OGH 5Ob38/84

OGH5Ob38/8416.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Mieterin V*****, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die Vermieter 1. H*****, und 2. L*****, beide vertreten durch Paul Grossmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ermäßigung des Hauptmietzinses, infolge Revisionsrekurses der Mieterin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 10. Februar 1984, GZ 2a R 63/84‑10, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 18. März 1983, GZ Msch 100/82‑3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00038.840.1016.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss des Gerichts zweiter Instanz wird dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Begründung

In dem je zur Hälfte im Eigentum der Vermieter stehenden Haus *****, sind je eine Wohnung im Erdgeschoß, im ersten Stock und im Dachgeschoß vermietet. Die Mieterin der Mansardenwohnung mit 26 m² Nutzfläche bestehend aus einem Zimmer, einer Küche, WC, Vorraum und Abstellraum mit Wasser und Klosett im Inneren der Wohnung begehrte am 7. 7. 1982 die Entscheidung der Gemeinde über die Zulässigkeit des von den Vermietern begehrten Mietzinses. Diese hätten den infolge der Wertsicherungsvereinbarung von 800 S zur Zeit des Beginns des Mietverhältnisses mit dem 15. 12. 1972 auf nunmehr 1.433,96 S gestiegenen Monatsmietzins weiter eingehoben, obwohl ihnen vor dem Zinstermin Juli 1982 das Begehren auf Ermäßigung des vereinbarten Hauptmietzinses zugegangen sei.

Die Entscheidung der Gemeinde, wonach die getroffene Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses ab dem Zinstermin Juli 1982 insoweit unwirksam sei, als der Hauptmietzins den Betrag von monatlich 429 S übersteige, und die Vermieter der Mieterin den Unterschiedsbetrag zu erstatten hätten, trat außer Kraft, weil sich die Vermieter mit ihr nicht zufrieden gaben und das Gericht anriefen (§ 40 Abs 1 MRG).

Die Vermieter brachten auch vor Gericht vor, das Bestandobjekt liege in einem „typischen Zweifamilienhaus“, stelle keine selbständige Wohnung dar und sei überdies erst durch Ausbau des Dachbodens neu geschaffen worden. Der Mietgegenstand unterliege nach § 1 Abs 4 Z 1 MRG nicht den Bestimmungen über die Ermäßigung des überhöhten Hauptmietzinses nach § 44 MRG. Das aufgrund der Baubewilligung vom 12. 7. 1937 errichtete Zweifamilienhaus habe zunächst über der Wohnung im ersten Stock nur zwei kleine Mansardenzimmer und ein Klosett aufgewiesen. Erst nachträglich sei in eines der Zimmer Wasser eingeleitet und daraus eine Küche geschaffen worden.

Die Vermieter stellten den Antrag, mit Sachbeschluss festzustellen, dass die Wohnung in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen liege und daher die Mietzinsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes nicht Anwendung finden.

Das Erstgericht sprach mit Sachbeschluss aus, das zwischen den Vertragsteilen bestehende Bestandverhältnis unterliege den Bestimmungen über die Mietzinsbildung nach dem Mietrechtsgesetz, das Wohnhaus sei nicht als solches mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen anzusehen, die getroffene Vereinbarung über den Hauptmietzins für die Dachgeschoßwohnung sei ab dem Zinstermin Juli 1982 insoweit unwirksam, als der Hauptmietzins monatlich 429 S übersteige, und die Vermieter hätten der Mieterin den Betrag von 9.125,40 S zu erstatten.

Das Erstgericht ging davon aus, dass der vereinbarte Hauptmietzins für die Wohnung mit 26 m² Nutzfläche der Kategorie C ab Juli 1982 1.434 S betrage, dass das Gebäude und der Mietgegenstand aufgrund einer vor dem 8. 5. 1945 erteilten Baugenehmigung errichtet wurde, der Bestandgegenstand im Dachgeschoß der Mieterin 1972 vermietet wurde und dass je eine weitere Wohnung im Erdgeschoß des Hauses und im ersten Stock gesondert vermietet sind. Dass die beiden Mansardenzimmer bei der Errichtung des Hauses als Bestandteil der Wohnung im ersten Stock gedacht waren und erst später aus einem Zimmer durch Zuleitung des Wassers aus dem WC‑Raum eine Küche geschaffen wurde, sei bedeutungslos. Es handle sich dabei nicht um die nachträgliche Schaffung von Wohnräumen durch Ausbau des Dachbodens im Sinne des § 1 Abs 4 Z 2 MRG. Dass die übrigen Hausbewohner und der Rauchfangkehrer den Vorraum der Wohnung der Mieterin benützen müssten, um den Dachbodenraum und die Kamine zu erreichen, ändere nichts daran, dass es sich bei dieser Wohnung um eine selbständige Wohneinheit handle. Da der vereinbarungsgemäß zu entrichtende Hauptmietzins den Betrag um mehr als die Hälfte übersteige, der sich für die Wohnung nach ihrer Größe und Ausstattungskategorie im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags errechne, und keine Ausnahme vom Geltungsbereich des § 44 MRG vorliege, habe das den Vermietern am 1. 7. 1982 zugegangene Ermäßigungsbegehren zur Folge gehabt, dass ab dem 3. 7. 1982 ‑ der Mietzins sollte nach dem Vertrag jeweils am 3. des Monats fällig sein ‑ die Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses insoweit unwirksam geworden ist, als der Hauptmietzins den Betrag von 429 S (26 m² x 11 S x 150 %) übersteigt. Daraus ergebe sich der von Amts wegen zu berücksichtigende Rückforderungsanspruch der Mieterin (§ 37 Abs 4 MRG).

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Vermieter Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es den Antrag der Mieterin abwies. Es teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichts, dass durch Einleitung des Wassers in einen Wohnraum und dessen Adaptierung zur Küche kein Raum durch Ausbau des Dachbodens neu geschaffen wurde. Dennoch nahm das Rekursgericht an, dass es sich um eine Wohnung in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen handle, so dass der § 44 MRG nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht gilt, weil der Begriff der „selbständigen Wohnung“ nur durch Heranziehung verwandter Gesetzesbestimmungen ausgelegt werden könne. Nach § 2 Z 3 WFG 1954 müsse es sich bei einer Kleinwohnung um eine baulich in sich geschlossene Wohneinheit handeln. Auch § 2 Abs 1 Z 2 WFG 1968 bestimme, dass als Kleinwohnung eine für die dauernde Bewohnung bestimmte, baulich in sich abgeschlossene Wohnung gelte. Danach müsse eine selbständige Wohnung ein selbständiger und abgeschlossener Teil des Gebäudes sein, was auf die Mansardenwohnung nicht zutreffe. Dieser Teil des Hauses müsse von den Mitbewohnern des Hauses betreten werden, um zu den Dachbodenabteilen zu gelangen. Das Haus weise daher nur zwei selbständige Wohnungen (im Erdgeschoß und im ersten Stock) auf. Die der Mieterin in Bestand gegebene Wohnung sei keine „selbständige“.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die abändernde Sachentscheidung des Gerichts zweiter Instanz erhobene Revisionsrekurs der Mieterin ist zulässig und berechtigt.

Ob der den Zugang zu Zimmer, Küche und WC sichernde Vorraum der Mansardenwohnung von dem Stiegenhaus abgetrennt ist und mit den anderen Räumen eine baulich in sich geschlossene selbständige Wohnung bildet oder als Zugang zu allgemein benützten Dachbodenräumen auch anderen Berechtigten dient, bedarf nicht der Feststellung, weil es darauf gar nicht ankommt. Vorauszuschicken ist, dass das Mietrechtsgesetz zunächst im § 1 Abs 1 seinen grundsätzlichen Anwendungsbereich auf die Miete von Wohnungen, einzelnen Wohnungsteilen und Geschäftsräumlichkeiten aller Art (also die Raummiete) umschreibt und in den folgenden Absätzen 2 bis 4 Eingrenzungen des Anwendungsbereichs vorsieht, die teils Mietgegenstände überhaupt dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes entziehen (§ 1 Abs 2 Z 1 bis Z 4), teils nur bestimmte Vorschriften dieses Gesetzes für anwendbar erklären, so im § 1 Abs 4 MRG die §§ 14, 29 bis 36, 45, 46 und 49 MRG.

Entscheidend ist, ob auf das bestehende Mietverhältnis überhaupt der § 37 MRG und sodann der § 44 MRG Anwendung findet. Da sonst eine Ausnahme nicht behauptet wurde und auch nicht hervorgekommen ist, gelten alle Vorschriften des MRG, wenn es sich nicht um eine Wohnung in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen handelt. Wohnräume, die nachträglich durch den Ausbau des Dachbodens neu geschaffen wurden, zählen nicht. Dieser die Ausnahme vom Geltungsbereich des MRG begünstigende Nebensatz war im Entwurf zur Regierungsvorlage 425 BlgNR 15. GP nicht vorhanden und wurde erst später in den Text des Bundesgesetzes eingefügt. Im Bericht des Justizausschusses 880 BlgNR 15. GP wird dazu bemerkt, es sollte klargestellt werden, dass die Einstufung als „Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen“ durch nachträgliche Dachbodenausbauten nicht verloren gehe. Der § 1 Abs 4 MRG sollte nach den Erläuterungen RV 426 BlgNR 15. GP die bei Neubauten, bei Ein‑ oder Zweifamilienhäusern und bei in Wohnungseigentum stehenden Mietgegenständen bestehenden besonderen Umstände und Interessen berücksichtigen.

Ob es sich bei der Mansardenwohnung um eine „selbständige Wohnung“ im Sinne des § 1 Abs 4 Z 2 MRG handelt, ist deshalb nicht von Belang, weil sich als nicht strittig ergibt, dass in dem Wohnhaus jedenfalls im Erdgeschoß und im ersten Stock je eine selbständige Wohnung besteht und daneben die Wohnung im Dachgeschoß, die der Antragstellerin in Bestand gegeben ist. Die Ausnahme, die den Geltungsbereich des Mietrechtsgesetzes einschränkt, ist aber nicht daran geknüpft, dass das Wohnhaus weniger als drei selbständige Wohnungen aufweist, sondern daran, dass neben zwei selbständigen Wohnungen keine weiteren einer Vermietung zugänglichen Räume im Wohnhaus vorhanden sind. Sonst würde der Nebensatz, dass Wohnräume, die durch Dachbodenausbau nachträglich neu geschaffen werden, nicht zählen, nicht recht verständlich sein. Würden solche einzelne neu geschaffenen Wohnräume in bestehende selbständige Wohnungen eingebunden, würde sich an der Zahl der im Haus vorhandenen selbständigen Wohnungen nichts ändern. Sollte aber gemeint sein, dass nachträglich durch Dachbodenausbau neu geschaffene selbständige Wohnungen die Einstufung des Hauses nicht ändern, hätte der Gesetzgeber anstelle des Wortes „Wohnräume“ den Ausdruck „(selbständige) Wohnungen“ verwenden müssen.

Der Einstufung als Bestandgegenstand in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen ist daher jeder weitere nicht Bestandteil dieser beiden selbständigen Wohnungen bildende Wohnraum ohne Rücksicht darauf, ob es sich um eine weitere selbständige Wohnung handelt, schädlich. Dass von einer Neuschaffung von Wohnräumen durch nachträglich vorgenommenen Ausbau des Dachbodens nicht gesprochen werden kann, wenn alle Räume im Dachgeschoß schon in der Errichtungsphase des Hauses entstanden sind und nur nachträglich eine Änderung der Widmung einzelner Räume erfolgte, etwa dadurch, dass Wasser vom angrenzenden WC‑Raum in ein Zimmer eingeleitet und so die Möglichkeit der Benützung dieses Raums als Küche geschaffen wurde, haben die Vorinstanzen richtig erkannt. In dem Haus sind daher mehr (Wohnräume) als nur die zwei selbständigen Wohnungen im Erdgeschoß und im ersten Stock vorhanden. Nur zwei selbständige Wohnungen gäbe es, wenn die Mansardenräume und die Wohnräume im ersten Stock zu einer Wohneinheit zusammengefasst wären.

Es liegt daher eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des MRG nicht vor. Dass bei Anwendung des § 44 MRG sonst die rechtliche Beurteilung durch das Erstgericht unzutreffend wäre, wird von den Vermietern nicht behauptet. Das zulässige Ermäßigungsbegehren führte zur Teil‑Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Höhe des zu entrichtenden Mietzinses, weil der danach zu leistende Bestandzins sich aus der Sicht der Übergangsregelung als überhöht ergibt. Die Mieterin schuldete daher ab dem auf den Zugang ihres Begehrens folgenden Zinstermin nur das Eineinhalbfache des Mietzinses, den die Vermieter bei einer Neuvermietung höchstens vereinbaren dürften.

Der Beschluss des Erstgerichts ist deshalb wiederherzustellen.

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