OGH 11Os138/84

OGH11Os138/847.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.November 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schiller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Friedrich S*** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 3 StGB über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15.Juni 1984, GZ 3 b Vr 4.027/83-128, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, des Angeklagten Friedrich A und des Verteidigers Dr. Maria Oehlzand zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil in der rechtlichen Beurteilung der dem Angeklagten angelasteten Taten und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Friedrich A hat durch die zu 1) und 2) des unberührt gebliebenen Schuldspruches angeführten Taten das Verbrechen des schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 3 StGB (zu Pkt. 1 als Beteiligter nach dem § 12, dritter Fall, StGB) begangen und wird hiefür nach dem § 147 Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 (achtzehn) Monaten verurteilt.

Der Kostenausspruch wird aus dem Ersturteil übernommen. Gemäß dem § 38 StGB wird die Vorhaft in der Zeit vom 28.November 1981, 15,30 Uhr, bis zum 29.November 1981, 13,00 Uhr, sowie vom 19. April 1984, 8,30 Uhr, bis zum 15.Juni 1984, 12,10 Uhr, auf die Strafe angerechnet.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des weiteren Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.Feber 1942 geborene beschäftigungslose Friedrich A schuldig erkannt, 1) am 28.Oktober 1980 in Gänserndorf zur Ausführung des Betruges des Peter B, der mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der C D E F durch Vorgabe eines Diebstahls seines PKWs Marke Mercedes 200 D, mithin durch Täuschung über Tatsachen, zur Auszahlung von 146.000 S verleitete, wodurch die genannte Versicherungsanstalt an ihrem Vermögen um einen Betrag von 116.269 S geschädigt wurde, beigetragen zu haben, indem er den erwähnten PKW auf einem Feldweg abstellte und anzündete und 2) am 20. Juni 1983 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der G Tankstelle Wien 21, Brünnerstr. 64, durch die Vorgabe, noch am selben Tag von ihm bezogenes Benzin und Motoröl zu bezahlen, zur Ausfolgung von Treibstoff (und Motoröl) im Gesamtwert von 412,20 S verleitet zu haben, wodurch die Verfügungsberechtigten der genannten Tankstelle an ihrem Vermögen (um diesen Betrag) geschädigt wurden, und hiedurch zu 1) das Verbrechen des schweren Betruges als Beteiligter nach den § 12 (3. Täterschaftsform), 146, 147

Abs. 3 StGB und zu 2) das Vergehen des Betruges nach dem § 146 StGB begangen zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil leidet im Ausspruch über die rechtliche Unterstellung der Taten an einer Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO, welche vom Angeklagten in seiner Nichtigkeitsbeschwerde nicht geltend gemacht wurde, jedoch gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen ist:

Da nämlich die Höhe der Strafdrohung beim Betrug von der ziffernmäßig bestimmten Höhe des vom Täter verursachten oder von seinem Vorsatz erfaßten Schadens abhängt, ist gemäß dem § 29 StGB bei Begehung mehrerer Straftaten solcher Art durch ein- und denselben Täter die Summe der Schadensbeträge maßgebend (vgl. insb. EvBl. 1976/173); auf die Art der Beteiligung an den einzelnen ihrem Wesen nach gleichartigen Angriffen kommt es hiebei nicht an. Insoweit sind alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten gleichartigen Straftaten, mögen sie auch weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen, rechtlich als Einheit zu beurteilen. Die getrennte Annahme eines Vergehens neben einem Verbrechen eben dieses Deliktstyps ist daher unzulässig (vgl. Mayerhofer-Rieder 2 EGr. 5 zu § 29 StGB sowie EvBl. 1983/78). Ein Verstoß solcher Art gegen das Zusammenrechnungsprinzip des § 29 StGB begründet Urteilsnichtigkeit im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO (Mayerhofer-Rieder, EGr. 22 zu letzterwähnter Gesetzesstelle).

Daher war das gegenständliche, den Angeklagten sowohl des Verbrechens des schweren Betruges als auch des Vergehens des Betruges schuldig erkennende Urteil im erwähnten Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der Tat (und demzufolge auch im Strafausspruch) gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten von Amts wegen aufzuheben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst wie im Spruch zu erkennen.

Gleichzeitig war - in Ergänzung des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung des auch insoweit (im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 11 StPO) nichtigen Urteiles des Erstgerichtes - auf die verhängte Strafe die Vorhaft in der Dauer vom 19.April 1984, 8,30 Uhr (siehe ON 69), bis 20.April 1984, 8,15 Uhr, zusätzlich anzurechnen. Bei der demnach erforderlichen Strafneubemessung konnte von den in erster Instanz richtig und vollzählig festgestellten Strafzumessungsgründen ausgegangen werden.

Besonders zu beachten war aber, daß das Verbot der reformatio in peius (§ 293 Abs. 3 StPO) - das Urteil des ersten Rechtsganges war von der Staatsanwaltschaft nicht bekämpft worden - nur deshalb nicht gilt, weil der Schuldspruch im zweiten Rechtsgang auch ein neu hinzugetretenes Faktum umfaßt.

Die Straferhöhungsmöglichkeit findet in solchen Fällen nicht nur im Höchstmaß der konkret zur Anwendung gelangenden Strafnorm, sondern auch in der Summe aus der im früheren Rechtsgang verhängten Strafe und jener Sanktion ihre Grenze, die bei getrennter Behandlung wegen des neu hinzugetretenen Deliktes ausgesprochen hätte werden können. Andernfalls wäre der Verfolgte durch die grundsätzlich gebotene Einbeziehung des neuen Faktums in das alte Verfahren (§ 56 StPO) schlechter gestellt als bei einer - den Ausnahmefall bildenden - getrennten Verfahrensführung (§ 31 Abs. 1 Satz 2 StGB). Auf den vorliegenden Fall angewendet, bedeutet dies, daß das Erstgericht (auch) mit dem Ausspruch einer Freiheitsstrafe von 2 3/4 Jahren das Gesetz verletzte (§ 281 Abs. 1 Z 11 StPO), weil damit die zulässige Strafobergrenze von 2 1/4 Jahren - gebildet aus der im ersten Rechtsgang ausgesprochenen Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten zuzüglich der höchstmöglichen Strafsanktion bei getrennter Beurteilung des neuen Faktums (§ 146 StGB unter Berücksichtigung der möglichen Strafschärfung nach dem § 39 StGB, somit neun Monate) - überschritten wurde. (Für das Berufungsbegehren der Staatsanwaltschaft blieb daher bei der gegebenen Sachlage von vornherein kein Raum.) Unter diesem Aspekt und bei Berücksichtigung des Umstandes, daß es sich bei dem neu hinzugetretenen Betrugsfaktum um eine (objektiv) geringfügige Verfehlung handelt, wobei der dadurch verursachte Schaden bereits zur Gänze gutgemacht wurde, erscheint eine härtere als die im ersten Rechtsgang ausgesprochene Strafsanktion nicht erforderlich. Eine Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten reicht aus, den Unrechts- und Schuldgehalt der nunmehr zur Aburteilung gelangten Taten voll zu erfassen. Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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