Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und festgestellt:
Das Oberlandesgericht Linz hat im Berufungsverfahren 7 Bs 368/82 infolge der Wirksamkeit des ausgeschlossenen Jugendschöffen Karl C bei der Verhandlung und Entscheidung die Bestimmung des § 68 Abs. 1 Z. 1 StPO verletzt.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Text
Gründe:
I.
Anna A, geboren am 4. März 1950, ist die uneheliche Mutter des am 23. Dezember 1967 geborenen Karl D. Mit dem rechtskräftigen Beschluß des Bezirksgerichts Perg vom 15. September 1980, GZ. P 13/69-73, wurde sie verpflichtet, für dieses Kind - das sich in Pflege und Erziehung der Großeltern Karl und Katharina D befindet - ab dem 1. September 1979 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 500 S zu leisten (S 73 in 26 E Vr 576/82 des Landesgerichts Linz). Dem außerehelichen Kindesvater wurde ab dem 1. Juni 1980 eine monatliche Unterhaltsleistung von 1.500 S auferlegt (ON 27 S 145 der Akten 26 E Vr 576/82 des Landesgerichts Linz).
Mit dem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Linz vom 6. April 1982, GZ. 26 E Vr 576/82-14, wurde Anna A - abgesehen von hier nicht zu erörternden Schuldsprüchen wegen anderer strafbarer Handlungen - wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB.
verurteilt (II des Schuldspruchs). Dieses Vergehens als Gehilfe (§ 12, dritter Fall, StGB.) - und anderer, hier ebenfalls nicht zu behandelnder Delikte - wurde im selben Urteil auch der Ehegatte Anna AS, Alfred A, schuldig erkannt (V). Darnach lag Anna A als gröbliche Verletzung ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihrem außerehelichen Sohn Karl D zur Last, daß sie seit August 1981 keine Unterhaltszahlungen leistete und es unterließ, einem geregelten Erwerb nachzugehen, der ihr die Erfüllung der Unterhaltspflicht ermöglicht hätte. Alfred A wurde als Beihilfe angelastet, daß er seine Gattin in ihrem Entschluß, keinen Unterhalt zu leisten und deshalb keinem geregelten Erwerb nachzugehen, bestärkte und sie von der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse und dem Finanzamt als nicht mehr beschäftigt abmeldete, um eine exekutive Durchsetzbarkeit des Unterhaltsanspruchs des minderjährigen Karl D hintanzuhalten. über die von beiden Angeklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufungen erkannte das Oberlandesgericht Linz mit dem Urteil vom 21. Februar 1983, AZ. 7 Bs 368/82, nach Neudurchführung des Beweisverfahrens dahin zu Recht, daß es u.a. den Schuldberufungen in bezug auf die Fakten II und V wegen des Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB. Folge gab, das Ersturteil insoweit und in den Strafaussprüchen aufhob und im Umfang dieser Aufhebung in der Sache selbst dahin erkannte, daß Anna und Alfred A von der Anklage des Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB. gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen wurden. Für die verbliebenen Schuldsprüche wurden die Strafen neu bemessen.
II.
Rechtliche Beurteilung
Das Verfahren vor dem Berufungsgericht steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. An der Verhandlung und Entscheidung hat sich nämlich ein ausgeschlossener Richter beteiligt (§ 68 Abs. 1 Z. 1, zweiter Fall, StPO.):
Der dem Berufungssenat als Jugendschöffe angehörende Karl C (ON. 25 S. 113, ON. 27 S. 131 der Akten 26 E Vr 576/82 des Landesgerichts Linz) war im Verfahren erster Instanz als Zeuge vernommen worden (ON. 13 S. 50,51ebendort).
Diese Verletzung des § 68 Abs. 1 Z. 1 StPO. war festzustellen. Ein dadurch den beiden Angeklagten erwachsener - unter dem Gesichtspunkt des § 292 StPO. bedeutsamer - Nachteil ist nicht erkennbar. Die Angeklagten und der Verteidiger der Anna A, die sowohl bei der Zeugenvernehmung des späteren Jugendschöffen in erster Instanz als auch in der Berufungsverhandlung anwesend waren, haben gegen die Beteiligung des ausgeschlossenen Richters nichts eingewendet. Es ist daher anzunehmen, daß sich die Angeklagten in Kenntnis der zwar absolute, indes heilbare Nichtigkeit gemäß §§ 489 Abs. 1, 468 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2, 281 Abs. 1 Z. 1, letzter Halbsatz, StPO.
begründenden Mitwirkung des Schöffen C in die Verhandlung
eingelassen haben.
III.
Die zum Freispruch der Anna A und des Alfred A vom Anklagevorwurf der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB. (bzw. der Beihilfe) gelangende Berufungsentscheidung beruht auf einer teilweise unrichtigen Gesetzesauslegung und ist zugleich mit Feststellungsmängeln behaftet.
Das Berufungsgericht verneinte nämlich die Strafbarkeit des Verhaltens der beiden Angeklagten, weil seiner Ansicht nach die Verletzung der Unterhaltspflicht nicht zu einer Gefährdung des Minderjährigen geführt hätte.
Beim 'summarisch betrachteten' Umfang der dem Unterhaltsberechtigten seitens seines Vaters monatlich zukommenden Unterhaltsleistungen von 1.500 S sowie des ihm - wie das Berufungsgericht folgerte - von den Großeltern in natura (durch Wohnmöglichkeit, Essen und dergleichen) gewährten Unterhalts könne nicht gesagt werden, daß durch die Nichtleistung des der Angeklagten Anna A auferlegten monatlichen Unterhaltsbetrags von 500 S der Unterhalt des Berechtigten insgesamt gefährdet wäre. Durch den Entgang dieses Betrags sei der Minderjährige in seinen Bedürfnissen nur geringfügig eingeschränkt. Es trifft zwar zu, daß § 198 Abs. 1 StGB. ein Gefährdungsdelikt ist, das die konkrete Gefahr für den Lebensbedarf oder (und) für die Erziehung des Unterhaltsberechtigten infolge der gröblichen Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht als Erfolg vertatbestandlicht; daß die Gefährdung durch Hilfe von anderer Seite verhindert wird, erklärt das Gesetz als unerheblich. Soweit also das Berufungsgericht eine Gefährdung wegen des dem Kind von seinen Großeltern gewährten Naturalunterhalts ausschloß, verkannte es, daß es sich gerade hiebei um die Hilfe von anderer Seite handelt.
Es ging allerdings weder das Landesgericht Linz noch das Berufungsgericht auf die im Verhalten der mütterlichen Großeltern (der Eltern der Anna A) liegende besondere Fallkonstellation ein, zumal die Großeltern von Geburt an die Elternrechte an ihrem (unehelich geborenen) Enkelkind arrogiert haben. Wie sich aus dem vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Pflegschaftsakt P 13/69 des Bezirksgerichts Perg ergibt, könnte vor allem der Großvater schon frühzeitig in diesem Kind seinen Hoferben gesehen und den Knaben deshalb dem Einfluß der (im Unfrieden aus dem elterlichen Betrieb ausgeschiedenen) Kindesmutter entzogen haben. Tatsächlich haben die Großeltern bis 1. Februar 1979 an ihre Tochter keine Unterhaltsansprüche gestellt, die Kindesmutter wurde vielmehr zum Vormund ihres Kindes bestellt und nur der Kindesvater zur Unterhaltszahlung herangezogen. Erst als sich Anna A vehement um die übernahme des Sorgerechts bemühte, wurde - auch über Betreiben des Pflegschaftsrichters (ON. 42 und S. 150 des Pflegschaftsakts) - die Frage der Unterhaltsleistung durch die Mutter aktualisiert, schließlich das Bezirksjugendamt Perg zum besonderen Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche bestellt und der Unterhaltsbeitrag mit monatlich 500 S festgesetzt (ON. 43, 44 des Pflegschaftsakts).
Bei der gegebenen Sachlage, wonach die Großeltern mit allen Mitteln das Sorge- und Erziehungsrecht für sich in Anspruch nahmen, das Kind voll in ihrem Haushalt integrierten und aufzogen und nach der Verantwortung der Angeklagten auch niemals ausdrücklich einen Unterhalt verlangten (allerdings darauf auch nicht verzichteten - S. 49 der Vr-Akten), wären Feststellungen darüber erforderlich gewesen, aus welchen Motiven die Großeltern für die Versorgung ihres Enkelkinds - neben den Leistungen des Kindesvaters - aufgekommen sind.
Sollte dies (auch) in der Absicht geschehen sein, die Leistungspflicht ihrer Tochter zu übernehmen oder eine derartige Intention wenigstens schlüssig der Anna A gegenüber zum Ausdruck gebracht worden sein, könnten entscheidungswesentliche Umstände vorliegen. Diese könnten unbeschadet der zivilgerichtlichen Entscheidungen (§ 5 Abs. 2 StPO.) und einer einschlägigen Vorverurteilung - auch unter Berücksichtigung eines allfälligen Rechtsirrtums im Sinn des § 9 StGB. - geeignet sein, einen Freispruch der Anna A vom Vorwurf nach § 198 Abs. 1 StGB. zu bewirken (EvBl. 1965/158, 1970/51;
RZ 1974/103; 13 Os 167/74, 13 Os 3/75).
Da dem Obersten Gerichtshof eine Urteilsaufhebung zum Nachteil der beiden Angeklagten verwehrt ist (§ 292 StPO.), die getroffenen Feststellungen aber - wie aufgezeigt - eine umfassende strafrechtliche Beurteilung des Falls nicht zulassen, war die Beschwerde insoweit zu verwerfen.
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