Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4.Juli 1956 geborene Stickereikaufmann Gerhard August A des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG schuldig erkannt, weil er am 9.September 1983 in Lustenau vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider durch Verkauf von 2,5 kg Cannabiskraut an den 'Dealer' Gunter B ein Suchtgift in solchen Mengen in Verkehr setzte, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte.
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Den Verfahrensmangel (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Vernehmung des Gunter B zum Beweis dafür, daß dieser dem Angeklagten sagte, er werde das Suchtgift nur an zwei Personen weitergeben (S 326). Das Erstgericht wies den Beweisantrag mit der Begründung ab, daß selbst die Bestätigung des Vorbringens durch Gunter B nicht zur Entlastung des Angeklagten beitragen könnte (S 327). In der Urteilsbegründung wird hiezu noch ergänzend ausgeführt, dem Angeklagten sei bei seiner Intelligenz klar gewesen, daß zwei ihm unbekannte süchtige Personen für ihren Eigenbedarf nicht eine so große Menge kaufen werden, zumal sie dazu auch nicht über entsprechende Mittel verfügen; der Angeklagte hätte daher eine derartige Äußerung des B jedenfalls sofort als unrichtig erkannt (S 335).
Durch die Abweisung des Beweisantrages wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt; wurde doch die unter Beweis zu stellende Tatsache ohnehin den Urteilsfeststellungen zugrundegelegt. Ob der Angeklagte in seinen Vorsatz einen Verteilungsmodus aufnahm, der die Gefahr entsprechend weiter Streuung des Suchtgifts mit sich brachte, folgte nicht zwingend aus den ihm von Gunter B gegebenen Informationen. Das Schöffengericht konnte vielmehr im Einklang mit den Denkgesetzen und der forensischen Erfahrung als erwiesen annehmen, daß es für den Angeklagten schon auf Grund der großen Menge des Suchtgifts und des dafür bezahlten hohen Preises klar war, daß es an eine unbekannte Zahl von Personen verteilt wird (S 335, 336), wie dies auch tatsächlich geschehen ist (vgl. S 334). Ebenso versagt die Mängelrüge (Z 5), mit welcher der Beschwerdeführer die erstgerichtlichen Feststellungen über seinen Gefährdungsvorsatz nach Art einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft, indem er darzutun versucht, daß bei den vorliegenden Beweisergebnissen auch andere Feststellungen über seinen Vorsatz denkmöglich gewesen wären. Zu Unrecht wendet sich der Beschwerdeführer schließlich in der Mängelrüge auch gegen die - im erstinstanzlichen Verfahren von ihm selbst unbestrittene - erstgerichtliche Annahme, daß es sich bei der verhandelten Substanz um Cannabiskraut (Marihuana) handelte. Angesichts des diesbezüglichen Geständnisses des Angeklagten waren weitere Urteilsausführungen dazu entbehrlich, zumal die gesamten Verfahrensergebnisse, insbesondere die Abnahme des verhandelten Cannabiskrautes durch zahlreiche, mit Suchtgift vertraute Personen zu dem relativ hohen Preis von 20.000 S pro kg (vgl. dazu die Preisangaben des Jahres 1978 in Erben/Kodek/Pipal, S 45, FN 26) nicht den geringsten Zweifel an der Qualität dieses Stoffes als Suchtgift aufkommen ließen.
Nähere, bei der gegebenen Sachlage gar nicht zu treffende Feststellungen über den Tetrahydrocannabinol-(THC)-Gehalt des verhandelten Cannabiskrautes waren deshalb entbehrlich, weil die Grenzmenge, die allerdings bei Cannabiskraut (Marihuana) in der Regel wesentlich über den vom Erstgericht angenommenen 100 g liegt, im vorliegenden Fall jedenfalls überschritten ist.
Der THC-Gehalt liegt bei Cannabiskraut gewöhnlich zwischen 0,25 % bis 8 %
(vgl. Erben/Kodek/Pipal, a.a.0. S 236; Leukauf/Steininger Nebengesetze 2
S 827). Demgemäß beträgt die sogenannte Grenzmenge, also jene Suchtgiftmenge, die geeignet ist, 30-50 Personen durch Kontakt mit dem Suchtgift der Rauschsucht zuzuführen oder sie darin zu bestärken, bei Cannabiskraut mit einem THC-Gehalt von 0,2 % 1.000 g, bei einem höheren Wirkstoffgehalt entsprechend weniger. Diese Grenzmenge ist aber sogar bei dem (vom Beschwerdeführer angenommenen) für ihn günstigsten THC-Gehalt von (nur) 0,2 % vorliegend um 150 % überschritten. Bei der Frage des in concreto gegeben gewesenen Wirkstoffgehaltes des verhandelten Cannabiskrauts handelt es sich daher vorliegend nicht um eine entscheidende Tatsache im Sinne des behaupteten Nichtigkeitsgrundes. Im Rahmen der Rechtsrügen (Z 9 lit a und 10, der Sache nach nur Z 10) weist der Beschwerdeführer zwar an sich zutreffend darauf hin, daß entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes - wie oben dargelegt - die Grenzmenge bei Marihuana (falls dieses nicht einen überdurchschnittlich hohen, hier nicht festgestellten THC-Gehalt aufweist) mehr als 100 g beträgt. Der Beschwerdeeinwand versagt indessen schon darum, weil durch das Verhandeln von 2 1/2 kg Cannabiskraut jedenfalls eine (abstrakte) Gemeingefahr herbeigeführt wurde, steht doch die Behauptung des Beschwerdeführers, es entspreche allgemeiner Erfahrung, daß der THC-Gehalt auch nur 0,05 % (oder noch weniger) betragen könnte, im Widerspruch zu dem - in der Beschwerde ohnedies erwähnten - aktuellen Stand der Wissenschaft (vgl. hiezu Machata/Maurer in RZ 1981 S 45 ff. und die Literaturhinweise in Leukauf/Steininger Nebengesetze 2 S 821 f.). Insoweit der Beschwerdeführer schließlich (ersichtlich) eine Beurteilung seines Tatverhaltens (bloß) nach § 16 Abs 1 Z 1 SuchtgiftG anstrebt, verläßt er mit dem bezüglichen Vorbringen den Boden der (oben wiedergegebenen) entgegenstehenden Urteilsannahmen und bringt solcherart den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund, der ein Festhalten am gesamten, im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und den Nachweis erfordert, daß das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr. Außerdem verhängte es nach § 12 Abs 4 SuchtgiftG eine Verfallsersatz-Geldstrafe in der Höhe von 50.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zwei Monate (Ersatz-)Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wurde der Umstand, daß der Angeklagte 'ein vielfaches der objektiven Grenzmenge' an Suchtgift in Verkehr setzte als erschwerend, hingegen der bisher unbescholtene Lebenswandel und 'das sich lediglich auf den Verkauf selbst beziehende Geständnis' als mildernd gewertet.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe, die bedingte Nachsicht der Freiheits- und Verfallsersatzgeldstrafe oder aber die Verhängung einer Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe an; die Berufung der Staatsanwaltschaft hinwieder zielt auf eine Erhöhung der Freiheitsstrafe ab. Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Im Bestreben des Angeklagten, einen im Jahr 1978 (bei einem Geschäft) erlittenen Verlust in der Höhe von 3.500 US-Dollar durch den Erlös aus dem Verkauf des verfahrensgegenständlichen Suchtgiftes abzudecken, kann entgegen der Meinung der Staatsanwaltschaft ein Handeln aus besonders verwerflichen Beweggründen i.S. des besonderen Erschwerungsgrundes nach § 33 Z 5 StGB (noch) nicht erblickt werden. Andererseits hat das Erstgericht ausgehend von einer für Cannabiskraut unrichtigen Grenzmenge den Umstand, daß diese um ein Vielfaches überschritten werde, zu Unrecht als Erschwerungsgrund herangezogen.
Bei den sohin gegebenen Strafzumessungsgründen, vor allem jedoch im Hinblick auf die besondere Verwerflichkeit eines durch nicht süchtige Täter aus Gewinnsucht getätigten Suchtgifthandels ist die über den Berufungswerber verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr selbst unter Bedacht auf seinen sonst tadellosen und sozial angepaßten Lebenswandel innerhalb des von einem bis zu zehn Jahren reichenden (gleitenden) Rahmens des § 12 Abs 1 erster Strafsatz SuchtgiftG nicht überhöht. Damit ist dem weiteren Verlangen des Angeklagten nach Verhängung einer Geldstrafe anstelle einer Freiheitsstrafe (§ 37 StGB: 'von nicht mehr als sechs Monaten') schon mangels Vorliegens einer der gesetzlichen Grundvoraussetzungen der Boden entzogen.
Unbegründet ist ferner das auf bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe gerichtete Begehren, dem (im Hinblick auf die Art der Tat sowie auf die ihr adäquate Größe der Tatschuld des Angeklagten aber auch mit Bedacht auf die berechtigten Interessen der Gesellschaft an einem wirksamen Schutz gegen einen - wie hier - ausschließlich aus Gewinnstreben getätigten Suchtgifthandel nicht zuletzt schwerwiegende Gründe der Generalprävention (§ 43 StGB) entgegenstehen.
Die bedingte Nachsicht der Verfallsersatz-Geldstrafe (als einer Nebenstrafe) aber (vgl. SSt 52/8) ist im Gesetz (§ 44 Abs 2 zweiter Satz StGB) - unter der weiteren Voraussetzung, daß auch ihre selbständige Vollstreckung als entbehrlich erscheint - nur für den Fall vorgesehen, daß die Hauptstrafe ebenfalls bedingt nachgesehen wird.
Es mußte daher beiden Berufungen ein Erfolg versagt bleiben.
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