OGH 6Ob686/84

OGH6Ob686/8415.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Eheangelegenheit der Antragstellerin F***** E*****, vertreten durch Dr. Alois Heigl, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wider den Antragsgegner W***** E*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hoyer, Rechtsanwalt in Wels, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin, gegen den Beschluss des Kreisgerichts Wels als Rekursgericht vom 20. Juni 1984, AZ R 436/84‑50, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 13. April 1984, GZ F 2/83‑45, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0060OB00686.840.1115.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss, der in seinen Punkten 1 bis 3 und 7 als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird in seinen Punkten 4 bis 6 dahin abgeändert, dass er in diesem Umfang zu lauten hat:

„4.) Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von 400.000 S, und zwar einen Teilbetrag von 300.000 S bis 15. 10. 1984 und den Restbetrag von 100.000 S bis 31. 12. 1985 zu leisten und jene Beträge, die nicht bis einschließlich 15. 10. 1984 bezahlt worden sind, ab 16. 10. 1984 mit 4 % jährlich zu verzinsen.

5.) W***** E*****, geboren am *****, ist schuldig, nach urkundlichem Nachweis der Bezahlung des Teilbetrags von 300.000 S einzuwilligen, dass ohne sein weiteres Zutun, nicht aber auf seine Kosten auf der ihm gehörigen Hälfte der Liegenschaft EZ ***** KG ***** '*****' mit dem Grundstück Nr 1177/4 Acker, das Eigentumsrecht für F***** E*****, geboren am *****, einverleibt wird.

6.) Zur Besicherung der zweiten Rate der Ausgleichszahlung von 100.000 S samt 4 % Zinsen seit ***** wird die Verpfändung der Liegenschaft EZ ***** KG ***** '*****' mit dem Grundstück Nr 1177/4 Acker, angeordnet.

F***** E*****, geboren am *****, ist schuldig, einzuwilligen, dass gleichzeitig mit der Einverleibung ihres Eigentumsrechts auf dem dem W***** E*****, geboren am *****, gehörigen Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ ***** KG ***** '*****' mit dem Grundstück Nr 1177/4 Acker das Pfandrecht für die Forderung des W***** E*****, geboren am *****, im Betrag von 100.000 S samt 4 % Zinsen seit 16. 10. 1984 ohne ihre weitere Zustimmung, nicht jedoch auf ihre Kosten auf der vorgenannten Liegenschaft einverleibt wird.“

Die Verfahrenskosten aller drei Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Begründung

Die am 31. 1. 1959 geschlossene Ehe der Parteien wurde 25. 10. 1982 aus dem überwiegenden Verschulden des Antragsgegners geschieden. Der Ehe entstammen drei in den Jahren 1960 bis 1964 geborene Kinder. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin und allen drei Kindern Unterhalt zu leisten, und zwar seiner Ehegattin monatlich 3.000 S, seinem Sohn 2.500 S und seinen beiden Töchtern 1.500 S bzw 1.000 S jeweils im Monat.

Die Antragstellerin begehrte die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens derart, dass ihr das beiden gemeinsam gehörige Haus in *****, ins Alleineigentum zugewiesen werde, und erbot sich gleichzeitig zu einer Ausgleichszahlung von höchstens 300.000 S.

Der Antragsgegner sprach sich gegen diesen Aufteilungsvorschlag aus und beantragte die Zivilteilung des gemeinsamen Grundbesitzes.

Das Erstgericht übertrug die Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit dem Grundstück ***** (Einfamilienhaus in *****) samt dem darauf befindlichen Inventar – mit Ausnahme einzelner Gegenstände – ins Alleineigentum der Antragstellerin, wies dem Antragsgegner bestimmte, namentlich angeführte Hausratsgegenstände, den PKW Audi 80 L, ein Sparguthaben von 141.076 S (bei der Sparkasse Wels) sowie das am 21. 10. 1982 vorhanden gewesene Guthaben auf seinem Gehaltskonto von 25.101,20 S zu und verpflichtete die Antragstellerin zu einer am 15. 10. 1984 fälligen Ausgleichszahlung von 300.000 S an den Antragsgegner. Es stellte – soweit für die Erledigung des Revisionsrekurses bedeutsam – fest, dass beide Teile bei der Ehescheidung Ersparnisse von je etwa 40.000 S angesammelt hatten; in der Folge kauften sie einen 767 m² großen Baugrund, auf dem sie ein Einfamilienhaus errichten wollten. Zunächst wohnten sie allerdings bei einer Tante des Antragsgegners, die ihnen ihr Anwesen später ins Miteigentum übertrug. Mit ihrer Zustimmung verkauften die Eheleute diese Liegenschaft um 63.000 S. In den Jahren 1960/61 erbauten sie das geplante Einfamilienhaus, das sie bereits Ende 1961 bezogen. Die Fertigstellung des Hauses dauerte allerdings noch etwa 10 Jahre. Nur den Rohbau ließen sie von einem Baumeister aufführen, alle übrigen Arbeiten verrichteten sie selbst mit Hilfe von Verwandten beider Seiten. Beim Hausbau nahmen die Parteien im Wesentlichen keinen Kredit in Anspruch. Die Einkünfte der Familie beschränkten sich auf die Bezüge des Antragsgegners als ÖBB‑Bediensteten; die Antragstellerin hatte im Einvernehmen mit ihm ihre Stellung als Krankenhaushelferin aufgegeben, um sich dem Haushalt und den Kindern zu widmen. Am 16. 11. 1982 zog der Antragsgegner in eine bahneigene Unterkunft. Die Antragstellerin ist schwer krank: Neben Lebergewebeschäden und einer starken Kopfschmerzen verursachenden Halswirbelsäulenverbildung leidet sie auch an Krebsgeschwülsten in den Brüsten derentwegen sie in den letzten 15 Jahren bereits vier Mal operiert werden musste. Außerdem musste sie sich einem Unterleibseingriff unterziehen und neigt zu nervösen Erschöpfungszuständen. Nach dem Auszug des Antragsgegners verblieben der Hausrat und weitere Fahrnisse im Haus, die bei der Scheidung insgesamt einen Zeitwert von 78.060 S aufwiesen; darunter befinden sich allerdings drei den Kindern gehörige Schreibmaschinen im Wert von insgesamt 2.850 S. Die Liegenschaft hatte im Scheidungszeitpunkt einen „Sachwert“ von 1.569.030 S; davon nahm der Sachverständige Abschläge von 15 % wegen der ungünstigen Verhältnisse auf dem Immobilienmarkt und von 10 % „aufgrund Eigentumsgemeinschaft“ vor und gelangte so zu einem Verkehrswert von 1.177.000 S.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, mit der Zuweisung der Liegenschaft an die Antragstellerin als den schwächeren, weil schwer kranken und erwerbsunfähigen Teil sei gewährleistet, dass sie in ihrer gewohnten Umgebung verbleiben könne. Der Antragsgegner erhalte zwar nicht den „halben Wert“ der Liegenschaft und der Fahrnisse, doch sei er imstande, sich noch etwas zu schaffen.

Das Gericht zweiter Instanz erhöhte in Stattgebung des Rekurses des Antragsgegners die Ausgleichszahlung auf 500.000 S, verpflichtete die Antragstellerin zur Zahlung von 300.000 S bis 15. 10. 1984 und von 200.000 S bis 31. 12. 1985 sowie zur Verzinsung der am 15.10.1984 aushaftenden Beträge mit 4 % ab dem darauf folgenden Tag und ordnete zur Besicherung der zweiten Rate die Verpfändung der Liegenschaft durch die Antragstellerin an. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, und führte in rechtlicher Hinsicht – soweit noch bedeutsam – aus, der vom Erstgericht mit dem Sachverständigen vorgenommene Abschlag von 10 % vom Sachwert infolge „Miteigentumserschwernis“ sei nicht gerechtfertigt, weil die Liegenschaft der Antragstellerin ohnehin ins Alleineigentum übertragen werde und sie deshalb von den mit der Eigentumsgemeinschaft verbundenen Erschwernissen nicht mehr betroffen sei. Im Übrigen lasse die Aufteilung nach Billigkeit die Möglichkeit offen, dass ein Ehegatte dem Werte nach einen größeren Vermögensanteil erhalte. Doch dürfe die Ausgleichszahlung nicht weit unter der Hälfte der vorhandenen Vermögenswerte festgesetzt werden. Beide Teile hätten in etwa gleicher Weise zum Erwerb des gemeinsamen Vermögens beigetragen; der schweren Erkrankung der Antragstellerin stehe die drückende Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners gegenüber. Dementsprechend sei die Ausgleichszahlung mit 500.000 S zu bemessen; zu einer höheren Leistung könne die Antragstellerin als der wirtschaftlich schwächere Teil nicht verhalten werden, weil sie dann nicht mehr wohl bestehen könnte. Die Erhöhung der Ausgleichszahlung in diesem Ausmaß müsse die Antragstellerin jedoch verkraften können. Die Liegenschaft sei unbelastet. Da die Antragstellerin das Haus ihren Kindern erhalten wolle, könne diesen eine entsprechende finanzielle Unterstützung ihrer Mutter zugemutet werden. Überdies sei zu bedenken, dass sich der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin bei Wegfall der Alimentationsverpflichtungen des Antragsgegners für die drei Kinder merklich erhöhen werde. Die Stundung eines Teils der Ausgleichszahlung sei dem Antragsgegner zuzumuten, weil er bereits mit der ersten Rate eine Wohnung einrichten könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Antragstellerin, mit welchem sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses – vor allem die Bemessung der Ausgleichszahlung mit 300.000 S – anstrebt, ist nur teilweise gerechtfertigt.

Zutreffend hat das Rekursgericht den vom Sachverständigen vorgenommenen Abschlag wegen Eigentumsgemeinschaft aus der Verkehrswertermittlung ausgeschaltet, weil das Miteigentum durch die nicht mehr bekämpfte Art der Vermögensaufteilung – nämlich der Überlassung der gemeinsamen Liegenschaft ins Alleineigentum der Antragstellerin – ohnehin beseitigt und die Antragstellerin daher in Hinkunft durch die Eigentumsgemeinschaft nicht mehr belastet sein wird. Dass sie das Haus ihren Kindern erhalten will und nicht beabsichtigt, es zu veräußern, kann daran nichts ändern.

Der Antragstellerin ist jedoch zuzugeben, dass die vom Rekursgericht bestimmte Ausgleichszahlung – soll es zu der dem Gesetz unerwünschten Veräußerung des gemeinsam geschaffenen Vermögens aus dem Besitz beider Ehegatten nicht kommen – die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin übersteigt. Das ist deshalb zu berücksichtigen, weil jede Zahlungsverpflichtung eines der früheren Ehegatten, die ihn in seiner neuen wirtschaftlichen Lage nicht wohl bestehen ließe, der nach § 94 Abs 1 EheG zu beachtenden Billigkeit widerspräche (EFSlg 41.423; vgl auch EvBl 1981/71, S 237 ua). Wenn auch jener Ehegatte, der die Übernahme eines Vermögenswerts anstrebt, seine Kräfte weitgehend anspannen muss und ihm auch die äußerste Einschränkung der Lebensbedürfnisse unterstellt werden darf (6 Ob 760/83 ua), muss doch eine dem Ausgleichspflichtigen durchaus zumutbare Kreditaufnahme im Rahmen jener Mittel bleiben, die er bei äußerster Anspannung seiner Kräfte gerade noch aufbringen kann (vgl EFSlg 41.423 ua).

Die Antragstellerin hat selbst vorgebracht, sie sei infolge Unterstützung durch Verwandte in der Lage, einen Betrag von etwa 300.000 S aufzubringen; weitere Verpflichtungen sprengten den Rahmen ihres finanziellen Leistungsvermögens. Da sie schwer krank und deshalb erwerbsunfähig ist, ist sie auf den (geringen) Unterhalt angewiesen, den ihr der Antragsgegner zu erbringen hat. Wegen der Alimentationsverpflichtung seinen drei in Ausbildung stehenden volljährigen Kindern gegenüber wäre er zu weiteren Unterhaltsleistungen an die Antragstellerin auch nicht imstande. Da es sich bei der in Rede stehenden Liegenschaft um ein Einfamilienhaus auf einem Gartengrundstück handelt, könnte sich auch nicht teilweise einer kommerziellen Verwertung zugeführt werden. Das Haus dient vielmehr dem Wohnbedürfnis der Antragstellerin (und ihrer drei Kinder). Das Rekursgericht hat aber zutreffend darauf hingewiesen, dass wenigstens die beiden Töchter bereits selbsterhaltungsfähig sind oder doch jedenfalls in nächster Zukunft sein werden, sodass dann die Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners ihnen gegenüber wegfallen wird; in diesem Fall wird die Antragstellerin auf die Erhöhung der ihr zu leistenden Unterhaltsbeträge dringen können und sodann in der Lage sein, Mittel für Kreditrückzahlungsraten abzuzweigen.

Wird einerseits berücksichtigt, dass der Antragsgegner in gleicher Weise zur Anschaffung der nun aufzuteilenden Vermögenswerte beigetragen hat, zum andern aber auch die geringe finanzielle Leistungsfähigkeit der Antragstellerin gehörig Bedacht genommen, so erscheint eine Ausgleichszahlung von 400.000 S gerechtfertigt. Damit wird sowohl der Forderung, dass der Beitrag des Antragsgegners zum gemeinsamen Vermögen und der ihm hievon zugewiesene Gesamtanteil nicht allzuweit auseinanderklaffen, als auch dem Leistungsvermögen der Antragstellerin gebührend Rechnung getragen. Das entspricht auch der nach § 94 Abs 1 EheG bei der Bestimmung der Ausgleichszahlung zu beachten den Billigkeit und dem daraus abzuleitenden Grundsatz, dass für beide Teile eine angemessene wirtschaftliche Grundlage bei nunmehr getrennter Lebensführung erhalten bleiben soll (6 Ob 760/83 ua). Da sich die Antragstellerin selbst zu einer Zahlung von 300.000 S bis 31. 12. 1983 erboten hat (AS 77), ist nur der restliche Betrag von 100.000 S angemessen zu stunden; dabei kann es bei der vom Rekursgericht angeordneten Fälligkeit am 31. 12. 1985 aus den von diesen angestellten Erwägungen verbleiben. Die Antragstellerin bekämpft zwar auch die Besicherung der zweiten Rate der Ausgleichszahlung durch Verpfändung der Liegenschaft, doch hat sie die Rechtsrüge in diesem Belange nicht näher ausgeführt. Gegen die angeordnete Sicherstellung bestehen angesichts der weit hinausgeschobenen Fälligkeit auch keine Bedenken.

Bei dieser Art der Aufteilung, bei der im Ergebnis dem Standpunkt beider Parteien gleichermaßen Rechnung getragen wird, erscheint es gerechtfertigt, die Kosten des gesamten Verfahrens gegeneinander aufzuheben.

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