OGH 2Ob641/84

OGH2Ob641/8430.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 1. Juni 1983 verstorbenen Eberhard Rudolf Maria H*****, infolge Rekurses des erblasserischen Sohnes Dipl.-Ing. Walter H*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. Mai 1984, GZ 43 R 368/84-16, womit der Rekurs des erblasserischen Sohnes Dipl.-Ing. Walter H***** gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 28. Oktober 1983, GZ 3 A 433/83-9, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Erblasser setzte seine Gattin zur Alleinerbin ein und beschränkte seinen minderjährigen Sohn Eberhard Maria H***** auf den Pflichtteil.

Die Witwe gab aufgrund der letztwilligen Anordnung zum gesamten Nachlass eine bedingte Erbserklärung ab. Gleichzeitig legte sie einen Notariatsakt vom 12. 12. 1972 vor, worin die erblasserischen Söhne Dipl.-Ing. Aribert H***** und Dipl.-Ing. Walter H***** ihrem Vater gegenüber auf ihr gesetzliches Erbrecht und ihr Pflichtteilsrecht verzichten und dieser die Erklärung annimmt.

Das Erstgericht nahm die Bevollmächtigung eines Notars durch die Witwe zur Kenntnis (Punkt 1), bestellte einen Kollisionskurator für den minderjährigen Sohn (Punkt 2), nahm die Erbserklärung der Witwe an (Punkt 3) und nahm das Vorliegen eines Erbverzichtsvertrags betreffend die erblasserischen Söhne Dipl.-Ing. Aribert H***** und Dipl.-Ing. Walter H***** zur Kenntnis (Punkt 4).

Gegen Punkt 4 des Beschlusses des Erstgerichts erhob der Sohn Dipl.-Ing. Walter H***** Rekurs. Er führte aus, der mit ihm abgeschlossene Erbverzichtsvertrag sei durch Zwang zustandegekommen und nicht durch freie Willenserklärung. Aus diesem Grund beanspruche Dipl.-Ing. Walter H***** ein Erbrecht.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs zurück. Es vertrat die Ansicht, durch eine bloße Kenntnisnahme des Gerichts werde in die Rechtssphäre noch nicht eingegriffen, sodass es dem Rekurswerber an der für ein Rechtsmittel erforderlichen Beschwer mangle. Sei aber kein Rechtsschutzinteresse gegeben, dann sei ein Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen. Im Übrigen könne die Anfechtung eines in formeller Hinsicht gültigen Erbverzichts nicht im außerstreitigen Verfahren, sondern nur im Rechtsweg erfolgen. Aufgrund der nunmehr vom Rekurswerber abgegebenen Erklärung, er „beanspruche ein Erbrecht“ sei auch nicht klar, ob er beabsichtige, den gesetzlichen Erbteil in Anspruch zu nehmen oder seinen Pflichtteil fordere. Demnach könne derzeit noch nicht gesagt werden, ob der Rekurswerber als Erbansprecher oder als Pflichtteilsberechtigter dem Verlassenschaftsverfahren zuzuziehen sei. Erst nach Abgabe einer allfälligen Erbserklärung oder der Erklärung, dass er den Pflichtteilsanspruch geltend mache, werde zu entscheiden sein, ob und in welcher Eigenschaft der Rekurswerber dem Verlassenschaftsverfahren beizuziehen sei. Sollte der Rechtsmittelwerber eine Erbserklärung abgeben, werde das Verfahren nach den §§ 125 ff AußStrG einzuleiten sein. Was zu geschehen habe, wenn jemand, obgleich ein formell gültiger Erbverzicht vorliege, in dem er auch auf seinen Pflichtteilsanspruch verzichtet habe, sich dennoch als Pflichtteilsberechtigter am Verlassenschaftsverfahren beteiligen wolle, werde in der Judikatur nicht einheitlich beantwortet. Während ein Teil die Ansicht vertrete, es habe lediglich eine Verweisung auf den Rechtsweg nach § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG zu erfolgen, gehe ein anderer Teil dahin, dass die §§ 125 ff AußStrG analog heranzuziehen seien, wenn es sich um solche widersprechende Standpunkte der in Betracht kommenden Parteien handle, von deren Lösung die Fortsetzung und Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens abhänge. Das Abhandlungsgericht habe danach darauf zu achten, dass die Fortsetzung des Verfahrens nicht ungebührlich verzögert werde, was ihm dadurch möglich werde, dass es die Parteirolle verteile.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Rekurs des erblasserischen Sohnes Dipl.-Ing. Walter H*****. Er führt aus, er mache nur den Pflichtteilsanspruch gegenüber seinem verstorbenen Vater geltend. Der Notariatsakt des erzwungenen, also nicht aus freiem Willen zustandegekommenen Pflichtteilsverzichts sei durch einen Dritten unter zusätzlich missbräuchlicher Ausnützung einer vom Rekurswerber gegeben Vollmacht vollzogen worden. Der Rekurswerber selbst sei bei diesem Notariatsakt persönlich nicht zugegen gewesen. Er ersuche, seinen Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichts unter diesen Gesichtspunkten nochmals zu überprüfen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Unter einer anfechtbaren Verfügung ist nur eine auf Erzeugung von Rechtswirkungen gerichtete prozessuale Willenserklärung des Gerichts zu verstehen (SZ 50/41). Unter einer derartigen „Verfügung“ kann nur eine Maßnahme verstanden werden, durch die das Gericht selbst rechtliche Wirkungen erzeugt (NotZ 1954, 173, SZ 46/88 ua). Der Ausspruch des Gerichts, eine vorgelegte Urkunde zur Kenntnis zu nehmen, ist keine Verfügung, die mit Rekurs angefochten werden kann (NotZ 1969, 7, 6 Ob 548/78 ua). Durch den Punkt 4 des Beschlusses des Erstgerichts, mit welchem dieses das Vorliegen eines Erbverzichtsvertrags zur Kenntnis nahm, wurden keine Rechtswirkungen herbeigeführt; eine Beeinträchtigung von Rechten des Rekurswerbers erfolgte dadurch nicht. Die Möglichkeiten des Rekurswerbers, den seiner Ansicht nach nicht wirksam zustandegekommenen Erbverzichtsvertrag zu bekämpfen, werden hiedurch in keiner Weise beeinträchtigt. Auf die Maßnahmen, die das Erstgericht aufgrund der nunmehr von Dipl.-Ing. Walter H***** abgegebenen Erklärung, er mache einen Pflichtteilanspruch geltend, zu treffen haben wird, ist der Beschluss, mit welchem das Vorliegen des Erbverzichtsvertrags zur Kenntnis genommen wurde, ohne Einfluss.

Somit hat der Rechtsmittelwerber an einer Abänderung des bekämpften Beschlusses des Erstgerichts kein Rechtsschutzinteresse, weil der Beschluss noch keine Rechtsfolgen nach sich zieht. Zutreffend hat daher das Rekursgericht den Rekurs gegen den Punkt 4 des Beschlusses des Erstgerichts zurückgewiesen. Dem dagegen gerichteten Rekurs musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich in dieser Entscheidung nur mit der Frage zu befassen, ob das Rekursgericht den Rekurs mit Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Welche Maßnahmen das Erstgericht nunmehr vorzunehmen haben wird, kann daher nicht erörtert werden.

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