OGH 1Ob24/84

OGH1Ob24/8426.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois E*****, vertreten durch Dr. Franz Wielander, Rechtsanwalt in Gmünd, wider die beklagte Partei Stadt Wien, vertreten durch Dr. Heinz Gerö, Rechtsanwalt in Wien, wegen 378.560 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 28. Mai 1984, GZ 14 R 99/84-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Jänner 1984, GZ 40 d Cg 554/81-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.948,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon 820,80 S Umsatzsteuer und 1.920 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger vermietete der H***** Gesellschaft m.b.H., die das Restaurant ***** im Wiener Prater betreibt, für die Zeit vom 1. 9. bis zum 4. 9. 1978 ein Bierzelt im Ausmaß von 32 mal 20 m samt Anbau. Das Zelt wurde auf der Zirkuswiese im Wiener Prater aufgestellt. Nach Ablauf der Mietdauer ersuchte die H***** Gesellschaft m.b.H. den Kläger, das Zelt noch ca 14 Tage auf seinem Aufstellungsort zu belassen, da es vielleicht noch für eine andere Veranstaltung gebraucht werde. Der Kläger war damit einverstanden. Es wurde vereinbart, dass das Zelt erst nach Verständigung durch die H***** Gesellschaft m.b.H. vom Kläger abgetragen wird. In der Folge befand sich das Zelt ungesichert auf seinem Standplatz. Der Kläger hatte Wilhelm F***** beauftragt, von Zeit zu Zeit nach dem Zelt zu sehen, was dieser auch in Abständen von zwei bis drei Tagen tat. Am 11. und 12. 9. 1978 herrschte in Wien stürmisches Wetter mit Wingeschwindigkeiten bis 100 km/h. Am 16. 9. 1978, einem Sonntag, stellte Ing. Karl S*****, der das Zelt bei seiner Errichtung auf seine Standfestigkeit geprüft hatte, fest, dass die Verbindungen zwischen den Dachbindern des Zeltes, die ein Gewicht von ca 30 kg hatten und sich in einer Höhe von 5 m befanden, teilweise ungesichert herabhingen; auch einige Zeltplanen hingen frei in der Luft. Beim Zelt hielten sich Kinder auf, die mit den losen Zeltplanen spielten. Da Ing. Karl S***** der Ansicht war, dass der Zustand des Zelts eine Gefahr bedeute, verständigte er den Eigentümer des Restaurants ***** und die Polizei. Die zuständige Polizeidienststelle alamierte die Feuerwehr, die um 13:20 Uhr am Einsatzort eintraf. Der Einsatzleiter stellte fest, dass die Holzkonstruktion des Zelts teilweise herunterhing, teilweise auf dem Boden lag, dass Planen lose waren und von Kindern zum Spielen benützt wurden. Der Einsatzleiter verständigte daraufhin den zuständigen Permanenzingenieur Dipl.-Ing. Karl K*****. Da das Zelt in seiner gesamten Länge durch den Wind bewegt wurde, gelangte Dipl.-Ing. Karl K***** zur Überzeugung, dass unmittelbare Einsturzgefahr und damit eine Gefahr für die Sicherheit dritter Personen bestehe. Er ordnete deshalb den Abbruch des Zeltes an. Der Abbruch wurde dergestalt durchgeführt, dass jene Planen, die schon lose waren, mit dem Messer heruntergeschnitten und die Befestigung der übrigen Planen gelöst wurde. Danach wurde an den labilsten Stellen beginnend die Holzkonstruktion abgetragen. Die Steher wurden händisch herausgehoben; beim Abbruch wurden teilweise auch Winden eingesetzt. Der Feuerwehreinsatz, an dem 16 Männer beteiligt waren, dauerte bis 16 Uhr. Die Firma H***** Gesellschaft m. b.H. wurde vom Abbruch des Zeltes verständigt; die Polizei versuchte auch den Kläger zu erreichen, was jedoch nicht gelang. Die abgetragenen Teile der Zeltkonstruktion wurden zunächst an Ort und Stelle belassen und am nächsten Tag von der Magistratsabteilung 42 in Verwahrung genommen.

Der Kläger begehrt, gestützt auf die Bestimmungen des AHG, den Betrag von 378.560 S sA. Er brachte vor, der Abbruch des Zeltes durch die Feuerwehr der Stadt Wien sei zu Unrecht erfolgt, da keine Einsturzgefahr bestanden habe; die Abbrucharbeiten seien darüber hinaus nicht sachgerecht vorgenommen worden, sodass ihm ein Schaden in der Höhe des Klagsbetrags erwachsen sei.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Es habe unmittelbare Einsturzgefahr bestanden, die Abbrucharbeiten seien sachgerecht ausgeführt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte fest: Bei der gegenständlichen Zeltkonstruktion habe der aussteifende Windverband an der Binderebene des ersten und letzten Hallenfelds, der die horizontal angreifenden Windkräfte über die Windböcke in den Erdboden leitet, gefehlt. Die Windstärken mit Spitzen bis zu 100 km/h hätten durch den fehlenden aussteifenden Windverband zu einer Lockerung der Erdanker geführt, wodurch eine Instabilität der gesamten Hallenkonstruktion hervorgerufen worden sei. Ein ordnungsgemäßer Abbruch des Zeltes bei optimalem Einsatz von 16 Mann würde fünf bis sechs Stunden erfordern. Unter dem Gesichtspunkt der Einsturzgefahr und der Gefährdung dritter Personen sei der Abbruch des Zeltes durch die Feuerwehr sach- und fachgerecht durchgeführt worden. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es sei dem Kläger nicht gelungen nachzuweisen, dass die von ihm behaupteten Schäden auf das fehlerhafte Verhalten von Organen der beklagten Partei zurückzuführen seien. Da die Organe der beklagten Partei zu Recht eine Gefahrensituation angenommen hätten und der Abbruch des Zeltes unter diesen Umständen mit der gebotenen Eile zu erfolgen hatte, sei das Klagebegehren mangels rechtswidrigen und schuldhaften Organverhaltens abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstrichters.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichts erhobenen Revision des Klägers kommt Berechtigung nicht zu.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die behauptete Aktenwidrigkeit hält der Senat nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

In rechtlicher Hinsicht gingen die Vorinstanzen zutreffend davon aus, dass die Abtragung des Zeltes durch die Feuerwehr der Stadt Wien im Rahmen der Hoheitsverwaltung erfolgte. Nach den getroffenen Feststellungen war die Zeltkonstruktion zufolge der Lockerung der Erdanker instabil geworden, sodass Einsturzgefahr bestand. Bei dieser Sachlage war es nicht rechtswidrig, wenn die Feuerwehr der Stadt Wien dazu schritt, das Zelt abzubauen, weil die bloße Sicherung der Umgebung durch Polizeikräfte keine Gewähr dafür geboten hätte, dass nicht doch Personen, insbesondere Kinder, die sich in der Nähe aufhielten, durch herabstürzende oder herumfliegende Teile zu Schaden kamen. Da der Kläger nicht erreichbar war, war der unverzügliche Abbruch des Zeltes geboten. Nach den auf das Gutachten des Sachverständigen Ing. Friedrich S***** gegründeten Feststellungen der Vorinstanzen erfolgte der Abbruch unter Bedachtnahme darauf, dass das Zelt bereits beschädigt war und Einsturzgefahr bestand, fachgerecht; Feststellungen, welchen Zeitaufwand die Abbrucharbeiten benötigten, sind nicht erforderlich. Es ist jedenfalls nicht erwiesen, dass es bei der Abtragung des Zeltes zu vermeidbaren Beschädigungen gekommen wäre. Demzufolge mangelt es aber an einem rechtswidrigen schuldhaften Verhalten von Organen der beklagten Partei, sodass der Revision der Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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