Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und das Ausmaß der (nach dem Suchtgiftgesetz) verhängten Freiheitsstrafe auf zweieinhalb Jahre herabgesetzt.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 18.Dezember 1959 geborene Sonja A des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SGG (Punkt 1 des Urteilssatzes), des Vergehens nach dem § 16 Abs 1 Z 2, dritter und vierter Fall, SGG (Punkt 2 des Urteilssatzes), des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach den § 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (Punkt 3 des Urteilssatzes) und des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 15 Abs 1 StGB (Punkt 4 des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Ihr liegt zur Last, in Linz 1./ in der Zeit vom 26.Oktober bis 15.November 1983 durch den Verkauf von ungefähr 20 Gramm gestrecktem Heroin in Einzelmengen zu ungefähr je 0,1 Gramm an Anton B, Bianca C und zahlreiche unbekannte Personen vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen in Verkehr gesetzt zu haben, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte;
2./ in der Zeit vom 26.Oktober bis 15.November 1983 unberechtigt Suchtgift, nämlich für den täglichen Konsum bestimmtes Heroin in einer Gesamtmenge von ungefähr 10 Gramm, erworben und besessen zu haben;
3./ durch die zu 1./ und 2./ angeführten Handlungen vorsätzlich Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen worden ist, an sich gebracht und teils auch verhandelt zu haben, wobei es ihr im letzteren Fall darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;
4./ mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich und Anton B unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Allgemeinen D Linz durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über die Verfügungsberechtigung für das Pensionskonto der Maria E, zu Handlungen, nämlich zur Auszahlung von Bargeldbeträgen, verleitet und zu verleiten versucht zu haben, welche das genannte Kreditinstitut an seinem Vermögen schädigten bzw. schädigen sollten, indem sie zur Täuschung falsche Urkunden, nämlich Behebungsbelege mit der nachgemachten Unterschrift der Maria E, benützte:
I./ am 8.November 1983 bei der Hauptanstalt auf der Promenade zur Auszahlung von 15.000 S, II./ am 16.November 1983 bei der Zweigstelle in der Mozartstraße zur Auszahlung von 17.000 S, wobei die Tat beim Versuch blieb.
Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte Sonja A mit ihrer auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich der Sache nach nur gegen die Schuldsprüche nach dem Suchtgiftgesetz und nach dem Finanzstrafgesetz richtet, jenen wegen Betruges aber unangefochten läßt.
Rechtliche Beurteilung
Die aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund erhobene Verfahrensrüge wendet sich gegen die Ablehnung der Anträge des Verteidigers auf Vernehmung der Zeugen Günther F und Manfred G.
Nach dem Vorbringen anläßlich der Antragstellung sollte die Aussage des Zeugen Günther F zunächst dem Nachweis dienen, daß Anton B bei einem Gespräch 'freiwillig und ohne Druck' von seinen die Angeklagte belastenden Behauptungen abrückte (S 220). Dieses Beweisthema konnte das Erstgericht mit Recht als belanglos ansehen, weil es dem Beschwerdestandpunkt zuwider keineswegs eine 'Unfreiwilligkeit' der Darstellungsänderung durch den Zeugen B, sondern vielmehr bloß allgemein eine diesbezügliche Beeinflussung dieses Zeugen annahm. Wohl zog der Schöffensenat auch die allfällige Wirksamkeit eines Drucks auf B in Erwägung, ließ die Frage jedoch schließlich offen (S 239) und beurteilte nach unmittelbarer Vernehmung des genannten Zeugen die Glaubwürdigkeit der unterschiedlichen Aussagen völlig unabhängig von der Möglichkeit einer wirksam gewordenen Pression anhand des Aussageinhaltes einschließlich der für die Divergenzen gegebenen Erklärungen sowie unter Einbeziehung mehrerer weiterer Verfahrensergebnisse (S 233 ff).
Die demgemäß auf anderer Tatsachengrundlage gewonnene überzeugung von der Unrichtigkeit des Widerrufes belastender Angaben hätte auch durch den positiven Nachweis, daß der Zeuge eine der Widerrufserklärungen ohne Zwang abgab, keine önderung erfahren können, weshalb durch die begehrte Beweisaufnahme für die Angeklagte insoweit nichts zu gewinnen war. Gleiches gilt für das weitere Verlangen, den Zeugen Günther F sowie seinen Bruder Manfred F zwecks Entkräftung des Vorwurfes zu vernehmen, daß die Angeklagte Heroin besessen und damit Handel getrieben habe. Denn nach den Angaben der Angeklagten war ihr Kontakt zu den beiden genannten Männern so gestaltet, daß ihr der Suchtgiftkonsum zur Gänze verborgen blieb (S 217). Das Schöffengericht durfte daher ohne Verletzung von Verteidigungsrechten davon ausgehen, daß Angaben der Brüder F, wonach umgekehrt auch ihnen ein Umgang der Angeklagten mit Heroin nicht aufgefallen wäre, wegen der eingeschränkten gegenseitigen Beobachtungsmöglichkeit keine entlastende Wirkung haben könnten; dies umsomehr, als aus Anlaß der Antragstellung in der Hauptverhandlung nicht dargetan wurde, aus welchen Gründen die bezüglichen Wahrnehmungsbereiche der Angeklagten einerseits und der beiden Zeugen andererseits in den für das Beweisthema relevanten Belangen unterschiedlich ausgeprägt gewesen sein sollten. Auch die als Nichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ins Treffen geführten Begründungsmängel sind nicht gegeben:
Die erstgerichtliche Annahme, daß die Angeklagte sich täglich ein Quantum Heroin verschaffte, davon einen Teil konsumierte und den Rest mit Gewinn weiterverkaufte, widerspricht keineswegs der Lebenserfahrung, sondern deckt sich vielmehr mit einem in der Suchtgiftkriminalität häufig anzutreffenden Verhaltensmuster. Durch die willkürliche Unterstellung der Beschwerdeführerin, daß ihre Suchtgiftabhängigkeit zum Eigenverbrauch des gesamten Heroins hätte führen müssen, wird demgemäß kein Umstand aufgezeigt, der zufolge Atypizität der konstatierten Sachlage noch weitergehende Erörterungen des Schöffengerichtes erforderte. Aus den Tatsachen, daß die am 16.November 1983
bei einem Betrugsversuch (Punkt 4/II/ des Urteilssatzes) festgenommene Angeklagte weder Geld noch Heroin bei sich trug und auch eine am 28.November 1983 in ihrer Wohnung vorgenommene Hausdurchsuchung erfolglos verlief, kann keine Unvereinbarkeit mit den Konstatierungen über den von der Angeklagten bis zum 15.November 1983 betriebenen Heroinhandel abgeleitet werden, sodaß die Urteilsgründe darauf nicht eingehen mußten. Die unter Verwertung des persönlichen Eindrucks des Erstgerichtes vorgenommene Würdigung der Aussage der Zeugin Bianca C läßt die hiezu eingewendete unzureichende Begründung nicht erkennen. Abgesehen davon, daß sich nicht alle in der direkten Konfrontation für die Vermittlung der überzeugung von der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit eines Zeugen maßgeblichen Einzelumstände restlos analysieren und in Worte fassen lassen, übergeht die Beschwerdeführerin bei ihrem Vorwurf jene Entscheidungsgründe, denen zufolge die Aussage der Zeugin C hauptsächlich wegen eindeutiger gegenteiliger Angaben des Zeugen B als unrichtig anzusehen ist (S 238).
Mit dem Inhalt eines bloß der Klärung der Zurechnungsfähigkeit sowie der Haftfähigkeit dienenden amtsärztlichen Befundes vom 16.November 1983 (siehe S 65, 67), in welchem mehrere 'nicht ganz frische' Einstiche am linken Handrücken und Unterarm der Angeklagten erwähnt wurden, hätte sich das Erstgericht auch dann nicht näher befassen müssen, wenn der Befund in der Hauptverhandlung verlesen worden wäre und Gegenstand einer prozeßordnungsmäßigen Rüge wegen Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe sein könnte. Einerseits war die lückenlose Erfassung sowie genaue zeitliche Einordnung aller Injektionsspuren kein Gegenstand der damaligen Untersuchung und andererseits behauptete die Angeklagte ohnedies, sich im maßgeblichen Zeitraum zwischen 26.Oktober und 15.November 1983 Beruhigungsmittel injiziert zu haben (S 216), womit sie auch Einstiche zu erklären versuchte, die als frisch bezeichnet wurden (S 144). Der erwähnte Befund wäre somit keine erörterungsbedürftige Grundlage für die ohne Berücksichtigung dieser Verantwortung reklamierte Schlußfolgerung, daß die Angeklagte sich in den Tagen vor der amtsärztlichen Untersuchung keine Spritzen verabreicht habe. Schließlich erweist sich auch die unter Heranziehung des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG erhobene Rüge, in welcher das Fehlen von Konstatierungen über die subjektive Tatseite sowie der Sache nach auch ein diesbezüglicher Begründungsmangel eingewendet werden, als nicht stichhältig:
Das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG begeht u.a. ein Täter, der den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in solchen Mengen in Verkehr setzt, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen kann. Eine zur Herbeiführung dieser Gefahr geeignete Suchtgiftmenge ist gegeben, wenn damit etwa 30 bis 50 Menschen zur Sucht verführt oder in dieser Sucht bestärkt werden können, wobei auch eine fortlaufende Tatbestandsverwirklichung durch sukzessives Inverkehrsetzen von Suchtgift in Betracht kommt (ÖJZ-LSK 1979/271, 287 u.a.). Der zumindest bedingte Vorsatz des Täters muß die für die Eignung seiner Tat zur Schaffung einer derartigen Gefahrenlage bedeutsamen Umstände erfassen. Ein solcher die entsprechend breit gestreute Suchtgiftverteilung einschließender Gefährdungsvorsatz ergibt sich aber klar aus dem Spruch der angefochtenen Entscheidung sowie aus jenen erstgerichtlichen Feststellungen, wonach die Angeklagte selbst (ohne Mittelsmänner) im Rahmen eines gewerbsmäßigen Suchtgifthandels 20 Gramm Heroin in Portionen zu ungefähr je 0,1 Gramm unmittelbar an mindestens 30 verschiedene Personen verkaufte (S 229 f). Sohin wird mit dem Beschwerdevorbringen, welches die Urteilsannahmen über das von der Angeklagten eigenhändig bewirkte Ausmaß der Suchtgiftstreuung außer acht läßt und zudem an einer Stelle urteilsfremd auf eine 'Suchtgifteinfuhr' abstellt, weder ein materieller Feststellungsmangel noch ein formaler Begründungsmangel dargetan.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagte nach dem § 12 Abs 1
SuchtgiftG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren, ferner nach dem § 38 Abs 1 FinStrG eine Geldstrafe von 60.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe von 60 Tagen, sowie gemäß dem § 19 FinStrG eine Wertersatzstrafe von 67.500 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Tagen.
Sonja A begehrt mit ihrer Berufung lediglich die Herabsetzung der
(primären) Freiheitsstrafe.
Die Berufung ist begründet.
Bei sorgfältiger Abwägung der vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe erscheint ungeachtet der mehrfachen einschlägigen Vorstrafen der Angeklagten nach dem Suchtgiftgesetz, des Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen und des raschen Rückfalls eine Reduzierung der nach dem § 12 Abs 1 SGG verhängten Freiheitsstrafe geboten:
Es darf nicht übersehen werden, daß Sonja A, die der Betrügereien geständig war und der in einem Faktum auch der Umstand zugute kommt, daß es beim Versuch blieb, selbst süchtig ist und die Suchtgiftverteilung nur relativ geringfügige Heroinmengen erfaßte, die sie von den auch für den Eigenverbrauch angeschafften Rauschgiftquanten abgezweigt hatte, um sich die finanziellen Mittel zur Befriedigung ihrer Sucht zu verschaffen. Auch in Relation zu anderen, in ähnlich gelagerten Fällen ausgesprochenen Strafen erweist sich das vom Schöffengericht bei Sonja A gefundene Strafmaß als überhöht.
Mithin war wie im Spruch zu erkennen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)