European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0030OB00086.840.1024.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach neuerlicher Berufungsverhandlung, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
In dem zwischen den Parteien am 23. 4. 1981 vor dem Handelsgericht Wien zu 10 Cg 192/80‑8 geschlossenen Vergleich verpflichtete sich Auguste I*****, Dr. Otto G***** 1.191.878,90 S samt 12 % Zinsen seit 11. 12. 1980 in Monatsraten zu 65.000 S zu zahlen; die erste Rate sollte am 15. 5. 1981, die weiteren Raten sollten jeweils am 15. Tag der unmittelbar folgenden Monate „bei sonstigem Terminsverlust im Falle des Verzuges einer Rate um mehr als 5 Tage“ fällig sein (Punkt 1). Im selben Vergleichspunkte ist festgestellt, dass zwischen den Streitteilen Übereinstimmung besteht, „daß Zahlungen als fristgerecht gelten, wenn die Anweisung bei einem inländischen Bankinstitut oder der Österreichischen PSK auf ein gedecktes Konto erfolgt bzw. die Bareinzahlung solcherart vorgenommen wird“. Im Vergleichspunkt 2 vereinbarten die Parteien, dass der Rest als nachgelassen gelte, wenn „Auguste I***** Dr. Otto G***** ohne Eintritt von Terminsverlust“ auf die Schuld laut Punkt 1 dieses Vergleichs 770.000 S gezahlt hat.
In seinem am 16. 11. 1981 eingebrachten Exekutionsantrag behauptete Dr. G*****, sechs Monatsraten von je 65.000 S erhalten zu haben. Weil die Oktoberrate 1981 erst am 28. 10. 1981 eingelangt sei, sei Terminsverlust eingetreten, sodass ihm Auguste I***** noch 916.449,80 S samt 12 % Zinsen seit 29. 10. 1981 schulde. Das Exekutionsverfahren wurde auf Antrag der betreibenden Partei am 22. 6. 1982 auf 666.689,48 S eingeschränkt.
Am 1. 3. 1983 erhob Auguste I***** klageweise zwei Einwendungen: 1. Ein von ihr zu vertretender Terminsverlust sei nicht eingetreten, da von ihr „die Anweisung für die Bezahlung der Rate für Oktober 1981 rechtzeitig erfolgt sei“. Insbesondere, weil die angewiesene Bank auch die Bank des betreibenden Gläubigers sei, sei die geschuldete Leistung bei dessen Bank eingelangt und daher an ihn erbracht anzusehen. 2. Wegen Zahlung von 770.000 S, ja sogar 1.283.892 S sei die gesamte verglichene Schuld erloschen. Die Klägerin begehrte das Urteil, dass der Anspruch aus dem zitierten Vergleich, zu dessen Hereinbringung Exekution bewilligt wurde, erloschen sei.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete im Wesentlichen ein, dass die Anweisung der Oktoberrate 1981 um sieben Tage verspätet eingelangt sei. Möglicherweise sei das auf die unzureichende Deckung des Kontos ***** bei der CA‑BV Filiale ***** zurückzuführen.
Die Klägerin replizierte, den Terminsverlust nicht verschuldet zu haben, weil „der Überweisungsauftrag an die Bank rechtzeitig zur Post gegeben worden sei“. Das Konto sei zur Zeit der Anweisung gedeckt gewesen, die Klägerin sei von der beauftragten Bank nicht informiert worden, dass die Überweisung mangels Deckung nicht durchgeführt werden könne.
Außer Streit gestellt wurde, dass auf die verglichene Forderung zwischen 15. 5. 1981 und 16. 4. 1982 770.000 S, nachher aber nichts mehr gezahlt wurde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte fest, dass die Klägerin die Oktoberrate 1981 zahlte, indem sie die diesbezügliche Anweisung nach dem 20. 10. 1981 in den Einlaufkasten der CA‑BV‑Filiale ***** einwarf. Die für die Kontoführung zuständige Filiale der angewiesenen Bank ist die Zweiganstalt *****. Am 20. 10. 1981 wies das Konto Nummer ***** der Klägerin bei der CA‑BV, von dem die Rate abgebucht werden sollte, einen Passivstand von 960.524,41 S auf. Der der Klägerin von der angewiesenen Bank für dieses Konto eingeräumte Kreditrahmen betrug nur 1 Mio S. Die Anweisung der Klägerin langte am 22. 10. 1981 bei der Filiale ***** ein und wurde am 27. 10. 1981 durchgeführt.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, eine in Form eines Überweisungsauftrags durchgeführte Zahlung gelte dann als rechtzeitig, wenn sie (spätestens) am letzten Tag der Zahlungsfrist zur Post gegeben oder der Auftrag einer anerkannten inländischen Bank hinsichtlich eines gedeckten Kontos gegeben werde. Werde die Anweisung nicht direkt am Schalter abgegeben, gelte sie immer noch als rechtzeitig, wenn sie in der Nacht vor einem Werktag in einen Einlaufkasten der für die Überweisung zuständigen Filiale eingeworfen werde. Im vorliegenden Fall sei die Anweisung verspätet in den Einlaufkasten einer nicht zuständigen Filiale eingeworfen worden. Objektiver Verzug reiche aus.
Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin Berufung.
Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens machte sie geltend, dass eine von ihr über das rechtzeitige Einlangen des Überweisungsantrags geführte Zeugin nicht vernommen wurde. In der Beweisrüge bekämpfte sie die Feststellung, dass sie die Anweisung für die Oktoberrate 1981 nach dem 20. 10. 1981 in den Einlaufkasten der Filiale ***** eingeworfen habe und dass diese Anweisung am 22. 10. 1981 bei der Filiale ***** eingelangt sei. Tatsächlich sei die in den Abendstunden des 19. 10. 1981 in den Einlaufkasten der erstgenannten Filiale eingeworfene Anweisung bereits am 20. 10. 1981 in der Filiale ***** eingelangt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.
Es vertrat die Rechtsansicht, dass auch dann keine fristgerechte Zahlung der Oktoberrate 1981 vorliege, wenn die Anweisung schon am 20. 10. 1981 bei der Bank eingelangt wäre, weil die Zahlungsanweisung auf ein nicht (voll) gedecktes Konto vorgenommen worden sei. Mängel‑ und Beweisrüge beträfen daher keine entscheidungswesentlichen Umstände. Die Rechtsrüge sei nicht gesetzgemäß ausgeführt.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, das angefochtene Urteil zwecks neuerlicher Verhandlung und Entscheidung aufzuheben oder es im klagestattgebenden Sinn abzuändern.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 905 Abs 2 ABGB hat der Schuldner Geldzahlungen im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu „übermachen“, das heißt zu übersenden. Geldschulden sind daher im Zweifel Schickschulden. Eine taugliche Übersendungsart ist ‑ jedenfalls, wenn wie in diesem Fall darüber Einverständnis besteht ‑ die Einzahlung (Überweisung) auf ein Konto des Gläubigers.
Für die Rechtzeitigkeit bargeldloser Überweisungen ist mangels gegenteiliger Vereinbarung der Tag des Einlangens des Überweisungsauftrags (SZ 38/100) beim kontoführenden Institut entscheidend, sofern bei diesem entsprechende Deckung (Guthaben oder Kredit; RZ 1965, 82) vorhanden ist, weil dies der Barzahlung gleichkommt ( Reischauer in Rummel , ABGB RdZ 16 zu § 905). Die Rechtzeitigkeit steht allerdings unter der Bedingung des Einlangens des Betrags (SZ 14/206) bzw der Kontogutschrift (HS 1659/84, 6288; 6289/9; SZ 50/151).
Im Sinne dieser Ausführungen haben die Streitteile im Exekutionstitel festgehalten, dass Zahlungen als fristgerecht gelten, wenn die Anweisung bei einem inländischen Bankinstitut oder der Österreichischen Postsparkasse auf ein gedecktes Konto erfolgt bzw die Bareinzahlung solcherart vorgenommen wird.
Daraus ergibt sich, dass die Rechtsansicht des Erstgerichts, eine in Form eines Überweisungsauftrags durchgeführte Zahlung gelte schon dann als rechtzeitig, wenn sie am letzten Tag der Zahlungsfrist „zur Post gegeben“ worden sei, nicht richtig ist, weil für die Rechtzeitigkeit der Tag des Einlangens des Überweisungsauftrags beim kontoführenden Institut maßgeblich ist (in diesem Sinn neben Reischauer aaO auch Schinnerer‑Avancini , Bankverträge 3 I 73).
Die weitere Rechtsansicht des Erstgerichts, eine nicht direkt am Schalter abgegebene Anweisung gelte immer noch als rechtzeitig, wenn sie in der Nacht vor einem Werktag in den Einlaufkasten der für die Überweisung zuständigen Filiale eingeworfen worden sei, bedarf der Präzisierung dahin, dass dies nur für solche Überweisungsaufträge gilt, die in der Nacht vom Vortrag des Fälligkeitstags zum Fälligkeitstag, nicht aber in der folgenden Nacht in den Einlaufkasten der kontoführenden Bank eingeworfen werden. Abgesehen davon, dass bei in der zweitgenannten Nacht eingeworfenen Überweisungsaufträgen kaum objektiv feststehen wird, ob sie vor oder nach Mitternacht, also noch am Fälligkeitstag oder erst am diesem folgenden Tag eingeworfen wurden, kann von einer rechtzeitigen „Übermachung“ der Geldschuld in einem solchen Fall nur dann gesprochen werden, wenn der Überweisungsauftrag noch während der Geschäftsstunden der kontoführenden Bankstelle bei dieser einlangt. Nur unter dieser Voraussetzung besteht nämlich die Möglichkeit, die Geldschuld noch am Fälligkeitstag vom Konto des Schuldners abzubuchen und damit „abzuschicken“.
Im vorliegenden Fall wäre die Zahlung der Oktoberrate 1981 also noch dann als rechtzeitig zu beurteilen, wenn der Auftrag der Klägerin, von ihrem Konto Nr ***** bei der CA‑BV‑Filiale ***** 65.000 S auf das bei derselben Bankfiliale geführte Konto Nr ***** des Beklagten zu überweisen, am 20. 10. 1981 vor Dienstschluss bei der genannten Bankfiliale eingelangt und entsprechende Deckung vorhanden gewesen wäre.
Die letztere Voraussetzung wurde vom Berufungsgericht aufgrund der bisherigen Feststellungen verneint, ohne dass diese Tatsachengrundlage für eine verlässliche Beurteilung dieses entscheidungswesentlichen Umstands ausreichen.
Nach den im Berufungsverfahren nicht bekämpften diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichts handelte es sich bei dem genannten Konto der Klägerin um ein Kontokorrentkonto mit einem Kreditrahmen von 1.000.000 S, das am 20. 10. 1981 einen Passivstand von 960.524,41 S aufwies. Aus den Kontoauszugsablichtungen, Beilagenkonvolut E, deren Übereinstimmung mit den Originalen und Richtigkeit vom Beklagten ausdrücklich zugestanden wurde, geht hervor, dass die Kontostände am 19., 21., 22., 23., 27. und 28. 10. 1981 ‑ der 24. 10. war ein Samstag, der 25. 10. ein Sonntag und der 26. 10. der Nationalfeiertag ‑ zu Lasten der Klägerin 1.001.072,17 S, 937.608,57 S, 956.132,12 S, 872.794,12 S, 908.801,11 S und 960.898,44 S betrugen, wobei der dem Kontoauszug vom 19. 10. 1981 unmittelbar vorausgehende Kontostand gar 1.053.959,32 S betrug.
Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts liegt eine Anweisung auf ein gedecktes Konto nicht nur dann vor, wenn das Konto des Schuldners am Anweisungstag ein entsprechendes Guthaben aufweist, sondern auch dann, wenn die Überweisung als gedeckt behandelt wird ( Reischauer aaO), weil ein noch nicht (voll) ausgenützer Kreditrahmen zur Verfügung steht oder die Überziehungsmöglichkeit erweitert wird ( Schinnerer‑Avancini , Bankverträge 3 I 73).
Aus Punkt 9 Abs 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen, Fassung vom 1. 10. 1979, wonach ein Kunde, der Kredit ohne ausdrückliche Vereinbarung oder über den vereinbarten Betrag oder über den vereinbarten Termin hinaus in Anspruch nimmt (Kontoüberziehung), statt der vereinbarten Zinsen, Gebühren und Provisionen die von der kontoführenden Stelle der Kreditunternehmung für Überziehungen bestimmten Zinsen, Gebühren und Provisionen zu tragen hat, kann keine Pflicht der Bank, sich auf eine Kontoüberziehung einzulassen, abgeleitet werden. Die Bank wird jedoch in aller Regel zur Vornahme einer Kontoüberziehung berechtigt sein, weil die Überziehung als konkludentes Anbot zu einer Erweiterung des bestehenden Kreditrahmens anzusehen sein wird (ähnlich Canaris , Großkomm HGB 3 III/3 [2. Bearb] Rdn 2633).
Ausnahmsweise wird die Bank jedoch auch bei fehlender Deckung zur Einlösung verpflichtet sein, zB, wenn die erforderliche Kontoüberziehung geringfügig und ausweislich der bisherigen Kontoüberziehungen voraussichtlich nur kurzfristig ist und es sich um einen kreditwürdigen Kunden handelt. Die bloße Duldung wiederholter Kontoüberziehungen begründet jedoch grundsätzlich noch keine Pflicht der Bank zur Einlösung auf Kredit ( Canaris aaO Rdn 690). Wenn sich die Kreditunternehmung nicht in der Lage sieht, einen Auftrag auszuführen, ist sie nach Punkt 13 Abs 2 der zitierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen verpflichtet, den Kunden zu verständigen. Dies ermöglicht es dem Kunden unter Umständen, noch rechtzeitig Deckung oder Sicherheiten für eine weitere Kreditgewährung anzuschaffen oder allfällige Fehler, zB irrtümliche Annahme der Kontoüberziehung, aufzuklären ( Canaris am zuletzt genannten Ort; hier ergibt sich zB aus dem Kontoauszug vom 21. 10. 1981, dass die Wertstellung der unter Buchungsnummern 2383 gebuchten Gutschrift vom 5.663,47 S bereits mit 19. 10. 1981 erfolgte). Ob die von der Klägerin mit der Überweisung der Oktoberrate 1981 beauftragte Bank nach den oben dargelegten Grundsätzen bei rechtzeitiger Erteilung des Überweisungsauftrags, also spätestens am 20. 10. 1981, ohne verzögernde Rückfragen zur unverzüglichen Ausführung verpflichtet war ‑ in diesem Fall wäre die Anweisung auf ein „gedecktes“ Konto erfolgt ‑ kann derzeit ohne weitere Feststellungen nicht verlässlich beurteilt werden.
Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Derzeit kann auch noch nicht beurteilt werden, ob die von der Berufungswerberin bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen über das Einlangen des Überweisungsauftrags bei der kontoführenden Filiale der CA‑BV ***** nicht doch entscheidungswesentlich sind. Sollte das Berufungsgericht keine Bedenken gegen diese von ihm bisher noch nicht überprüften Feststellungen haben und sie daher übernehmen, dann könnte die neuerliche Berufungsentscheidung ohne neuerliche Berufungsverhandlung ergehen. Ansonsten wäre eine neuerliche Berufungsverhandlung erforderlich.
Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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