OGH 12Os132/84

OGH12Os132/8418.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kral, Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Hörburger und Dr.Lachner (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Gurschler als Schriftführer in der Strafsache gegen Wilhelm Josef A wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach § 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Jänner 1984, GZ 6 b Vr 13822/82-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Scheibenpflug, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Wiedner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen; im übrigen wird der Berufung nicht Folge zu geben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (u.a.) Wilhelm Josef A 1.) des 'Vergehens' (richtig: Verbrechens) der versuchten schweren Nötigung nach § 15, 105 (Abs 1), 106 Abs 1 Z 1 StGB und 2.) des Vergehens der Körperverletzung (als Bestimmungstäter gemäß § 12 zweiter Fall StGB) nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Lediglich den Schuldspruch wegen des bezeichneten Verbrechens bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Nach dem bekämpften Teil des Schuldspruches hat der Beschwerdeführer Anfang Dezember 1982 im einverständlichen Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Elisabeth B deren Ehegatten Georg C durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich durch die von Elisabeth B an ihren Mann weitergegebene telefonische Ankündigung, ihn 'umzubringen bzw. zu liquidieren, falls er seine Gattin bzw. Österreich nicht verlasse', zu einer Handlung zu nötigen versucht. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen unterhielt der Angeklagte mit Elisabeth B, deren Ehe mit Georg B 'unharmonisch' verlief, ein intimes Verhältnis. Zwecks Verwirklichung seines Wunsches, daß Elisabeth B zu ihm ziehe und deren Mann Österreich verlasse, rief der Angeklagte am 5.Dezember 1982 Elisabeth B mehrmals an und äußerte ihr gegenüber die oben zitierte Drohung. Elisabeth B teilte diese Drohung - der mit dem Beschwerdeführer getroffenen Vereinbarung gemäß - wortwörtlich ihrem Mann mit, ohne die Person des Drohers preiszugeben.

Bereits Ende November 1982 hatten der Beschwerdeführer und Elisabeth B beschlossen, Georg B verprügeln zu lassen. Hiezu wurde vom Beschwerdeführer der Mitangeklagte Karl D gedungen, der sich am 5. Dezember 1982 als Krampus verkleidet Eintritt in die Wohnung der Ehegatten B verschaffte und hiebei sowie nochmals am Folgetag Georg B durch Faustschläge leicht verletzte. Georg B war durch die gesamten Vorfälle dermaßen verängstigt, daß er sich bei seiner Tante verbarg, sein Aussehen veränderte und letztlich ein Kleinkalibergewehr erwarb. Mit diesem Gewehr wurde er am 13.Dezember 1982 von seiner Gattin ermordet.

Unter dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund (Z 5) rügt der Beschwerdeführer zunächst das Ersturteil als undeutlich, weil seiner Auffassung nach hinsichtlich der schuldspruchgegenständlichen Telefonanrufe nicht klar zum Ausdruck gebracht werde, welche Forderungen er Georg B durch dessen Gattin habe ausrichten lassen und mit welchen nachteiligen Folgen jener für den Fall der Nichtbefolgung zu rechnen gehabt habe.

Der Einwand versagt.

Der behauptete Begründungsmangel läge nur dann vor, wenn den Urteilsfeststellungen nicht klar zu entnehmen wäre, welche entscheidenden Tatsachen auf der subjektiven und objektiven Tatseite das Gericht als erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschehen ist. Vorliegend ergibt sich jedoch aus den oben wiedergegebenen Urteilsfeststellungen unzweideutig, daß der Tatplan des Beschwerdeführers darauf gerichtet war, Georg B durch mittelbare Bedrohung mit dem Tod - die Begriffe 'umbringen' und 'liquidieren' sind im gegebenen Zusammenhang völlig synonym - zur Aufgabe der Ehegemeinschaft mit Elisabeth B und zum Verlassen des Bundesgebietes zu bestimmen. Außerdem gründete das Erstgericht die in Rede stehenden Feststellungen, der Beschwerde zuwider formal mängelfrei, auf die (gemäß § 258 Abs 2 StPO) für glaubwürdig befundenen Aussagen der Elisabeth B vor der Polizei, vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung (S 29 ff., 155 f., 199 ff.).

Wenn demgegenüber in der Mängelrüge der Sache nach unter dem Vorwurf einer unvollständigen und unzureichenden Begründung die denkbare Alternative anderer Schlußfolgerungen, als sie das Erstgericht gezogen hat, dargelegt wird, so stellt dies einen unzulässigen und daher unbeachtlichen Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung dar. Dies gilt insbesondere für jene Beschwerdeeinwände, mit denen der Versuch unternommen wird, die Schuldlosigkeit des Beschwerdeführers aus dem Umstand abzuleiten, daß ohne sein Zutun Elisabeth B in der Folge ihren Gatten ermordete. Ein Widerspruch zwischen den Urteilsannahmen und der ihnen zugrunde gelegten Aussage der Elisabeth B besteht bloß insofern, als - was die Motivation für die dem Beschwerdeführer zur Last liegende Tat anlangt - die Genannte in ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter (S 156 i.V.m. S 199) von einem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers, Georg B zur Aufgabe der Ehegemeinschaft und allfälligen Einwilligung in eine Scheidung zu veranlassen, sprach, wogegen das Erstgericht bei der Wiedergabe dieser Aussage in den Entscheidungsgründen davon ausging, daß nur der Beschwerdeführer ein solches Interesse gehabt hätte (S 223). Diese Abweichung betrifft jedoch einen unwesentlichen Teil der Aussage und ist im übrigen deshalb nicht entscheidend, weil nach der gesamten Aktenlage und auch den Behauptungen des Beschwerdeführers zufolge keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß außer ihm und Elisabeth B (auch noch) irgendeiner anderen Person daran gelegen sein hätte können, Georg B zur Beendigung der ehelichen Gemeinschaft mit Elisabeth B zu veranlassen.

Im Gegensatz zum Urteilsinhalt und schon aus diesem Grunde unbeachtlich ist die Beschwerdebehauptung, wonach der angebliche Schluß, daß die Ermordung Georg BS durch dessen Gattin ohne 'ein persönliches Interesse (derselben) an dessen Beseitigung' geschehen wäre, den Verfahrensergebnissen widerspräche.

Das Ersturteil enthält diese Schlußfolgerung nicht. Der Umstand, daß Elisabeth B in ihrer am 7.Dezember 1982 - also noch vor der Ermordung ihres Mannes - erfolgten ersten polizeilichen Vernehmung die telefonischen Drohungen den Mitgliedern eines ihrem Mann feindlich gesinnten Motorradclubs zuschrieb (S 117 f i.V.m. S 199), war entgegen dem Einwand der Beschwerde nicht erörterungsbedürftig. Denn mit der Bekanntgabe des Beschwerdeführers als Urhebers der telefonischen Drohungen würde Elisabeth B in dieser Vernehmung bereits auch ihr eigenes Verschulden geoffenbart haben, obwohl der Aktenlage nach zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Verdachtsmomente gegen sie vorlagen. Diese Erklärung für ihre ursprünglich unrichtige Darstellung liegt ersichtlich den beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichtes zugrunde, das hierüber im Interesse einer gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO gebotenen gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe im einzelnen nicht näher Aufschluß zu geben gehalten war (vgl. Mayerhofer/Rieder StPO ENr. 104 f. zu § 270).

Daß sich der Beschwerdeführer in bezug auf die - allerdings mit wesentlich geringerer Strafe bedrohte - Beteiligung an der leichten Verletzung Georg BS (laut Schuldspruch Punkt 2) geständig verantwortete, steht der Annahme seiner - von ihm geleugneten - Täterschaft im Falle der versuchten schweren Nötigung weder logisch, noch nach allgemeiner und forensischer Erfahrung entgegen. Auch damit hatte sich das Erstgericht in der Urteilsbegründung, den auch insoweit bloß die Lösung der Beweisfrage bekämpfenden Beschwerdeausführungen zuwider, nicht zu befassen.

Gleiches gilt im Ergebnis für die in der Beschwerde ins Treffen geführte Verantwortung des Mitangeklagten D, in welcher dieser von ihm selbst gesetzte Drohungen nicht ausschloß (S 77, 198). Diese Verantwortung des Mitangeklagten betrifft indes nicht Drohungen mit dem Tod, wie sie dem Beschwerdeführer angelastet werden, sondern (bloß) solche mit weiteren Mißhandlungen, und demnach einen anderen Sachverhalt, als er dem von der Anfechtung betroffenen Schuldspruch des Beschwerdeführers zugrundeliegt.

Geht sohin die Mängelrüge fehl, so erweist sich auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) als nicht begründet, in welcher der Beschwerdeführer die objektive Eignung der Drohung, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Z 5 StPO), bestreitet:

Bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung und Anlegung eines die besonderen Verhältnisse des Opfers miteinbeziehenden gemischt objektiv-individuellen Maßstabes eines besonnenen Durchschnittsmenschen (vgl.Kienapfel, BT I 2 , § 105 RN 44) kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles, insbesondere auch der am selben Tag, an dem die Drohungen erfolgten, geschehenen beträchtlichen Mißhandlungen des Opfers durch einen ihm Unbekannten sowie gerade wegen des zwar etwas unbestimmten, jedoch eindeutig eine Bedrohung des Lebens des Opfers zum Ausdruck bringenden Inhaltes der mittelbaren Drohungen - wodurch die Ungewißheit des Opfers über sein Schicksal und damit sein Angstzustand nur noch vergrößert wurde - nach den ersichtlichen wie auch schlüssigen Urteilsannahmen nicht ernstlich bezweifelt werden, daß der Bedrohte auch bei unbefangener Betrachtung der Situation die Verwirlichung des angedrohten übels erwarten, d.h. den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei in der Lage und willens, ihm nach dem Leben zu trachten. Damit steht in rechtlicher Beziehung die geforderte objektive Eignung der Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, außer Frage (EvBl. 1982/28 u.a.; Leukauf/Steininger Kommentar 2 § 105 RN 6 f.). Weitere Feststellungen tatsächlicher Natur waren hiezu entbehrlich.

Das Erstgericht hat sohin das Vorliegen einer den Erfordernissen des § 74 Z 5 StGB Rechnung tragenden (gefährlichen) Drohung mit dem Tod ohne Rechtsirrtum (und Begründungsmangel) bejaht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 106 Abs 1

StGB zu acht Monaten Freiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wurde die wiederholte Körperverletzung, die Anstiftung des Karl D zu dieser Körperverletzung und eine auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe als erschwerend, hingegen das Teilgeständnis und der Umstand, daß es teilweise (nämlich beim Verbrechen der schweren Nötigung) beim Versuch blieb, als mildernd gewertet.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an. Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.

Unbegründet ist die Berufung, soweit sie auf eine Strafherabsetzung abzielt. Auch unter Bedachtnahme auf die am 17.Februar 1983 durch das Strafbezirksgericht Wien zum AZ 14 U 632/83 erfolgte (weitere) Verurteilung wegen des Vergehens nach § 83 Abs 1 StGB - in diesem Verfahren wurde über den Angeklagten eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 130 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt - ist die über den Angeklagten im vorliegenden Verfahren verhängte achtmonatige Freiheitsstrafe bei den gegebenen Strafzumessungsgründen - denen die Deliktskonkurrenz als weiterer Erschwerungsgrund noch hinzuzurechnen ist - innerhalb des von sechs Monaten bis zu fünf Jahren reichenden (Freiheits-) Strafrahmens nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) jedenfalls nicht zu hoch ausgemessen worden. Insoweit war demnach der Berufung ein Erfolg zu versagen. Begründet ist dieses Rechtsmittel hingegen in Ansehung des Bestrebens um eine bedingte Nachsicht der Strafe.

Im Hinblick darauf, daß der Angeklagte die in Rede stehenden Straftaten nach der Aktenlage ersichtlich unter dem Einfluß der abgesondert verfolgten Elisabeth B begangen hat, (die am 13.Dezember 1982 ihren Ehegatten Georg B durch Abgabe von zwei Schüssen aus einem Kleinkalibergewehr tötete), durch seine nunmehrige Tätigkeit als Verlader bei der Post in beruflicher sowie gleichermaßen (nach einer mittlerweile erfolgten Eheschließung) auch in familiärer Hinsicht sozial integriert zu sein scheint, und daß er bisher das Strafübel eines Freiheitsentzuges noch nicht erlitten hat, erscheint ungeachtet der einschlägigen Vorstrafenbelastung und des jedenfalls nicht unerheblichen Schuld- und Unrechtsgehaltes der vorliegenden Straftaten letzten Endes doch noch einmal die Erwartung als gerechtfertigt, daß die bloße Androhung der Vollziehung der Freiheitsstrafe den Zwecken der Spezial- und Generalprävention (§ 43 Abs 1 StGB) bei ihm ausreichend Rechnung tragen werde. Um die anscheinend reale Chance einer möglichen Resozialisierung des Angeklagten nicht zu gefährden, war demnach die (abermalige) Gewährung bedingter Strafnachsicht unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gerade noch vertretbar.

In diesem Sinn war somit der Berufung (teilweise) stattzugeben.

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