OGH 11Os145/84

OGH11Os145/8431.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat 31.Oktober 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner (Berichterstatter) als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gurschler als Schriftführers, in der Strafsache gegen Hüseyin A wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 26. Juni 1984, GZ 6 a Vr 4.644/84-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug, und des Verteidigers Dr. Robert Wallentin, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15.Oktober 1958 geborene Hüseyin A des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG, des Vergehens der versuchten Nötigung nach den § 15, 105 Abs. 1 StGB und des Vergehens der versuchten falschen Beweisaussage vor Gericht als Beteiligter nach den § 15, 12 (zweiter Fall), 288 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er in Wien 1./ im April 1984 vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in solchen Mengen in Verkehr setzte, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem er zumindest drei Gramm Heroin an den gesondert verfolgten Esref B zum Zweck des Weiterverkaufes kommissionsweise übergab, 2./ am 26. Juni 1984 den Esref B unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung durch die Äußerung 'wenn du deine Aussage nicht änderst, dann werd ich es dir draußen zeigen !', somit durch gefährliche Drohung, nämlich durch Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper, zu einer Handlung, und zwar zur Ablegung einer falschen, von seiner bisherigen polizeilichen Darstellung abweichenden Aussage als Zeuge im vorliegenden Strafverfahren zu nötigen versuchte und 3./ am 26. Juni 1984 durch die in Punkt 2 bezeichnete Handlungsweise versuchte, im vorliegenden Strafverfahren den Esref B als Zeugen bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache zu einer falschen, von seiner bisherigen polizeilichen Darstellung abweichenden Beweisaussage vor Gericht zu bestimmen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Den Strafausspruch bekämpft er mit einer - offenbar versehentlich so bezeichneten - Berufung 'wegen Schuld und Strafe'.

Mit seiner Mängelrüge sucht der Beschwerdeführer in einer im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Weise die entscheidungswesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen. Das Schöffengericht glaubte in freier Beweiswürdigung den belastenden Angaben des Zeugen B und begründete seine Konstatierungen, auf die Umstände des Falles eingehend, auch hinreichend und ohne Widerspruch mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung (S 100 bis 102).

Der Vollständigkeit halber sei vermerkt, daß der Einwand, die unter den Punkten 2./ und 3./ des Schuldspruches inkriminierte Äußerung des Angeklagten zum erwähnten Zeugen unmittelbar vor der Hauptverhandlung hätte von dem mit ihm durch Fesseln verbundenen Justizwachebeamten gehört werden müssen, schon deshalb verfehlt (und zum Teil aktenwidrig) ist, weil der Angeklagte und der Zeuge B türkische Staatsangehörige sind und eine in türkischer Sprache geäußerte Bemerkung (die Annahme, daß der eines Dolmetsches bedürftige - vgl. S 83 und 85 - Angeklagte zu seinem türkischen Landsmann deutsch gesprochen haben sollte, wäre lebensfremd) begreiflicherweise vom begleitenden Justizwachebeamten nicht verstanden werden konnte; daß aber Angeklagter und Zeuge am Gang vor dem Verhandlungssaal miteinander sprachen, bestätigte der hiezu informativ befragte Justizwachebeamte (S 88).

Die Beschwerdebehauptung, der Zeuge B habe in der Hauptverhandlung bekundet, nicht gewußt zu haben, daß das ihm vom Angeklagten übergebene weiße Pulver Heroin gewesen sei, ist gleichfalls aktenwidrig, weil der Zeuge B nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls bloß aussagte, der Angeklagte habe ihm nicht gesagt, daß es sich um Heroin handle, er habe vielleicht vermutet, daß er - B - es ohnehin wisse (S 87).

Das Erstgericht überging schließlich entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht den Umstand, daß der Angeklagte seit zehn Jahren (1974) in Österreich wohnt und hier mit Ausnahme einer Verurteilung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht bisher nicht vorbestraft ist, sondern stellte diese Umstände ausdrücklich fest (S 99).

Der Mängelrüge des Angeklagten kann demnach kein Erfolg beschieden sein.

Soweit die Beschwerde in Ausführung der auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10

des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Rechtsrüge die Annahme des Erstgerichtes bekämpft, in der als erwiesen angenommenen Äußerung des Angeklagten zum Zeugen B 'wenn du deine Aussage nicht änderst, dann werd ich es dir draußen zeigen' (Punkte 2./ und 3./ des Schuldspruches) sei zumindest eine Drohung mit einer Verletzung am Körper zu erblicken, ist zu entgegnen, daß der Schöffensenat damit eine lebensnahe, der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende und überdies - fallbezogen - auf die unterschiedliche körperliche Konstitution des Angeklagten und des Zeugen B abgestellte (vgl. S 105) Auslegung der inhaltlichen Bedeutung einer wörtlichen Äußerung vornahm und solcherart keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage löste. Diese Feststellung, daß nämlich der Angeklagte mit seiner Drohung meinte, er werde den Zeugen B zumindest am Körper verletzen, wenn er seiner Forderung nicht nachkomme, ist sohin mit einer Rechtsrüge nicht bekämpfbar, sondern als Urteilsfeststellung tatsächlicher Art der rechtlichen Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten zugrundezulegen (vgl. hiezu Mayerhofer-Rieder, StPO, II/2 ENr. 46, 47 zu § 281).

Wenn der Beschwerdeführer aber des weiteren, ausgehend von der oberwähnten Tatsachenannahme des Erstgerichtes, vermeint, daß diese Feststellung nicht für die rechtliche Annahme einer gefährlichen Drohung im Sinn des § 105 StGB ausreiche, weil die Verletzung am Körper eine Körperverletzung im Sinn des § 83 StGB sein müsse und die inkriminierte Äußerung nicht auf die Schwere der angedrohten Körperverletzung schließen lasse, weshalb hier auch eine - bloß als Vergehen der Beleidigung nach dem § 115 Abs. 1 StGB zu wertende - Drohung mit einer Mißhandlung in Erwägung zu ziehen sei, so is %r damit nicht im Recht. Denn beim Ausdruck Verletzung am Körper handelt es sich um einen normativen Begriff, der im § 83 Abs. 1 StGB seinen Niederschlag findet und die nicht ganz unerhebliche, mit einer sichtbaren Beschädigung am Körper verbundene Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit zum Inhalt hat (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB 2 , RN 4 zu § 83). Dies im Gegensatz zur Mißhandlung, welche sich in der - ebenfalls nicht ganz unerheblichen - Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens des Betroffenen durch physische Einwirkung auf dessen Körper erschöpft (vgl. Leukauf-Steininger, aaO, RN 9 zu § 83) und nur dann das von Amts wegen zu verfolgende Vergehen nach dem § 83 (Abs. 2) StGB verwirklicht, wenn der Betroffene durch die Mißhandlung fahrlässig verletzt oder an der Gesundheit geschädigt wird. Wenn das Erstgericht daher feststellte, daß der Angeklagte (zumindest) mit einer (vorsätzlichen) Verletzung am Körper drohte, dann ist hierunter eine Drohung mit einem Verhalten im Sinn des § 83 Abs. 1 StGB zu verstehen. Eine solche Drohung entspricht aber dem Begriff der gefährlichen Drohung im Sinn des § 74 Z 5 StGB und damit auch im Sinn des § 105 StGB, wobei es einer näheren Erörterung über die Schwere der in Aussicht gestellten Körperverletzung nicht bedarf. Wenn der Beschwerdeführer daher letztlich versucht, seiner Äußerung den Sinn der bloßen Ankündigung einer 'Mißhandlung' zu geben, unternimmt er es damit nur neuerlich, die Tatfrage der inhaltlichen Bedeutung seiner Worte anders zu lösen als das Erstgericht und solcherart in unzulässiger Weise die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen anzufechten.

Auch die Rechtsrüge erweist sich demnach als verfehlt. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 12 Abs. 1 SGG unter Bedachtnahme auf § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, als mildernd den Umstand, daß es - in den Urteilsfakten 2./ und 3./ - beim Versuch blieb.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er (lediglich) eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Von einem ordentlichen Lebenswandel kann angesichts einer - wenngleich nicht einschlägigen - gerichtlichen Verurteilung aus dem Jahr 1983 keine Rede sein. Ebensowenig liegt in Anbetracht des geplanten Absatzes des Suchtgiftes, bei dem sich der Angeklagte im Hintergrund zu halten gedachte und einen anderen vorschickte, eine Unbesonnenheit vor. Worin eine verlockende Gelegenheit bestanden haben soll, wird von der Berufung nicht dargetan; die Aktenlage bietet auch keine Hinweise darauf.

Das Erstgericht unterließ es allerdings, bei der Strafbemessung als erschwerend in Betracht zu ziehen, daß der Angeklagte den Zeugen B verleitete (§ 33 Z 4 StGB). Im übrigen stellte es die Strafzumessungsgründe richtig fest.

Der Oberste Gerichtshof findet keinen Anlaß, die mit der gesetzlichen Untergrenze ausgemessene Freiheitsstrafe zu reduzieren:

Für eine dafür erforderliche Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung fehlt es am überwiegen der Milderungsgründe und an einer günstigen Prognose (§ 41 Abs. 1 StGB).

Auch der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung ist in der im Spruch genannten Gesetzesstelle verankert.

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