herausgegeben werden, mit einem nunmehr darauf gerichteten Tätervorsatz durchaus als vorsätzliches Abnötigen der betreffenden Gegenstände (im Sinn des § 142 StGB) zu beurteilen ist (Z 10). Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht gegebenenfalls außerdem zu beachten haben, daß die Wegnahme oder Abnötigung der im angefochtenen Urteil bezeichneten Vermögenswerte Sachen geringen Wertes betraf sowie nach der bisherigen Aktenlage weder sonstige Folgen nach sich zog noch nach § 143

StGB qualifiziert ist, sodaß dann, wenn sie lediglich als Drohung - also ohne Anwendung erheblicher Gewalt (vgl. ÖJZ-LSK 1978/292) - begangen wurde, die Voraussetzungen (bloß) eines (privilegierten) minder schweren Raubes im Sinn des § 142 Abs.2 StGB vorliegen.

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