OGH 9Os145/84

OGH9Os145/8430.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Oktober 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak (Berichterstatter), Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Radosztics als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt A wegen des Vergehens einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs.1 (§§ 15, 201 Abs.1) StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27.Juni 1984, GZ. 1 e Vr 4747/83-64, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, und des Verteidigers Dr. Pernkopf, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Monate herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 52-jährige Kurt A im zweiten Rechtsgang (abweichend von der auf das Verbrechen der Notzucht nach § 201

Abs.1 StGB und das Vergehen der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung zur Unzucht nach §§ 15, 204 Abs.1 StGB lautenden Anklage) des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs.1 (§§ 15, 201 Abs.1) StGB schuldig erkannt. Darnach hat er sich am 23.April 1983 in Wien zumindest fahrlässig voll berauscht und in diesem Zustand versucht, die durch Gewaltanwendung (insbesondere durch Würgen und Versetzen von Faustschlägen) widerstandsunfähig gemachte Marcella K*** zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen erhobene, nominell auf die Z 4, 5 und 9 lit.a des § 281 Abs.1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist teils unbegründet, teils nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. Entgegen der vom Beschwerdeführer in seiner Verfahrensrüge (Z 4) vertretenen Ansicht wurde er durch die Abweisung des von ihm in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf psychiatrischpsychologische Begutachtung der Zeugin B hinsichtlich ihrer Wahrnehmungs- und Wiedergabsfähigkeit (vgl. S 359, 378) in seinen Verteidigungsrechten nicht geschmälert; denn die Psychiatrierung eines Zeugen setzt voraus, daß objektive Momente seine geistige Gesundheit und damit seine Fähigkeit, Wahrnehmungen zu machen und diese gedächtnisgetreu wiederzugeben, in Frage stellen, wobei diese Zweifel ganz erheblich sein und somit ihrem Gewicht und ihrer Art nach den in § 11 StGB erfaßten Geistesstörungen gleichkommen müssen (vgl. Mayerhofer/Rieder, Strafprozeßordnung, Nr.44 zu § 150). Derartige Gebrechen wurden aber weder bei Stellung des Antrages noch auch in der Beschwerde dargetan.

Die Mängelrüge (Z 5) des Angeklagten beschäftigt sich durchwegs mit der Aussage der Belastungszeugin Marcella B und Umständen, die auf deren Unrichtigkeit schließen ließen. Ein formaler Begründungsmangel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes wird hiebei aber nicht dargetan.

Soweit nicht in aktenwidriger Weise Unvollständigkeiten behauptet oder die Nichterörterung irrelevanter Umstände moniert werden, läuft die Rüge vielmehr nach Inhalt und Zielsetzung auf eine im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässige Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung hinaus.

Daß der Schöffensenat die Aussage der Zeugin B als frei von Widersprüchen bezeichnet habe und er Divergenzen über den zeitlichen Ablauf der Vorfälle des 23.4.1983 ebenso mit Stillschweigen überging wie den Umstand, daß sich zur angeblichen Tatzeit in der Wohnung des Angeklagten ein junger Schäferhund befand, daß der Wohnungsnachbar C keine auffälligen Geräusche hörte, obwohl er sogar normales Radiospiel durch die Wände zu hören pflegt und daß endlich auch unerörtert blieb, daß die einschreitenden Polizeibeamten die Wohnung des Angeklagten in ordentlichem Zustand antrafen, ist unter den oben erstangeführten Punkt - Aktenwidrigkeit - zu subsumieren; denn die Tatrichter haben nicht nur ausdrücklich und generell darauf hingewiesen, daß einzelne Aussagen der Zeugin B mit Widersprüchen behaftet seien (vgl. S 394 ff), sondern auch die weiteren, oben bezeichneten Momente bei der Gesamtwürdigung der gegebenen Indizien mit in Rechnung gestellt (vgl. abermals S 394 ff). Daß sie hiebei zu anderen Schlüssen gelangten als dem Beschwerdeführer genehm ist, ist als Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung im schöffengerichtlichen Verfahren einer Kritik entzogen.

Die in der Beschwerde aufgezeigten Diskrepanzen in den Angaben der Zeugin B bezüglich ihrer Bekleidung am 23.4.1983 bedurften im Rahmen der gesetzlich normierten gedrängten Begründungspflicht (§ 270 Abs.2 Z 5 StPO) als rechtlich irrelevant umso weniger einer gesonderten Erwähnung, als die Tatrichter global erklärten (vgl. S 394 oben) die Widersprüche in der Aussage der genannten Zeugin beträfen,mit einer einzigen Ausnahme,Nebenumstände des Tatherganges. Analoges gilt für den von der Beschwerde relevierten Umstand, daß die Verletzungen der Marcella B sich ausschließlich an der Vorderseite ihres Körpers befanden und daß sie sich an die - tatsächlich vorhandenen - auffälligen Tätowierungen am Oberkörper des Angeklagten nicht zu erinnern vermochte.

Da schließlich auch die vom Erstgericht zur Erklärung des gravierendsten Widerspruches in der Aussage der Zeugin B - ob nämlich ein Geschlechtsverkehr stattfand oder nicht - gegebene Begründung - er könne durch ein Mißverständnis bei der Vernehmung der Zeugin vor der Polizei erklärt werden, zumal sie damals sehr aufgeregt gewesen sei und ein grammatikalisch schlechtes Deutsch spreche - durchaus schlüssig ist und endlich aus dem äußeren Verhalten des Angeklagten denkfolgerichtig und ohne mit der Lebenserfahrung in Widerspruch zu geraten, sein Vorsatz abgeleitet werden konnte, mit ihr einen Geschlechtsverkehr durchzuführen und sich nicht mit bloßen Unzuchtshandlungen zu begnügen, erweist sich die gesamte Mängelrüge als nicht stichhältig.

In seiner (nominell auf die Z 9 lit.a, der Sache nach auf die Z 10 des § 281 Abs.1 StPO gestützten) Rechtsrüge moniert der Angeklagte primär Feststellungsmängel in bezug auf die Frage, ob er im Tatzeitpunkt überhaupt noch fähig zum Vollzug des Beischlafes war. Konstatierungen darüber, daß die vom Erstgericht angenommene impotentia coeundi eine Folge der Alkoholisierung gewesen sei, lasse das Urteil vermissen. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens sei es nicht von der Hand zu weisen, daß rücksichtlich der lang einwirkenden und bereits im neurologischpsychologischen Befund erkennbare Folgen des Alkoholübergenusses eine dauernde Unfähigkeit des Angeklagten zum Vollzug des Beischlafes bestanden habe. Damit deckten aber die Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht den Schuldspruch, sondern - allenfalls - ein Vergehen in Richtung der §§ 287 Abs.1, 204 Abs.1 StGB.

Die Rüge geht fehl.

Da sich der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens niemals mit einer generellen und lang andauernden Impotenz verantwortete, sondern - im Gegenteil - erklärte, mit seiner Frau ein normales Eheleben zu führen (vgl.S.127) und auch sonst im Verfahren nichts hervorgekommen ist, was an seiner (generellen) Beischlafsfähigkeit zur Tatzeit zweifeln ließe, waren Feststellungen zu diesem Punkt nicht indiziert und mußte nicht besonders hervorgehoben werden, daß am 23.4.1983 sein Versuch, mit Marcella B geschlechtlich zu verkehren, an einer vorübergehenden, durch vorangegangenen Alkoholkonsum an diesem Tage bewirkten impotentia coeundi scheiterte.

Es mußte mithin der im ganzen unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde ein Erfolg versagt bleiben.

Das Schöffengericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, zog als mildernd das reumütige Geständnis (in Richtung des Vergehens nach § 287 Abs.1 StGB) in Betracht und verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Absatz des § 287 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er Strafherabsetzung anstrebt, ist im Ergebnis begründet.

Dem Rechtsmittel zuwider fallen dem Angeklagten zwar nicht nur vier, sondern mehr als fünfundzwanzig gerichtliche Vorverurteilungen - weil auf der gleichen schädlichen Neigung beruhend - als erschwerend zur Last. Auch ist zusätzlich als erschwerend zu werten, daß das Opfer recht erhebliche körperliche Verletzungen davontrug (vgl S 390).

Dennoch erscheint die vom Erstgericht gefundene Strafe angesichts dessen, daß die Vorstrafen relativ lange zurückliegen, als etwas überhöht, weshalb sie auf das aus dem Spruch ersichtliche, tatschuldgerechte Ausmaß reduziert werden mußte.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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