OGH 13Os194/84

OGH13Os194/846.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Müller, Dr.Schneider, Dr.Felzmann und Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Mahn als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens des Betrugs nach §§ 146 f. StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengerichts vom 13. Juli 1984, GZ. 29 Vr 209/83-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte hierauf verwiesen.

Text

Gründe:

Der Versicherungsangestellte Johann A wurde des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er von Jänner bis September 1982 in Brückl Josefine AH durch die Täuschung, er sei ihr Neffe und werde die Angelegenheit mit Hermann R*** bereinigen und die ihm von ihr übergebenen Gegenstände sicher verwahren, zur Ausfolgung eines Sparbuchs mit einer Einlage von 259.000 S, einer Barschaft von 45.000 S, dreier Goldringe (Wert: 2.500 S), Silbermünzen (Wert: 1.000 S) und dreier Zahnprothesen mit Goldkronen (Wert: 2.500 S) verleitet und damit einen 100.000 S übersteigenden Schaden herbeigeführt. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte aus § 281 Abs. 1 Z. 1 a und Z. 5 StPO. mit Nichtigkeitsbeschwerde.

Zum erstgenannten Grund wird vorgebracht, der Beschwerdeführer habe nach dem Beschluß des Erstgerichts vom 2. Mai 1984, den ihm gemäß § 41 Abs. 2 StPO. als Verteidiger beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Friedrich B zu entheben (ON. 25 S. 135, 136), dem Gericht mitgeteilt, 'mit einer weiteren Vertretung durch Dr. B nicht einverstanden' zu sein und 'diesem keine weitere Vollmacht nach der Entziehung der Verfahrenshilfe erteilt' zu haben (S. 212). Anläßlich der Hauptverhandlung am 13. Juli 1984 sei Dr. B 'zwar als Verfahrenshilfe-Verteidiger gemäß dem Bescheid vom 31.1.1984 (im Protokoll) angeführt' (siehe S. 141 unten), was er damals jedoch nicht mehr gewesen sei; Dr. B konnte auch nicht als gewählter Parteienvertreter einschreiten, weil er ihm eine entsprechende Vollmacht nicht erteilt habe. Er sei somit anläßlich der Hauptverhandlung am 13. Juli 1984 weder durch einen von ihm bevollmächtigten, noch durch einen ihm beigegebenen Verfahrenshilfe-Verteidiger vertreten gewesen (S. 212, 213).

Die Beschwerde übergeht, daß Dr. B nach seiner Enthebung (ON. 25) mit Beschluß vom 6. Juni 1984 dem Angeklagten als Amtsverteidiger nach § 41 Abs. 3 StPO. beigegeben wurde (ON. 27, S. 139) und daher als solcher bei der nachfolgenden Hauptverhandlung am 13. Juli 1984 für den Angeklagten einschreiten konnte (insoweit ist also die Zitierung des Bescheids vom 31. Jänner 1984, auf S. 141 unten, als Grundlage dieser Verteidigerbestellung aktenwidrig). Das mangelnde Einverständnis mit einer Vertretung durch Dr. B hat der Angeklagte übrigens erst in Eingaben vom 13. August und 2. Oktober 1984, sohin nach der Urteilsfällung, vorgebracht (S. 187, 193), worauf ihm mit Beschluß vom 11. Oktober 1984 abermals ein Verteidiger gemäß § 41 Abs. 2 StPO. beigegeben wurde (S. 199, 200). Daß der Angeklagte während der Hauptverhandlung nicht durch einen Verteidiger vertreten gewesen wäre, obwohl dies zwingend vorgeschrieben war, trifft demnach nicht zu.

Das Schöffengericht hielt die Verantwortung des Angeklagten, die urteilsgegenständlichen Sachen geschenkt bekommen zu haben, durch die glaubhafte Aussage der Josefine AH für eindeutig widerlegt (S. 174):

Diese 82-jährige Zeugin werde nämlich 'von den beiden objektiven und glaubwürdigen Zeugen Erna C und Heike D, die diese seit langem sehr gut kennen, als sehr fleißige und sparsame Frau geschildert, die eher 'zugeknöpft' war und bei der es nicht denkbar ist, daß sie einem Menschen, der ihr völlig fremd ist, nach kurzem ihr ganzes Vermögen schenkt. Dies wird auch durch die Aussage des Zeugen Hermann E erhärtet, der es völlig ausgeschlossen hat, daß Josefine AH jemandem einen größeren Geldbetrag schenkt. Aus all diesen Umständen muß es ' - wie es in den Urteilsgründen weiter wörtlich heißt - ' vollkommen undenkbar erscheinen, daß Josefine AH, auch wenn sie sich über das Erscheinen ihres, wie sie vermeinte, einzigen lebenden Neffen gefreut hat, dem Angeklagten bereits nach kurzer Zeit ihr ganzes Vermögen geschenkt haben soll' (S. 174). Die Mängelrüge hält - wie darin zutreffend hervorgehoben wird - die als wesentliche Basis für die Begründung der Verurteilung dienenden Feststellungen des Erstgerichts über die vermögensrechtlichen Transaktionen und Vereinbarungen der Josefine AH für 'einseitig und unvollständig' (S. 214). Zusammengefaßt wiedergegeben läuft dieses Vorbringen darauf hinaus, daß sich das Schöffengericht bei der Persönlichkeitsbeurteilung der Zeugin AH und ihres Umgangs mit ihrem Vermögen zwar einseitig auf die durch einen persönlichen Eindruck ergänzte Beurteilung der Greisin durch die genannten Zeugen gestützt, dabei aber andere, hier als Erkenntnisquellen in Frage kommenden Beweisergebnisse mit Stillschweigen übergangen hat. So sei völlig außer acht geblieben, daß Josefine AH, wie aus den Aussagen der Zeugen Franz F (S. 158 ff.) und Hermann E (S. 126 ff. in Verbindung mit S. 161) hervorgeht, schon früher über ihr Liegenschaftsvermögen (und inhaltlich des Akts C 21/68 des Bezirksgerichts Eberstein auch über ein Sparbuch) in äußerst großzügiger Art schenkungsweise bzw. durch einen Leibrentenvertrag verfügt und diese Verträge erst später infolge eines Gesinnungswandels rückgängig gemacht bzw. zu machen getrachtet hat.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerdeeinwand, eine Berücksichtigung dieser früheren Transaktionen, die ein der Auffassung der zitierten Zeugen offenkundig widersprechendes Persönlichkeitsbild der Josefine AH und ihres Umgangs mit ihren Vermögenswerten erkennen lassen, lege nahe, daß sie auch im urteilsgegenständlichen Fall eine ursprünglich an keine Bedingungen geknüpfte Schenkung später rückgängig zu machen versucht habe, ist berechtigt.

Dazu komme, daß nach den Urteilsannahmen Josefine AH anläßlich der übertragung des Sparbuchs mit einer Einlage von 261.842,96 S seitens des Filialleiters Edgar G über die rechtlichen Konsequenzen der von ihr gewünschten Weitergabe des Verfügungsrechts an den Angeklagten sachkundig aufgeklärt worden war (S. 151 f., 93 ff., in Verbindung mit S. 161). Mit der von der Beschwerde ausdrücklich relevierten (S. 216), eine Konstatierung negierenden Wendung, 'daß nicht festgestellt werden konnte, daß Josefine AH sich über die völlige Tragweite der übertragung des alleinigen Verfügungsrechtes an dem Sparbuch an den Angeklagten bewußt war' (S. 169), läßt das Gericht zudem die Möglichkeit offen, daß sie damals doch die Folgen dieser Transaktion voll erfaßt hat (siehe auch S. 176: durchaus denkbar nicht bewußt war). Das aber kann nicht ohne Auswirkung auf die entscheidungswesentliche Frage sein, was Josefine AH zur übertragung des alleinigen und ausschließlichen Verfügungsrechts über die ansehnliche Spareinlage an den Angeklagten bewogen haben mochte. Die im Akt in Ablichtung erliegende Krankengeschichte der Josefine AH (ON. 3) macht ferner mit der Entlassungsdiagnose vom 23. September 1982 (paranoides Zustandsbild im Senium) die in der Beschwerde vorgebrachten, erörterungsbedürftigen Besonderheiten des Status psychicus der 82-jährigen Patientin (S. 37) deutlich, die gewiß die Aussagefähigkeit und damit die Glaubwürdigkeit der Genannten tangieren könnten und zu denen das Gericht daher konkret Stellung zu nehmen gehabt hätte.

Ferner hat Josefine AH am 23. Februar 1981 einen falschen Offenbarungseid geleistet, was im Urteil zwar als denkbares Motiv für die übergabe der Vermögenswerte an den Angeklagten Erwähnung findet (S. 168, 179), bei der Einschätzung ihrer Glaubwürdigkeit aber nicht berücksichtigt wird.

Zu Recht bezweifelt schließlich die Beschwerde (S. 219), daß zwischen dem allenfalls vorgetäuschten Verwandtschaftsverhältnis des immerhin unter seinem richtigen Namen aufgetretenen und aus Grafenbach in Kärnten stammenden Angeklagten und der Zeugin AH einerseits und der Ausfolgung von Vermögenswerten andererseits der deliktsspezifisch gebotene Kausalzusammenhang bestehe, daß also bei Wegfall der Annahme der Verwandtschaft auch der Erfolg in seiner konkreten Gestalt nicht mehr vorstellbar sei (Eliminationsmethode:

Malaniuk I S. 85, Nowakowski Grundzüge S. 48 f; 13 0s 168/81, 13 0s 211/83).

Es zeigt sich sohin, daß keineswegs alle Ergebnisse des Beweisverfahrens, welche auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin Josefine AH und des erweisbaren Umgangs mit ihrem Vermögen von Einfluß sein konnten, einer Erörterung unterzogen worden sind. Da die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war der Nichtigkeitsbeschwerde sofort bei der nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben (§ 285 e StPO.), das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Urteilsaufhebung zu verweisen.

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