OGH 6Ob673/84

OGH6Ob673/8424.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gericthshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sieglinde L*****, vertreten durch Dr. Helmut Adelsberger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Hildegard P*****, und 2. Erich P*****, beide vertreten durch Dr. Johann Gadzinski, Rechtsanwalt in Wien, wegen 180.000 S samt Nebenforderungen, infolge Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. Mai 1984, GZ 41 R 289/84‑11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 9. Jänner 1984, GZ 42 C 291/83‑6, in Ansehung der Erstbeklagten abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0060OB00673.840.1024.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.865,36 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 960 S und an Umsatzsteuer 536,85 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Erstbeklagte ist Alleineigentümerin der Liegenschaft mit dem Hause in *****. Die Klägerin mietete im März 1983 die mit Nr 9 bezeichnete Wohnung dieses Hauses. Nach dem Inhalt der mit 9. März 1983 datierten Mietvertragsurkunde besteht die Wohnung aus zwei Zimmern, Küche, Vorzimmer und Badezimmer und hat eine Nutzfläche von 64 m 2 . Sie war mit Etagenheizung und einem komplett eingerichteten Badezimmer ausgestattet und ihre Brauchbarkeit war mit „erstklassig“ angeführt. Das Mietverhältnis sollte am 1. April 1983 begonnen und wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Der monatliche Hauptmietzins wurde mit 1.500 S angegeben und einer Wertsicherungsklausel unterworfen. Der Mietvertragsvordruck blieb in seinem über eine Mietzinsvorauszahlung handelnden § 13 unausgefüllt.

Als sich die Klägerin als Mietinteressentin an die vom Ehemann der Hauseigentümerin beauftragte Vermittlerin wandte, erklärte ihr diese, infolge hoher Investitionen durch die Liegenschaftseigentümer müsse bei Abschluss des Mietvertrags ein Ablösebetrag von 180.000 S bezahlt werden. Die Klägerin leistete die geforderte Zahlung zu Handen der Vermittlerin. Diese gab den Betrag an die Erstbeklagte weiter.

Mit der am 20. Mai 1983 angebrachten Klage begehrte die Klägerin die Rückzahlung des Betrags von 180.000 S sA.

Das gegen den Zweitbeklagten erhobene Rückzahlungsbegehren ist nicht mehr streitverfangen.

Das Erstgericht wies das gegen die Erstbeklagte – in der Folge nur noch kurz „Beklagte“ – erhobene Begehren ab.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil in diesem Ausspruch im Sinne einer Klagsstattgebung ab. Es sprach dazu aus, dass die Revision zulässig sei.

Das Erstgericht hatte seiner Entscheidung noch folgenden weiteren, vom Berufungsgericht aus rechtlichen Erwägungen nicht übernommenen Sachverhalt zugrunde gelegt:

Das Mietverhältnis mit der Vormieterin habe etwa eineinhalb Jahre vor der Anmietung der Wohnung durch die Klägerin geendet. Die Beklagte und ihr Ehemann hätten zunächst gemeinsam mit ihrem Sohn geplant, die Wohnung instandzusetzen und sie dem „Enkelsohn“ zur Verfügung zu stellen. Der Sohn der Klägerin habe umfangreiche Verbesserungsarbeiten geleitet. In die Wohnung sei Gas eingeleitet und es sei eine Gasetagenheizung installiert worden. Unter Errichtung einer Zwischenwand sei ein Baderaum abgetrennt und dieses Badezimmer verfliest, mit Wanne, Waschbecken und Armaturen ausgestattet und in die Küche sei Wasser eingeleitet worden. Es seien an Teilen des Fußbodens der Estrich erneuert, Parkettböden abgeschliffen, neue Fenster eingesetzt, Türen und Decken gestrichen und alle Wohnräume neu tapeziert worden. Für diese Verbesserungsarbeiten sei ein Betrag von rund 243.600 S aufgewendet worden. Die Beklagte habe sich jedoch in der Folge entschlossen, die Wohnung nicht einem Familienangehörigen zu überlassen. Ihr Ehemann habe einer Realitätenvermittlerin einen Auftrag zur Vermietung der Wohnung erteilt. Dazu habe er seinem Sohn erklärt, er müsse für eine Wohnung der gegebenen Lage und Ausstattung einen Hauptmietzins von 3.000 S verlangen können, würde die Vermittlerin aber anweisen, einen niedrigeren (monatlichen) Mietzins zu vereinbaren, um bei der Vermietung einen größeren Bargeldbetrag erzielen zu können. Auch nach den vom Sohn der Beklagten geleiteten Arbeiten habe die Wohnung noch einige Fehler aufgewiesen: Die Eingangstüre habe Löcher aufgewiesen, das größte sei etwa 20 cm hoch und 15 cm tief gewesen; das Fenster im WC, das als einziges nicht erneuert worden sei, sei durchmorscht gewesen, ein Heizkörper sei undicht gewesen. Der Elektroanschluss in der Küche sei zur Verwendung von Starkstromgeräten nicht geeignet gewesen und die Badezimmertür sei erst zwei Wochen nach dem Einzug der Klägerin geliefert worden.

Das Erstgericht sah die Voraussetzungen nach § 16 Abs 1 Z 5 MRG für eine von den Beschränkungen nach § 16 Abs 2 MRG befreite Mietzinsvereinbarung als erfüllt an, erachtete einen monatlichen Hauptmietzins von 3.000 S als angemessen und wertete im Hinblick auf eine von der Vermieterin angenommene Mindestdauer des auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrags von 10 Jahren die bei Abschluss des Vertrags vereinbarte und geleistete Zahlung von 180.000 S (= 120 x 1.500 S) als zulässige Mietzinsvorauszahlung.

Das Berufungsgericht befand es als wesentlich, dass es in Ansehung des von der Klägerin aus Anlass ihres Mietvertragsabschlusses bezahlten Betrags von 180.000 S an einem übereinstimmenden Parteiwillen gefehlt habe, den Betrag auf einen bestimmten Zeitraum umzulegen. Nach dem übereinstimmenden Parteiwillen habe die Klägerin vielmehr einen Betrag gezahlt, der von der Vermieterin wegen ihrer Investitionen auf das Mietobjekt gefordert worden sei. Derartige Investitionen des Vermieters rechtfertigten aber die Vereinbarung eines den sogenannten Kategoriemietzins übersteigenden Hauptmietzinses nicht. Es liege eine nach § 27 MRG unzulässige und rückforderbare Leistung vor.

Die Beklagte ficht das sie betreffende abändernde Berufungsurteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils erster Instanz zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Klägerin strebt die Bestätigung des angefochtenen Urteils an.

Die Revision ist iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, weil die Entscheidung des Rechtsstreits von den Kriterien der Angemessenheit einer im Zusammenhang mit der Vermietung einer Wohnung auf unbestimmte Zeit vereinbarten einmaligen Leistung abhängt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber nicht gerechtfertigt.

Im Anwendungsbereich des § 16 Abs 1 MG war die zulässige Mietzinshöhe sondergesetzlich nicht beschränkt und nur nach allgemeinem Vertragsrecht (Wucher, Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes) begrenzt, selbt glücksspielsartige Vereinbarungen waren in diesem Rahmen nicht unwirksam.

Demgegenüber erklärt § 16 Abs 1 MRG für seinen Anwendungsbereich Vereinbarungen über die Mietzinshöhe nur bis zu dem für den Mietgegenstand nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs‑ und Erhaltungszustand angemessenen Betrag als zulässig. Damit ist die Vereinbarung jedes die Angemessenheitsgrenze übersteigenden Mietzinses nach § 27 MRG ungültig.

Die Angemessenheit einer auf den Hauptmietzins anzurechnenden einmaligen Leistung kann aber nicht beurteilt werden, wenn eine zumindest schlüssige Abrede über die Mietzeit fehlt, für die die einmalige Leistung Entgelt sein soll. Kann eine übereinstimmende Widmumg der einmaligen Zahlung des Mieters für eine bestimmte Mietzeit nicht angenommen werden, muss die Leistung auf die erste Mietzinsperiode verrechnet werden. Es wäre denkbar, dass im Anwendungsbereich des § 16 Abs 1 MRG im Hinblick auf einen übermäßigen Verschleiß der Ausstattung und eine übermäßige Verschlechterung des Erhaltungszustands bei jedem Mieterwechsel im Einzelfall für die erste Zinsperiode ein höherer Mietzins als für die folgenden angemessen sei. Diesbezüglich unterließ aber die hiefür als behauptungspflichtig anzusehende Beklagte jedes Vorbringen. Ihre der Mieterin nicht offengelegte interne Kalkulation einer mindestens 10‑jährigen Mietdauer vermag eine Vereinbarung nicht zu ersetzen, weil nur eine solche mag sie auch bloß schlüssig zustandekommen, verbindlich wäre.

Gebricht es – wie im vorliegenden Fall – an einem für die Angemessenheitsbeurteilung notwendigen Element der Zinsvereinbarung, dann lässt sich die Angemessenheit nicht positiv annehmen und die Vereinbarung unterliegt daher der Sanktion des § 27 MRG. Nach § 16 Abs 1 MRG sind in seinem Anwendungsbereich Zinsvereinbarungen nicht – im Rahmen der Bestimmungen des allgemeinen Vertragsrechts – „frei“, sondern nur bis zur sondergesetzlich normierten und mit der Ungültigkeitssanktion ausgestatteten Begrenzung der Angemessenheit zulässig. Die Rechtsprechung zu § 16 und § 16a MG ist zur Auslegung des § 16 MRG nur unter Berücksichtigung dieses Unterschiedes verwertbar.

Aus diesen Erwägungen war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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