OGH 11Os144/84

OGH11Os144/8410.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Oktober 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gurschler als Schriftführers, in der Strafsache gegen Josef A und Marianne A wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach den § 146, 147 Abs. 3 StGB und weitere strafbare Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten Marianne A sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Josef A sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengerichts vom 20.Juli 1984, GZ 7 Vr 61/84-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Marianne A wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt I A 1 des Schuldspruches der Angeklagten Marianne A und gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO auch des korrespondierenden Schuldspruches (I A 1) des Angeklagten Josef A, sowie demgemäß in den die beiden Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

Im übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Marianne A sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (zur Gänze) zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagte Marianne A und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der Fuhrwerksunternehmer Josef A des Verbrechens des schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 3 StGB (I. A u. B), des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 StGB (II.) sowie des Vergehens der versuchten Täuschung nach den § 15, 108 Abs. 1 StGB (IV.) und seine Gattin Marianne A des Verbrechens des schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 3 StGB (I. A), sowie des Verbrechens der betrügerischen Krida als Beteiligte nach den § 12, 156 Abs. 1 StGB (III.) schuldig erkannt. Vom Betrugsvorwurf in weiteren Fällen wurden Josef A und Marianne A gemäß dem § 259 Z 3 StGB freigesprochen.

Dieses Urteil wird von der Angeklagten Marianne A in den Punkten I/A/1 und III/ ihres Schuldspruchs und von der Staatsanwaltschaft im Punkt B/2 des Freispruchs des Angeklagten Josef A mit Nichtigkeitsbeschwerden angefochten; der Schuldspruch des Angeklagten Josef A erwuchs in Rechtskraft (ON 56). Von Marianne A werden die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO geltend gemacht; die Beschwerde der Staatsanwaltschaft stützt sich lediglich auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a der zitierten Gesetzesstelle.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Marianne A:

Laut Punkt I/A/1 des Schuldspruchs haben Josef A und Marianne A am 29. November 1982 in Aspach im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch die Vorgabe, zahlungsfähige Kunden zu sein, und durch Verschweigen der Tatsache, daß sich Josef A im Konkurs befand, Josef B zur Herausgabe eines PKWs, Marke Ford Taunus, im Wert von 74.000 S, mithin durch Täuschung über Tatsachen, zu einer Handlung verleitet, die den Getäuschten um 61.000 S (richtig: 51.000 S) schädigte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Teil ihres Schuldspruchs gerichtete Beschwerde der Angeklagten Marianne A ist insofern berechtigt, als unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung im Sinn der Z 5

des § 281 Abs. 1 StPO gerügt wird, das Erstgericht habe sich nicht mit der Verantwortung der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt, ihre Mutter hätte ihr das Geld für die geleisteten Teilzahlungen (von insgesamt 23.000 S) gegeben und versprochen, auch den Restkaufpreis zu begleichen (vgl. Bd. II, S 5 f d.A). Dieser von der Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung vorgebrachten Behauptung kommt bei Lösung der Frage, ob den Angeklagten mangels Zahlungsfähigkeit ein Handeln mit (zumindest bedingtem) Schädigungsvorsatz anzulasten ist, entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Denn wenn man auch von der dem angefochtenen Schuldspruch zugrundeliegenden Prämisse ausgeht, bei Verkaufsabschluß wäre - unbeschadet einer allfälligen späteren Kaufpreisstundung durch Josef B - als Zahlungsziel Dezember 1983 und nicht, wie von den Angeklagten behauptet, erst Ende 1984 vereinbart worden, könnten die Angeklagten im Fall einer entsprechenden Zusage damit gerechnet haben, die Mutter der Marianne A werde für sie in Vorlage treten und den Schuldbetrag nach Eintritt der Fälligkeit begleichen.

Die stillschweigende übergehung dieses Teils der Verantwortung der Angeklagten Marianne A verwirklicht einen den Ausspruch über wesentliche Tatsachen betreffenden Begründungsmangel, welcher die Aufhebung des betroffenen Punktes des Schuldspruchs und eine Verfahrenserneuerung in diesem Umfang unvermeidlich macht, ohne daß es noch eines Eingehens auf die weiteren, im gegebenen Zusammenhang vorgebrachten Beschwerdeeinwände bedürfte.

Da dieselben Gründe, auf denen diese Verfügung beruht, auch dem Mitangeklagten Josef A, der (auch insoweit) keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriff, zustatten kommen, war gemäß dem § 290 Abs. 1, zweiter Fall, StPO von Amts wegen auch dessen Schuldspruch wegen Betrugs zum Nachteil des Josef B (Faktum I A 1) aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird zudem zu beachten sein, daß einerseits eine in Grenzen gehaltene verspätete Rückzahlung für sich allein strafrechtliche Haftung nicht für die gesamte Kaufpreisforderung, unter Umständen aber für einen allfälligen Verzögerungsschaden begründen könnte (vgl. ÖJZ-LSK 1978/378), und anderseits der strafrechtlich relevante Schaden bei Herauslockung von Sachen, die - wie vorliegend - unter Eigentumsvorbehalt übergeben wurden (vgl. Bd. I, S 247, 249, Bd. II, S 59 d.A) und noch dem Zugriff des Verkäufers unterliegen, nicht zwangsläufig die gesamte Kaufpreisforderung umfaßt, sondern sich nach der Differenz zwischen dem offenen Kaufpreisrest und dem Verkehrswert der Sache, bezogen auf den nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten üblichen Zeitpunkt der (künftigen) Verwirklichung des Rückforderungsrechtes, unter Bedachtnahme auf die weitere Verwertungsmöglichkeit des Verkäufers richtet (vgl. ÖJZ-LSK 1977/60, 1978/316). Einer gesetzmäßigen Ausführung entbehrt hingegen die Beschwerde der Angeklagten Marianne A insoweit, als darin zum Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO geltend gemacht wird, eine Verurteilung wegen betrügerischer Krida (Punkt III des Schuldspruchs) hätte nur in Beziehung auf einen Schadensbetrag von 10.000 S ergehen dürfen: Nach dem Inhalt des Schuldspruches und den hiezu getroffenen Urteilsfeststellungen (vgl. Bd. II, S 63 f, 73 f d. A) schaffte Josef A zwei Kalbinnen im Werte von ca. 20.000 S und zwei Schweine unbekannten Wertes, die zur Hälfte in seinem Eigentum und im Eigentum der Marianne A standen, dadurch beiseite, daß er die Tiere verkaufte bzw. schlachtete und für sich verwendete, und schmälerte dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines Teiles von ihnen (Punkt II/ des Schuldspruchs). Marianne A liegt zur Last, zu dieser Tathandlung des Josef A dadurch beigetragen zu haben, daß sie die zwei Kalbinnen an Ludwig C vermittelte (Punkt III/ des Schuldspruchs). Das Delikt der betrügerischen Krida wurde den beiden Angeklagten demnach ohnedies nur rücksichtlich des zum gemeinschuldnerischen Vermögen gehörigen Hälfteeigentums des Josef A angelastet. Davon abgesehen, wäre eine rechtsirrtümliche Schadensberechnung weder für die Unterstellung unter den Tatbestand nach dem § 156 Abs. 1 StGB noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Bedeutung (EvBl. 1980/57).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Nach den zum Freispruchsfaktum B/2 getroffenen Urteilsfeststellungen wurde am 15.Dezember 1983 zwischen dem Angeklagten Josef A und der Fa. D (bzw. der Fa. E AG) ein Bierlieferungsvertrag abgeschlossen, auf Grund dessen die Fa. D einen Betrag ('verlorenen Zuschuß') von 180.000 S (150.000 S + 20 % USt) leistete. Entgegen der Vereinbarung verwendete der Angeklagte Josef A diesen Betrag nicht zur Anschaffung von Inventar, sondern zur Bezahlung seiner Schulden (siehe S 87/II).

Im Hinblick darauf, daß der Angeklagte für die Einhaltung des Bierlieferungsvertrages durch seinen Gasthauspächter Sorge trug, verneinte das Erstgericht das Vorliegen eines Schädigungsvorsatzes sowie eines Schadenseintrittes und fällte einen Freispruch. Gegen diesen Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft, gestützt allein auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO, mit der Argumentation, der Schaden der Fa. D sei schon in der Hingabe der 180.000 S gelegen gewesen, welche sich diese Firma erspart hätte, falls das Vorhaben des Angeklagten Josef A bekanntgewesen wäre, dieses Geld nicht für die Anschaffung von Inventar, sondern für Schuldenzahlungen verwenden zu wollen; die Einhaltung des Bierlieferungsvertrages durch den Gasthauspächter könne den Angeklagten nicht exkulpieren, weil dies mit dem Zuschuß für den Ankauf von Inventar nichts zu tun gehabt habe. Die Rüge geht ins Leere.

Wie das Erstgericht zwar nicht expressis verbis, aber nach dem Sinnzusammenhang unmißverständlich konstatierte, stellte der von der Fa. D (bzw. der Fa. E AG) gewährte ('verlorene') Zuschuß die (an sich nicht widmungsgebundene) Gegenleistung für die vom Angeklagten Josef A übernommene Verpflichtung dar, auf Vertragsdauer seinen gastgewerblichen Betrieb ununterbrochen zu betreiben, dort ausschließlich Waren der Fa. E AG zu führen und auszuschenken und von dieser Firma jährlich eine Mindestmenge an Bier zu beziehen (vgl. dazu auch Punkt II des Liefer- und Leistungsvertrages, S 177 ff des Aktes S 9/82 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis, und die Aussage des Zeugen Otto F, Bd. II, S 41 ff).

Damit entbehrt aber auch die Rechtsrüge der Staatsanwaltschaft, die auf der urteilsfremden Behauptung aufbaut, daß die Einhaltung des Bierlieferungsvertrages mit dem 'verlorenen Zuschuß' nichts zu tun habe, der prozeßordnungsgemäßen Ausführung.

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Marianne A teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Punkt I/A/1 des Schuldspruchs der Angeklagten Marianne A und gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO auch des korrespondierenden Schuldspruches (I A 1) des Angeklagten Josef A, sowie demgemäß in den die beiden Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückzuverweisen.

Im übrigen waren die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Marianne A sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (zur Gänze) - als der gesetzmäßigen Ausführung entbehrend - gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO in Verbindung mit dem § 285 a Z 2 StPO bereits in

nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagte Marianne A und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

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