OGH 2Ob597/84

OGH2Ob597/8430.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. Gerhard I*****, vertreten durch Dr. Walter Schuppich und Dr. Werner Sporn, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Auguste I*****, vertreten durch Dr. Udo Kaiser, Rechtsanwalt in Wien, Nebenintervenient auf Seiten der beklagten Partei Dr. Otto G*****, wegen Feststellung (Streitwert 3 Mill S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. April 1984, GZ 3 R 57/84-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. September 1983, GZ 10 Cg 93/82-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Parteien sind Gesellschafter der Firma Dipl.-Ing. R***** OHG. Der Kläger ist an Vermögen, Gewinn und Verlust der OHG mit 40 %, die Beklagte mit 60 % beteiligt. Die Gesellschaft ist infolge Kündigung durch den Kläger mit Ablauf des Jahres 1974 aufgelöst worden. Zum Liquidator wurde Rechtsanwalt Dr. Hans Nemetz bestellt. Dieser verkaufte mit Kaufvertrag vom 31. 3. 1979 die wesentlichen Vermögenswerte der Gesellschaft, mit Ausnahme der Forderungen, der Beklagten. Als Kaufpreis wurden für das bewegliche Anlagevermögen 1.200.000 S, für das Warenlager ein Betrag, der den 1,4-faches Anschaffungs- bzw Herstellungskosten entspricht, soweit es sich nicht um verdorbene Waren handelt, und für den Firmenwert 700.000 S, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Der Kaufpreis ist gemäß Punkt III Abs 3 des Kaufvertrags zu bezahlen, sobald a) die ordnungsgemäße und vollständige Übergabe stattgefunden hat und b) im Verhältnis zwischen der Käuferin und dem Kläger aufgrund einer Vereinbarung, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung feststeht, welcher Anspruch einem der beiden Gesellschafter aufgrund der Auseinandersetzung über die OHG zusteht. Nach Punkt III Abs 5 des Kaufvertrags hat die Beklagte zur Sicherstellung des Kaufpreises beim Liquidator einen Betrag von 3 Mill S hinterlegt. Die im Vertrag vorgesehene Übergabe hat bereits stattgefunden. Eine Anspruchsfeststellung iSd Punktes III Abs 3 lit b des Kaufvertrags erfolgte bisher nicht.

Der Kläger begehrt die Feststellung, es stehe ihm iSd Punktes III Abs 3 lit b des Kaufvertrags als Gesellschafter der OHG ein Auseinandersetzungsanspruch von 3 Mill S zu. Für das Warenlager errechne sich ein Kaufpreis von 4.605.078,30 S. Der Gesamtkaufpreis betrage daher 6.505.078,30 S. Für den Kläger errechne sich ein Anspruch an Kapital von 3.799.530,46 S. Hiezu sei aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 12. 11. 1980 ein Betrag von 383.317,91 S und weitere 22.210 S hinzuzurechnen, sodass sich ein Auseinandersetzungsanspruch von 3.394.002,55 S ergebe.

Die Beklagte behauptet, dass der Kaufpreis für das Warenlager nur 2.327.852,90 S betrage, und der Gesamtkaufpreis daher nur 4.227.852,90 S ausmache. Das Kapitalkonto des Klägers habe zum Zeitpunkt seines Austritts einen Minussaldo von 1.106.244,20 S aufgewiesen. Die Beklagte vertritt den Standpunkt, dass der Kläger seinen Anspruch auf den Liquidationserlös nur gegen den Liquidator geltend machen könne. Es fehle ihm das Rechtsschutzinteresse, weil er die Herbeiführung einer Einigung zwischen den Gesellschaftern nicht einmal versucht habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 300.000 S übersteige.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise begehrt der Kläger, dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung aufzutragen.

Die Beklagte und der Nebenintervenient beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung den auf den AS 133 bis 142 (S 9 bis 18 der Urteilsausfertigung) dargestellten Sachverhalt zugrunde. Danach war es die Absicht der Parteien des Kaufvertrags, durch die Bestimmungen des Punktes III Abs 3 lit b für den Liquidator eine Abklärung darüber herbeizuführen, welchen Betrag dieser aus dem Liquidationserlös den Gesellschaftern zuzuweisen hat. Der Liquidator beendete die Liquidation deshalb bisher noch nicht, weil zwischen den Gesellschaftern über die Bewertung des Warenlagers keine Einigkeit besteht.

Das Erstgericht verneinte ein rechtliches Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung. Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem Liquidationserlös und damit auch zwischen dem Auseinandersetzungsanspruch des Klägers und dem Wert des Warenlagers begründe kein rechtliches Interesse. Der Kläger könne nicht die Meinungsverschiedenheit der Streitteile über die Bewertung des Warenlagers in den Streit der Gesellschafter über das Auseinandersetzungsguthaben verlagern. Er leite sein Interesse auch nur aus Punkt III Abs 3 lit b des Kaufvertrags ab. Diese Bestimmung enthalte aber keine Regeln für die Ermittlung der Auseinandersetzungsansprüche der Gesellschafter. Nach § 155 HGB sei die Verteilung des Vermögens Aufgabe des Liquidators. Diese Aufgabe könne diesem nicht durch ein gegen einen Gesellschafter erwirktes Feststellungsurteil abgenommen werden. Dem angestrebten Urteil käme auch keine bindende Wirkung gegenüber dem Liquidator zu. Abgesehen von einer vorläufigen Verteilung des während der Liquidation entbehrlichen Geldes seien die Auseinandersetzungsansprüche der Gesellschafter erst nach Beendigung der Liquidation und nach Vorlage der Schlussbilanz zu befriedigen. Erst in diesem Stadium könne der Gesellschafter belangt werden, der einen bestimmten Verteilungsschlüssel bestreite. Die begehrte Feststellung sei aber auch nicht erforderlich, um im Verhältnis zwischen den Streitteilen durch eine gerichtliche Entscheidung klarzustellen, wie hoch die Auseinandersetzungsansprüche der Gesellschafter seien. Nach Vorlage der Schlussbilanz stehe es dem Kläger vielmehr offen, den Liquidator durch Leistungsklage auf Erfüllung zu belangen.

Das Berufungsgericht vertritt den Standpunkt, dass zwar alle strittigen Fragen der Verteilung von den Gesellschaftern zum Gegenstand von Prozessen gemacht werden könnten. Die vom Kläger angestrebte Feststellung sei aber nicht etwa auf die (zulässige) Feststellung des für die Verteilung des Liquidationserlöses maßgeblichen Verteilungsverhältnisses, sondern auf die Feststellung der Höhe des Liquidationserlöses und somit auf die Feststellung einer Tatsache gerichtet. Die Feststellung von Tatsachen sei aber nach § 228 ZPO unzulässig. Die Meinung des Klägers, dass der Liquidator nicht in der Lage sei, eine Schlussbilanz zu errichten, teilte das Berufungsgericht nicht.

Gegen die Meinung des Berufungsgerichts wendet sich der Kläger mit der Begründung, dass sich schon aus der eindeutigen Formulierung des Klagebegehrens und dem Begriff des subjektiven Rechts ergebe, dass er nicht die Feststellung einer Tatsache, sondern eines Rechts begehre. Den Revisionsausführungen ist im Ergebnis beizupflichten.

Die Liquidatoren haben nach § 149 HGB unter anderem das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen. Es steht ihnen die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht zu. Wie die Umsetzung des Vermögens in Geld stattzufinden hat, bestimmen die Liquidatoren nach pflichtgemäßem Ermessen (Hueck, Das Recht der OHG, 508). Nur einvernehmlich erteilte Anweisungen der Liquidationsbeteiligten müssen sie hiebei beachten. Ansprüche aus solchen Geschäften, die ihren Entstehungsgrund außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses haben, müssen von den Liquidatoren im Namen der Gesellschaft verfolgt werden (EvBl 1980/167). Daraus ergibt sich, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend hervorhob, dass die Meinungsverschiedenheit der Gesellschafter über die Bewertung des Warenlagers kein Hindernis für die Errichtung der Schlussbilanz durch den Liquidator sein konnte, weil für das Warenlager ein nach objektiven Gesichtspunkten bestimmbarer Preis vereinbart wurde. Der vom Liquidator mit der Beklagten abgeschlossene Kaufvertrag diente Liquidationszwecken. Sein Abschluss fiel in den Wirkungsbereich des Liquidators. Dem Kläger steht darauf keine Einflussmöglichkeit zu. Eine allfällige Pflichtverletzung des Liquidators könnte nur Schadenersatzansprüche zur Folge haben (vgl SZ 29/39).

Haben die Liquidatoren die ihnen nach § 149 HGB obliegenden Aufgaben beendet, haben sie das Vermögen der Gesellschaft nach den Kapitalanteilen, wie sie sich aufgrund der Schlussbilanz ergeben, unter die Gesellschafter zu verteilen (§ 155 Abs 1 HGB). Entsteht über die Verteilung des Gesellschaftsvermögens Streit unter den Gesellschaftern, so haben die Liquidatoren die Verteilung bis zur Entscheidung des Streits auszusetzen (§ 155 Abs 3 HGB). Diese Vorschrift geht davon aus, dass ein Streit der Gesellschafter darüber, ob Gesellschaftsvermögen zu verteilen ist und was dem einzelnen Gesellschafter davon zukommt, von den Gesellschaftern selbst auszutragen und mangels einer Einigung durch den Richter zu entscheiden ist. Gegenstand des Streits kann jede Meinungsverschiedenheit der Gesellschafter über die Vornahme der Verteilung sein, insbesondere darüber, ob einem Gesellschafter mehr oder weniger zukommt und ob die der Verteilung zugrunde zu legenden Kapitalanteile richtig berechnet sind. Eine solche Klage ist weder gegen die Abwickler noch gegen die Gesellschaft, sondern gegen den bestreitenden Gesellschafter zu richten (Schilling in Großkomm HGB³ II/2 84; SZ 31/62). Regelmäßig wird zwar ein Streit der Gesellschafter über die Verteilung erst nach Vorliegen der Schlussbilanz und des von den Liquidatoren in Aussicht genommenen Verteilungsmaßstabs enstehen. Ein solcher Streit kann aber auch schon vorher aufkommen. Das Vorliegen der Schlussbilanz ist nicht Voraussetzung der dann notwendigen Klageführung gegen den bestreitenden Gesellschafter, wenn auch die Schlussverteilung aufgrund der Schlussbilanz erfolgen soll. Der klagende Gesellschafter muss nur seinen Anspruch nachweisen können (vgl Schilling aaO 82). Im vorliegenden Fall besteht eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Gesellschaftern über den Kapitalanteil des Klägers aufgrund der letzten Jahresbilanz, der sich notwendigerweise auch auf die Schlussbilanz auswirkt (vgl Hueck, aaO 515 f). Es ist auch nach dem Standpunkt beider Parteien die Abwicklung so weit beendet, dass - ohne den Streit der Gesellschafter über die Kapitalanteile - eine Schlussverteilung möglich wäre und durch Aufstellung einer Berechnung dargetan werden könnte, welche Beträge zu verteilen sind und was auf den einzelnen Gesellschafter entfällt. Das Klagebegehren gegen den bestreitenden Gesellschafter kann dahin gehen, dass die Verteilung in bestimmter Weise zu erfolgen hat. Es ist aber auch eine Feststellungsklage zulässig (Schilling aaO 84). Feststellungsfähig sind nach § 228 ZPO, ausgenommen den Fall der Urkundenechtheit, nur Rechte oder Rechtsverhältnisse. Ein Rechtsverhältnis ist die bestimmte, durch den vorgetragenen Sachverhalt gegebene und konkretisierte rechtlich geregelte Beziehung von Personen untereinander oder von Personen zu Sachen; ferner aber auch einzelne rechtliche Folgen einer solchen Beziehung wie etwa einzelne Forderungen oder daraus abgeleitete Ansprüche (Fasching III 60). Ein solches Forderungsrecht und nicht die Feststellung einer Tatsache ist Gegenstand der vorliegenden Feststellungsklage.

Da sich die Vorinstanzen ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht mit dem entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht befassten, ist, um die Sache spruchreif zu machen, eine Zurückverweisung an die erste Instanz erforderlich (§ 510 Abs 1 letzter Satz ZPO).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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