OGH 5Ob601/84

OGH5Ob601/8427.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Notwegesache des Antragstellers Walter O*****, vertreten durch Dr. Wilfried Konzett, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die Antragsgegner 1) Kurt W*****, vertreten durch Dr. Hansjörg Czinglar, Rechtsanwalt in Schruns, und 2) Gerlinde T*****, vertreten durch Dr. Norbert Margreiter, Rechtsanwalt in Bezau, wegen Einräumung eines Notweges, infolge Revisionsrekurses des Erstantragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 14. September 1984, GZ R 573/84‑48, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Montafon vom 13. August 1984, GZ Nc 50/83‑34, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00601.840.1127.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Mit den insoweit in Rechtskraft erwachsenen Beschlüssen des Erstgerichts vom 22. 5. 1984, ON 24, und vom 13. 8. 1984, ON 34, wurde dem Antragsteller als Eigentümer des Grundstücks ***** KG ***** und seinen Rechtsnachfolgern im Eigentum dieses Grundstücks das Notwegerecht zu gehen und zu fahren durch Gestattung der Mitbenützung des über das Grundstück des Erstantragsgegners ***** KG ***** sowie über die Grundstücke der Zweitantragsgegnerin ***** und ***** je KG ***** verlaufenden Privatweges in der in diesen Beschlüssen näher umschriebenen Weise bewilligt. Der vom Antragsteller der Zweitantragsgegnerin hiefür zu leistende Entschädigungsbetrag wurde im Punkt 3 des zweitgenannten Beschlusses gleichfalls rechtskräftig mit 25.000 S festgesetzt.

Die im Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses ON 34 erfolgte Festsetzung des vom Antragsteller dem Erstantragsgegner zu leistenden Entschädigungsbetrags mit 20.000 S wurde vom Rekursgericht infolge Rekurses des Erstantragsgegners bestätigt.

Gegen den bestätigenden rekursgerichtlichen Beschluss richtet sich der auf den Beschwerdegrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit gestützte außerordentliche Revisionsrekurs des Erstantragsgegners mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Notwegesache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Rekursgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise wird die Festsetzung des Entschädigungsbetrags mit dem (von den Gerichtssachverständigen Georg Brugger und Peter Vonbank ermittelten) Betrag von 87.625 S begehrt.

Der Antragsteller hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Die Vorinstanzen gingen von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus:

Oskar O*****, dem Vater des Antragstellers, der auf einem Nachbargrundstück eine Pension mit 18 Fremdbetten betreibt, und Albert T*****, der auf anderen Nachbargrundstücken das 40 Fremdbetten aufweisende Hotel „C*****“ mit drei Angestellten führt, stehen in Bezug auf den vorerwähnten Privatweg der Antragsgegner Wegedienstbarkeiten zu. Der Erstantragsgegner ist Eigentümer einer gleichfalls an dem Privatweg gelegenen Ferienwohnung sowie zweier weiterer Ferienwohnungen, die sich gegenüber der Einmündung des Privatweges in die Flurstraße befinden. Die Zweitantragsgegnerin betreibt in einem am Privatweg gelegenen Haus, in dem sie auch selbst wohnt, die Fremdenpension „A*****“ mit 30 Betten. Der Privatweg wird derzeit von Oskar O*****, Albert T*****, den Antragsgegnern und deren Gästen sowie Angestellten ihrer Pensionsbetriebe benützt. Als weiterer Benützer wird der Antragsteller hinzukommen, der beabsichtigt, auf dem ihm gehörigen Grundstück ***** KG ***** ein zweigeschossiges Wohnhaus zu errichten. Es sind eine Wohnung für den Antragsteller und seine Familie sowie 5 Gästezimmer mit 10 Betten vorgesehen. Der Ausbau des Dachbodens ist nicht geplant, wäre jedoch aufgrund der lichten Raumhöhe und der Treppe möglich. Der Privatweg, über den dem Antragsteller rechtskräftig das Notwegerecht eingeräumt worden ist, ist 3 m breit. Er nimmt insgesamt eine Fläche von 273 m 2 in Anspruch, wovon 151 m 2 auf das im Eigentum des Erstantragsgegners stehende Grundstück ***** KG ***** und 122 m 2 auf die im Eigentum der Zweitantragsgegnerin stehenden Grundstücke ***** und ***** je KG ***** entfallen. Vom gesamten Weg sind 206 m 2 , hievon die gesamten 151 m 2 des Erstantragsgegners, asphaltiert; 67 m 2 sind mit Flickschotter befestigt. Ein Frostkoffer wurde nicht eingebracht, sodass der Weg nicht gänzlich frostsicher ist.

Die Gerichtssachverständigen Georg Brugger und Peter Vonbank errechneten die nach ihrer Meinung vom Antragsteller dem Erstantragsgegner zu leistende angemessene Entschädigungssumme wie folgt:

Der nach der Vergleichswertmethode ermittelte Grundpreis je m 2 betrage 1.500 S. Die durch Dienstbarkeiten eintretende Wertminderung sei mit 75 % anzusetzen. Die vom Notweg des Antragstellers in Anspruch genommenen 151 m 2 des auf dem Grundstück des Erstantragsgegners verlaufenden Privatweges hätten demnach eine Wertminderung von insgesamt 169.875 S erfahren. Der Baukostenzeitwert des dem Erstantragsgegner gehörenden Teiles des asphaltierten Privatweges belaufe sich auf 53.303 S (= 151 m 2 zu je 353 S). Die kapitalisierten künftigen Erhaltungskosten dieses Wegeteiles seien mit 27.180 S anzunehmen. Werde bei der Berechnung des vom Antragsteller dem Erstantragsgegner zu ersetzenden Anteiles an diesen Beträgen (insgesamt 250.358 S) unter Zugrundelegung der von der Gemeinde S***** festgelegten Baunutzungszahl von der Baunützung ausgegangen, die allen den Privatweg benützenden Liegenschaftseigentümern möglich sei, gelange man zu einem Prozentsatz von 35 % und damit zu einer Entschädigungssumme von 87.625 S.

Der Antragsteller legte dem Erstgericht ein Privatgutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Ing. Ulrich E***** (Beil B) vor, der zu der vom Antragsteller dem Erstantragsgegner zu leistenden Entschädigungssumme nachstehende Auffassung vertrat:

Da der Wert von Wegegrundstücken 25 % der ortsüblichen Vergleichswerte für Bauland von 1.500 sSje m 2 erreiche, seien die vom Notweg des Antragstellers beanspruchten 150,65 m 2 aus dem dem Erstantragsgegner gehörenden Grundstück ***** KG ***** mit 56.496 S zu bewerten. Der Anteil des Erstantragsgegners am Baukostenzeitwert der asphaltierten Wegfläche betrage 53.303 S. Grundstückswert und Baukostenzeitwert zusammen ergäben somit 109.799 S. Davon habe (aufgrund näher dargelegter Berechnungen) der Antragsteller 30,66 % zu entschädigen. Ebenso habe der Antragsteller 30,66 % der künftigen laufenden Erhaltungskosten zu tragen.

Das Erstgericht stellte zur Festsetzung des dem Erstantragsgegner gebührenden Entschädigungsbetrags folgende Erwägungen an:

Gemäß § 5 (Abs 1) NotwegeG habe der des Notweges bedürftige Grundeigentümer für allen Schaden, welcher durch die Einräumung des Notweges den mit demselben belasteten Liegenschaften etwa zugefügt werde, eine angemessene Entschädigung in einem Kapitalbetrag zu leisten, wobei nach § 6 NotwegeG bei der Mitbenützung eines fremden Privatweges die hiedurch verursachten Mehrauslagen der Wegerhaltung in den Entschädigungsbetrag einzubeziehen seien. Diese Entschädigung bestehe hiebei nicht nur im Verkehrswert des durch den Notweg betroffenen Grundstücksteiles, sondern auch in dem Nachteil, der sich für den Eigentümer der belasteten Liegenschaften überhaupt durch die Erschwerung der Führung seiner Wirtschaft, durch die Belastung im Grundbuch, durch die sich hieraus allenfalls ergebende Erschwerung einer Hypothekenaufnahme udgl mehr allenfalls ergebe (SZ 37/2). In sinngemäßer Anwendung des § 273 ZPO (JBl 1976, 217) habe das Gericht gemäß § 15 Abs 1 NotwegeG unter Berücksichtigung all dieser Umstände die zu leistende Entschädigung nach freier Überzeugung festzusetzen, ohne an Beweisregeln gebunden zu sein.

Ein Anhaltspunkt für die Festsetzung des Entschädigungsbetrags sei hiebei der Grundstückswert sowie der Wert der darauf bereits errichteten Straße. Hiebei sei im Gegensatz zum Gutachten der beiden Gerichtssachverständigen Brugger und Vonbank davon auszugehen, dass sich auf dem in Anspruch genommenen Liegenschaftsteil derzeit bereits eine Straße befinde, in Bezug auf welche auch Oskar O***** und Albert T***** bereits ein Wegerecht zustehe. Übereinstimmend werde in den beiden Gutachten Brugger/Vonbank und E***** die Wertminderung mit 75 % vom Grundpreis als Bauland (1.500 S je m 2 ) angesetzt, dies entspreche einem Preis von 375 S je m 2 . Da nach den beiden Gutachten in jedem Falle ein Restwert von 375 S je m 2 gegeben sei, werde der Verkehrswert der Liegenschaft durch die zusätzliche Einräumung eines Notweges nicht wesentlich verändert. Der Grundstückswert für die betroffene Liegenschaftsfläche des Erstantragsgegner betrage somit 56.496 S. Rechne man diese Summe dem in beiden Gutachten übereinstimmend angegebenen Baukostenzeitwert der Straße hinzu, so ergebe sich ein Wert des Straßenteils des Erstantragsgegners von insgesamt 109.799 S. Hierin sei nicht berücksichtigt, dass sich dieser Wert geringfügig dadurch verringere, dass entgegen der Annahme der Sachverständigen ein Frostkoffer in die Straße nicht eingebracht worden sei. Die künftigen Erhaltungskosten betrügen nach dem Gutachten Brugger/Vonbank pro Jahr für den asphaltierten Bereich hinsichtlich des Anteils des Erstantragsgegners 1.510 S. Hinsichtlich des Asphaltbereichs seien durch die zusätzliche Benützung keine Mehrauslagen zu erwarten. Höhere Ausgaben im Vergleich zum Gutachten ergäben sich insbesondere im asphaltierten Bereich dadurch, dass dieser Bereich nicht frostsicher sei.

Die genaue Berechnung der durch die fehlende Frostsicherheit bedingten Mehrausgaben und der Wertminderung aufgrund des fehlenden Frostkoffers mit Hilfe eines ergänzenden Sachverständigengutachtens sei im Hinblick darauf unterblieben, dass nach den Angaben der Sachverständigen eine derartige genaue Berechnung nur nach der Entnahme von Proben des Weges durchgeführt werden könnte. Da die Festsetzung des Entschädigungsbetrags ohnehin in sinngemäßer Anwendung des § 273 ZPO durchzuführen sei und relativ geringfügige Änderungen der äußerst detaillierten Berechnungen der Sachverständigen mit einem hohen zusätzlichen Kostenaufwand und einer weiteren Verfahrensverzögerung verbunden wären, sei die Einholung eines weiteren ergänzenden Gutachtens unterlassen worden.

Bei der Festsetzung des Entschädigungsbetrags sei weiter zu berücksichtigen gewesen, dass an dem gegenständlichen Privatweg derzeit der Erstantragsgegner, dessen Feriengäste jedoch nicht auf den gegenständlichen Weg angewiesen seien, die Zweitantragsgegnerin, die an diesem Weg wohne und die Pension A***** mit 30 Fremdenbetten betreibe, Albert T*****, der das Hotel C***** mit 40 Fremdenbetten und drei Angestellten betreibe, und Oskar O*****, dessen Pension 18 Fremdenbetten aufweise, nutzungsberechtigt seien. Wenn nun der Antragsteller mit einer Privatwohnung und 10 Fremdenbetten ebenfalls nutzungsberechtigt sei, so sei er an der Benützung dieses Weges lediglich mit rund 10‑12 % beteiligt.

Ausgehend von diesem Ausmaß an Mitbenützung, dem oben angeführten Wert der Liegenschaft und der darauf errichteten Straße, den jährlichen Aufwendungen des Erstantragsgegners für diesen Weg bei ordnungsgemäßer Erhaltung des Weges einschließlich der Mehrauslagen aufgrund des fehlenden Frostschutzes und der zusätzlichen Benützung durch den Antragsteller sowie der sonst mit der Einräumung des Wegerechtes verbundenen zusätzlichen Belästigungen erscheine insgesamt ein Kapitalbetrag von 20.000 S hinsichtlich des Anteils des Erstantragsgegners als Entschädigungsbetrag angemessen.

Das Rekursgericht nahm zum Beweis‑, Mängel‑ und Rechtsrüge des Erstantragsgegners Stellung wie folgt:

Nach § 15 NotwegeG habe das Gericht mit Rücksicht auf die Ergebnisse der Verhandlung über den einzuräumenden Notweg und über die zu leistende Entschädigung nach freier Überzeugung, ohne an Beweisregeln gebunden zu sein, zu entscheiden, wobei jedoch die Umstände, welche für seine Überzeugung maßgebend gewesen seien, in der Begründung der Entscheidung darzulegen seien. Dem Erstantragsgegner sei darin beizupflichten, dass diese Bestimmung den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (ähnlich wie § 272 ZPO) normiere. Damit sei jedoch keineswegs gesagt, dass die Anwendung der Bestimmung des § 273 ZPO unzulässig wäre. Vielmehr ergebe sich die Berechtigung für die analoge Anwendung des § 273 ZPO (vgl die vom Erstgericht zitierte Entscheidung des OGH JBl 1976, 317) aus der Bestimmung des § 5 NotwegeG, wonach eine „angemessene Entschädigung“ in einem Kapitalbetrag zu leisten sei. Es treffe allerdings zu, dass das Gericht verpflichtet sei, die für die Höhe der Entschädigung notwendigen Grundlagen (maßgeblichen Verhältnisse) durch Sachverständigenbeweis zu ermitteln (ähnlich der Schmerzengeldbemessung, die nach einhelliger Rechtsprechung ein Anwendungsfall des § 273 ZPO sei).

Das Erstgericht habe auch zu Recht keine Ergänzung des Sachverständigengutachtens in der Richtung veranlasst, welche Mehrausgaben entstünden bzw welche Wertminderung aufgrund des fehlenden Frostkoffers eintrete, weil eine diesbezügliche Ermittlung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre. Im Übrigen lege der Erstantragsgegner selbst den vom Erstgericht zugrundegelegten Baukostenzeitwert (53.303 S) und die Erhaltungskosten (18 x 1.510 S = 27.180 S) zugrunde.

Strittig seien daher in Wahrheit lediglich der vom Erstgericht angenommene Prozentsatz (10‑12 %) und der Verkehrswert des den Erstantragsgegner betreffenden Straßenteils.

Hinsichtlich des Prozentsatzes, der sich jedenfalls auf den Baukostenzeitwert und die Erhaltungskosten auswirke, seien die Befürchtungen des Erstantragsgegners unbegründet. Bei der Festsetzung des Entschädigungsbetrags sei nämlich die Situation bei Schluss der Verhandlung in erster Instanz maßgebend. Allfällige zukünftige Änderungen könnten sowohl zur Aufhebung des Notwegerechtes als auch zu einer Erhöhung oder Herabsetzung der Entschädigungssumme führen (siehe die §§ 23, 24 Abs 1 und 2 NotwegeG). Nur insoweit, als der Erstantragsgegner eine Erhöhung der Belastung durch einen weiteren (offenbar nicht beabsichtigten) Ausbau des Wohnhauses auf dem Grundstück ***** befürchte, werde der vom Erstgericht angenommene Prozentsatz beanstandet. Im Hinblick auf die angeführte Rechtsansicht sei diese Befürchtung jedoch unbegründet, sodass von dem insofern unbekämpften Prozentsatz von 10‑12 % auszugehen sei. Dieser Prozentsatz sei angemessen und entspreche insoweit auch der vom Erstantragsgegner vorgenommenen Berechnung.

Nach Ansicht des Rekursgerichts komme im gegenständlichen Fall dem Grundwert der Liegenschaft nicht die vom Erstantragsgegner beigemessene Bedeutung zu. Abgesehen davon, dass es nicht Aufgabe der Sachverständigen sei, die Höhe des Entschädigungsbetrags zu ermitteln ‑ dies sei vielmehr, wie bereits ausgeführt, überprüfbare Ermessenssache des Gerichts ‑, sei die Berechnungsmethode der Sachverständigen auch nicht überzeugend. Auszugehen sei nämlich davon, dass der Privatweg bereits vor der Einräumung des gegenständlichen Notwegerechts bestanden habe und die Einräumung der Notwegeservitut nur eine zusätzliche Belastung mit sich bringe. Der Antragsteller benütze lediglich einen schon bisher von mehreren Personen in Anspruch genommenen Weg mit, wobei der Umfang dieser Mitbenützung in Bezug auf die bisherige Belastung eher gering sei. Es werde in diesem Zusammenhang auf den zugrundegelegten Prozentsatz von 10‑12 % verwiesen. Bei der Festsetzung des Entschädigungsbetrags spiele nicht nur der Wert des Grundstücks, sondern jeder Nachteil eine Rolle, der sich für den Eigentümer der belastenden Liegenschaft überhaupt ergebe; darunter falle auch die Gefahr, dass durch die grundbücherliche Einverleibung des Notwegerechts die Liegenschaft weniger belastbar sei (vgl SZ 37/2). Der Wert der Liegenschaft des Erstantragstellers sei schon dadurch erheblich gesunken, dass den Anrainern Oskar O***** und Albert T***** eine Wegedienstbarkeit eingeräumt worden sei und der Weg nicht nur von diesen, sondern auch von den Antragsgegnern sowie den Gästen und Angestellten der Pensionsbetriebe benützt worden sei und werde. Dass für diese durch die Einräumung des Notwegerechtes eine wesentliche Beeinträchtigung der Benützung des Weges entstanden sei, habe das Beweisverfahren nicht ergeben. Diese hätten auch keine Ersatzansprüche geltend gemacht (vgl § 5 Abs 2 NotwegeG). Nach Ansicht des Rekursgerichts sei daher durch die Einräumung der Notwegeservitut eine nur geringe zusätzliche Wertminderung des betroffenen Grundstücks des Erstantragsgegners eingetreten.

Wenn vom Baukostenzeitwert (53.303 S) und den Erhaltungskosten gemäß § 6 NotwegeG (27.180 S) 10‑12 % an Entschädigung zuerkannt würden und außerdem die durch die Einräumung des Notwegerechts eingetretene Wertminderung im Sinne obiger Ausführungen berücksichtigt werde, ergebe sich die Angemessenheit des vom Erstgericht festgesetzten Entschädigungsbetrags von 20.000 S. Würde der Erstantragsgegner den von ihm begehrten Entschädigungsbetrag erhalten, bekäme er rund 38 % des Verkehrswerts einer unbelasteten Liegenschaft, obwohl durch das Notwegerecht in Bezug auf die bisherige Situation keine große Erschwerung der Benützung des Privatweges oder Wertminderung der Liegenschaft eingetreten sei.

Im außerordentlichen Revisionsrekurs führt der Erstantragsgegner unter dem Gesichtspunkt der offenbaren Gesetzwidrigkeit zusammengefasst aus, dass die Vorinstanzen ohne Begründung ganz offensichtlich von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die Differenz zwischen dem Wert der Liegenschaft ohne Belastung durch den Notweg und dem nach Einräumung des Notweges unter Berücksichtigung aller besonderen Umstände sich ergebenden Liegenschaftswert im Zusammenhang mit den sonstigen Verfahrensergebnissen eine geeignete Grundlage für den vom Gericht festzusetzenden Entschädigungsbetrag biete, sowie vom Gutachten der Gerichtssachverständigen, wonach diese Differenz für die ihm gehörigen 151 m 2 des Privatweges 169.875 S ausmache, abgewichen seien.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass eine offenbare Gesetzwidrigkeit iSd § 16 AußStrG nach ständiger Rechtsprechung nur dann vorliegt, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, dass kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (siehe die in MGA 2 des AußStrG unter Nr 19 zu § 16 abgedruckten Entscheidungen). Es genügt daher nicht, wenn der Rechtsmittelwerber lediglich eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (und damit eine möglicherweise gegebene unrichtige rechtliche Beurteilung) darzulegen versucht. Es braucht deshalb auch nicht untersucht zu werden, ob er mit diesen seinen Darlegungen im Recht ist. Dass dem Rekursgericht aber eine offenbare Gesetzwidrigkeit im zuvor wiedergegebenen Sinne unterlaufen wäre, vermag der Erstantragsgegner nicht aufzuzeigen. Dass sich das Rekursgericht mit den Rekursausführungen des Erstantragsgegners nur unvollständig auseinandergesetzt habe, trifft nicht zu. Wie aus der Wiedergabe der Begründung der rekursgerichtlichen Entscheidung zu ersehen ist, ist es auch unrichtig, dass dieser Begründung nicht entnommen werden könne, warum vom Gutachten der Gerichtssachverständigen abgewichen werde. Das Rekursgericht hat klar als hier entscheidend hervorgehoben, dass durch die zugunsten des Antragstellers und seiner Rechtsnachfolger erfolgte Einräumung der Notwegeservitut nur eine geringe zusätzliche Wertminderung des davon betroffenen Grundstücks des Erstantragsgegners eingetreten ist, das schon vorher von ihm selbst und von anderen Anrainern (zum Teil aufgrund ihnen eingeräumter Wegedienstbarkeiten) als Weg benützt worden ist. Auch in der Ansicht des Rekursgerichts, dass angesichts dessen der vom Erstgericht festgesetzte Entschädigungsbetrag für angemessen befunden werde, ist eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht zu erkennen. Welcher Betrag an Entschädigungen angemessen ist, ist nämlich in erster Linie eine Ermessensfrage. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit der Entscheidung käme insoweit daher überhaupt nur dann in Betracht, wenn die Vorinstanzen bei der Festsetzung der Entschädigungssumme gegen die im Gesetz (§ 5 Abs 1, § 6 NotwegeG) hiefür gegebenen Richtlinien offenbar verstoßen hätten (4 Ob 561/76 ua), was im gegenständlichen Fall, wie ausgeführt, nicht zutrifft. Die Entscheidung des Außerstreitrichters darüber, ob er § 273 ZPO sinngemäß anwenden darf, ist eine bloße Verfahrensfrage (vgl JBl 1973, 257 ua), die im Rahmen des § 16 AußStrG vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann; die Frage, ob das Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO richtig ist, ist eine solche der rechtlichen Beurteilung (5 Ob 142/66 ua; zuletzt etwa 8 Ob 76/83), die im Rahmen des § 16 AußStrG, sofern die zuvor aufgezeigten Grenzen einer Ermessensentscheidung ‑ wie hier ‑ nicht überschritten wurden, gleichfalls nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann.

Da somit der angefochtenen Entscheidung die geltend gemachte offenbare Gesetzwidrigkeit nicht anhaftet, war der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.

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