Spruch:
Sämtlichen Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz zu behandeln.
Text
Begründung
Am 19. 3. 1982 um 19:52 Uhr geriet auf der Meiselgrabenbrücke der Phyrn-Autobahn südlich des Portals des Gleinalmtunnels ein PKW auf großflächig aufgetretenem Glatteis (150 bis 200 m) ins Schleudern und löste eine Massenkarambolage von mehr als 12 Kraftfahrzeugen aus. Beteiligt waren ua der Erstkläger mit seinem PKW und der Drittkläger mit dem der Zweitklägerin gehörenden PKW. Die Zweitklägerin war Insassin ihres Fahrzeugs.
Die Kläger brachten vor, sie hätten aufgrund der Bezahlung der Mautgebühr mit der Beklagten einen Benützungsvertrag abgeschlossen, die Straße sei nicht ordnungsgemäß von Schnee geräumt und die Stelle, an der sich infolge des abgeronnen Schmelzwassers großflächig Eis gebildet habe, sei nicht gestreut oder wenigstens kenntlich gemacht worden. Der Erstkläger begehrt einen Schadenersatzbetrag von 115.182,60 S, die Zweitklägerin von 90.000 S und der Drittkläger von 31.000 S (jeweils samt Zinsen).
Die Beklagte bestritt eine über § 1319a ABGB hinausgehende Haftung, da kein privatrechtlicher Benützungsvertrag abgeschlossen worden sei. Die Beklagte habe alle Vorkehrungen für die Vermeidung von Glatteisunfällen getroffen, die Kläger hätten den Unfall durch überhöhte Geschwindigkeit und unvorsichtige Fahrweise selbst verschuldet. Außerdem wendete die Beklagte eine auf den Unfall zurückzuführende Gegenforderung von 51.066 S aufrechnungsweise ein.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Kläger Folge und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf.
Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richten sich die Rekurse aller Parteien. Die Beklagte strebt eine Bestätigung des Ersturteils an. Der Erstkläger beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass seinem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise zu erkennen, dass die Beklagte dem Erstkläger als Grundlage für seinen Schadenersatzanspruch für grobe Fahrlässigkeit zu haften habe. Die Zweitklägerin und der Drittkläger stellen den Antrag, mit Zwischenurteil zu entscheiden, dass ihre Ansprüche dem Grunde nach mit 100 % zu Recht bestehen.
In ihren Rekursbeantwortungen begehren die Kläger, dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben, während die Beklagte beantragt, den Rekursen der Kläger einen Erfolg zu versagen.
Keiner der Rekurse ist berechtigt.
Das Erstgericht stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Die Beklagte ist vom Bund mit dem Betrieb der Erhaltung und Finanzierung der Phyrn-Autobahn betraut. Für die Benützung des Gleinalmtunnels wird vom Bund ein Entgelt vorgesehen, als dessen Inkassant die Beklagte auftritt. Ihr verbleiben die Entgelte, soweit sie für die laufende Finanzierung des Autobahnbetriebs erforderlich sind. Die Mautkarte stellt eine Zahlungsbestätigung für die Benützung dar und enthält keine Benützungsbedingungen. Den Zusatz, dass das Benützungsentgelt von der Beklagten nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Republik Österreich entgegengenommen wird, wiesen die Mautkarten zur Zeit des Unfalls nicht auf. Für die Erhaltung verschiedener Teilstrecken der Phyrn-Autobahn, so auch des Gleinalmabschnitts von St. Michael bis Deutschfeistritz, unterhält die Beklagte eine Autobahnmeisterei. Am 18. 3. 1982 waren wegen starken Schneefalls, der erst am 19. 3. 1982 um etwa 6 Uhr endete, mehrere Schneepflüge der Beklagten auf dieser Strecke unterwegs. Da eine relativ hohe Bodentemperatur herrschte, schmolz der Schnee in der Folge sofort, sodass nur wenig gestreut wurde, im Bereich der Meiselgrabenbrücke nach der Schneeräumung überhaupt nicht. In der Nacht vom 18. auf den 19. 3. 1982 waren zehn Leute im Räumeinsatz. Die letzten gingen am 19. 3. 1982 um 14 Uhr heim, der Streifendienst um 18 Uhr, der vom Nachtstreifendienst abgelöst wurde. Dieser besteht aus zwei Leuten, die um 18 Uhr ausfuhren, um die Strecke zwischen Friesach und Traboch zu kontrollieren. Der Streifendienst, der über Funk von der Autobahnmeisterei Übelbach (wo der Meßstreifen läuft) und vom Fahrzeug des Ing. Edmund Z***** (Leiter der Autobahnmeisterei Übelbach) erreichbar ist, hat die Fahrbahn auf das Vorhandensein von Hindernissen zu kontrollieren, im Zuge der Schneeräumung zugeschobene Einläufe frei zu schaufeln usw. Zur Unfallszeit hatte die Straßenmeisterei Übelbach drei Salzstreuwagen zur Verfügung. Am 19. 3. 1982 war ab einer Seehöhe von ca 550 m eine Schneedecke vorhanden. Im Raum Übelbach-Phyrnautobahn herrschte vorerst bedecktes, später heiteres und mäßig schwach bewölktes Wetter. Am Morgen lag die Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt, stieg im Laufe des Tages bis auf plus 5 Grad an und sank gegen Abend nahe dem Gefrierpunkt. Um 18 Uhr lag die Temperatur der bodennahen Luftschriften im Bereich des Südportals des Gleinalmtunnels bei Null Grad. Die Genauigkeit des Meßfühlers liegt bei plus minus 2 Grad. Die Tendenz des Temperaturverlaufs wird durch das Meßgerät mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig wiedergegeben und betrug ca 1 bis 2 Grad Temperaturabnahme pro Stunde. Bei Beachtung der Tendenz des Temperaturverlaufs und einer um 18:30 Uhr gemessenen Lufttemperatur von plus 2 Grad, musste man ab ca 19:30 Uhr mit negativen bodennahen Lufttemperaturen und in der Folge mit Glatteis rechnen. Am 19. 3. 1983 sind im Verlauf der Autobahn schon nördlich des Gleinalmtunnels vereinzelt Schmelzwasserstellen von dem an den Fahrbahnrändern abgelagerten Schnee aufgetreten. Auch südlich des Tunnels vor der Unfallstelle waren solche vorhanden. Am südlichen Portalausgang des Tunnels befindet sich das Gefahrenzeichen „Schleudergefahr“ ohne Zusatz. Es folgt die Aufhebung der im Tunnel bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h und des Überholverbots. Sodann folgt ein allgemeines Gefahrenzeichen mit der Zusatztafel „Glatteisgefahr“ und dann das Gefahrenzeichen „gefährliches Gefälle mit 4 %“, schließlich am Beginn der Meiselgrabenbrücke das Gefahrenzeichen „Schleudergefahr bzw Gleitgefahr“ mit der Zusatztafel „Eiskristalle bzw Regenwolken“ in Symbolen. Die Fahrbahn weist im Unfallsbereich eine merkbare Seitenneigung je nach Kurvenlage auf. Eine Splittstreuung ist bei Fahrgeschwindigkeiten über 30 km/h wirkungslos, da der Splitt von den Fahrzeugen weggeschleudert wird. Gestreutes Salz wird nach einiger Zeit abgeschwemmt. In der Fahrbahn der Gleinalmautobahn sind Meßgeräte eingebaut, die der Autobahnmeisterei automatisch die Lufttemperatur, Belagstemperatur, Bodenfeuchtigkeit, Wirksamkeit des Tausalzes, Vorwarnung einer Glatteisbildung, Notwendigkeit der Streuung bei Niederschlag und die Notwendigkeit einer sofortigen Streuung anzeigen. Die der Unfallstelle nächstgelegene Meßstelle befindet sich unmittelbar südlich des Gleinalmtunnels beim Südportal. Um 18 Uhr zeigte diese Meßstelle eine Temperatur um Null Grad. Der Leiter der Autobahnmeisterei Übelbach erhielt um 18 Uhr nach diesem Meßstreifen die Meldung, wonach Glatteis vorliege. Als er sich danach zur Meßstelle begab, stellte er fest, dass die Fahrbahn im Bereich der Sonde trocken war. Die Fehlmeldung war dadurch zustandekommen, dass die Sonde durch darüberfahrende Fahrzeuge verschmutzt worden war. Sie zeigte den ganzen Tag Belagsfeuchtigkeit an. Glatteisstreuung ist angezeigt bei Zusammentreffen der Komponenten Belagsfeuchtigkeit, Belagstemperatur und Lufttemperatur. Zur Unfallszeit waren alle Komponenten angezeigt. Die Sonde zeigte schon um 17:15 Uhr die Warnung „Streuung sofort“. Schon um 16:30 Uhr zeigte der Meßstreifen die Warnung der Glatteisbildung an exponierten Stellen. Das bedeutet, dass dann der Streifendienst dort kontrolliert, ob tatsächlich Glatteis vorliegt und sodann streut. Tatsächlich wurde die Glatteiswarnung erst um 18 Uhr von Ing. Edmund Z***** zur Kenntnis genommen, da sich vorher niemand in der Autobahnmeisterei aufhielt. Wenn dort niemand erreichbar ist, übernimmt die Tunnelwarte deren Funktion. Die Meßeinrichtungen der Autobahnmeisterei stehen der Tunnelwarte aber nicht zur Verfügung. Bei seiner Kontrollfahrt stellte Ing. Z***** fest, dass die Fahrbahn im Bereich des ersten Brückenobjekts, dass etwa 500 m südlich der Meßstelle liegt (K 4), nass war, weil Schmelzwasser vom Schnee an den Fahrbahnrändern in die Fahrbahn hineinrann. Er nahm eine Salz- und Temperaturmessung vor und stellte fest, dass eine Restsalzmenge vorhanden war. Es bestand daher kein Anlass zur Streuung. Die Temperaturmessung ergab plus 1 oder plus 2 Grad. Zwischen K 4 und K 6 war die Fahrbahn trocken. Hier weist die Fahrbahn zuerst eine Querneigung von links nach rechts auf. In der Folge bildet sie auf dem Brückenobjekt K 6 eine Verwindung, bei der ab Brückenmitte eine Querneigung von rechts nach links entsteht. Ab etwa der Mitte der Brückenobjekts K 6 war die Fahrbahn wieder feucht bzw ist Schmelzwasser von rechts nach links geronnen. Eine Salzmessung war wegen dieses relativ stark fließenden Schmelzwassers nicht möglich. Die von Ing. Z***** vorgenommene Temperaturmessung lag noch im Plusbereich. Entlang des gesamten Brückenobjekts lagen an der rechten Außenseite Schneehaufen. Ein Auswerfen des Schnees über die Brücke ist wegen darunter befindlicher Hochspannungsleitungen nicht möglich. Das Brückenobjekt ist ca 1 Kilometer lang. Ein Hineinrinnen des Schmelzwassers war infolge der Querneigung erst ab Mitte der Brücke möglich, da der Schnee immer an den rechten Fahrbahnrand geräumt wird. Der Streuwagen Nr 16 fuhr am 19. 3. 1982 auf Anweisung von Ing. Z***** um 18 Uhr zuerst von Übelbach Richtung Graz zum Bereich Hingelwald, weil dort früher mit dem Auftreten von Glatteis zu rechnen war. Um 18:30 Uhr wendete er in Richtung Norden und streute die Brückenobjekte K 4 auf der Richtungsfahrbahn Norden und zwar von 19 Uhr bis 19:15 Uhr. Er kam um 20 Uhr, also nach dem Unfall, zur Unfallstelle. Die Streifenleute hatten beim Nordportal gedreht, weil sie schauten, wie es nördlich des Tunnels ausschaut. Bei Notwendigkeit hätte dort einer der zwei Männer des Streifendienstes einen dort postierten Streuwagen in Betrieb nehmen können. Es stehen also bei Auftreten von Glatteis sofort zwei Streufahrzeuge zur Verfügung. Außerdem besteht eine Rufbereitschaft, das sind Leute, die zu Hause binnen 1 bis 1 ½ Stunden erreichbar sind. Daneben gibt es den Dienstführer, der zur Unfallszeit Ing. Z***** war, der „rund um die Uhr“ erreichbar ist. Ing. Z***** rechnete bei seiner Kontrollfahrt um 18:30 Uhr bei der Meiselgrabenbrücke bis zum planmäßigen Eintreffen des Streifenfahrzeugs um 19:30 Uhr bis 19:45 Uhr nicht mit dem Auftreten von Glatteis. Das Streufahrzeug hätte bei Feststellung von Glatteis bei seiner Fahrtrichtung Norden von sich aus auch etwas unternehmen müssen. Um 18:30 Uhr wäre eine Salzstreuung wegen des stark rinnenden Schmelzwassers noch nicht möglich gewesen. Nach 18 Uhr gab Ing. Z***** keine speziellen Anweisungen mehr an das Streufahrzeug aus. Er teilte dem Streifendienst per Funk nur mit, dass die Sonde beim Gleinalmtunnel eine Fehlmeldung gegeben habe. Die Streufahrzeuge führen Gefahrentafeln und Geschwindigkeitsbegrenzungstafeln mit sich. Die Beklagte hielt sich in der technischen Ausrüstung der Autobahnmeisterei an die Richtlinien des Bautenministeriums. Die Streifendienste sind ausgebildete Straßenaufsichtsorgane, die auch berechtigt sind, Gefahrenzeichen anzubringen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, von einer Haftung der Beklagten infolge grober Fahrlässigkeit iSd § 1319a ABGB könne keine Rede sein. Aber auch eine Haftung der Beklagten aus dem Vertrag sei nicht anzunehmen. Der Umfang der Instandhaltungspflicht sei nämlich nach Lehre und Rechtsprechung nach dem objektiven Merkmal der Angemessenheit und dem subjektiven Merkmal der Zumutbarkeit bestimmt. Die Angemessenheit sei danach zu beurteilen, ob der Weg einer bestimmten Art an sich richtig angelegt sei und betreut werde. Das Merkmal der Zumutbarkeit ermögliche jedoch auch die Berücksichtigung dessen, was für die Anlage und Betreuung nach allgemeinen und billigen Grundsätzen erwartet werden könne. Die beklagte Partei, die für den Zustand der Straße verantwortlich sei, habe den besonderen Verhältnissen einer Autobahn Rechnung getragen und eine Reihe von Sicherungs- und Instandhaltungsmaßnahmen gesetzt, die den allgemeinen Richtlinien des Bautenministeriums und der Autobahnen entsprächen. So halte der Sachverständige aus dem Straßenverkehrswesen die angebrachten Gefahrenzeichen für ausreichend, wenn sie von den Kraftfahrern entsprechend beobachtet würden. Das Aufstellen von zusätzlichen Warntafeln durch Ing. Z***** hätte daher nichts gebracht, wenn auch um 18:30 Uhr schon mit dem Auftreten von Glatteis habe gerechnet werden müssen. Es könne wohl nach ständiger Rechtsprechung vom Kraftfahrer erwartet werden, bei winterlichen Straßenverhältnissen auf das Auftreten von Glatteis Rücksicht zu nehmen. Wie Unfälle auf Autobahnen infolge von Glatteis immer wieder zeigen, sei dies praktisch nicht auszuschließen, da der Streuwagen nicht überall gleichzeitig sein könne. Es sei also sicherlich richtig gewesen, wenn Ing. Z***** hier nach den häufigsten Gefahrenstellen eine Wertung vorgenommen habe. Der zweite Streuwagen wäre zwar sofort einsetzbar gewesen, eine Streuung hätte aber infolge der Abschwemmung des Streuguts durch das Schmelzwasser zu diesem Zeitpunkt ohnedies noch nichts gebracht. Nach der bei Temperaturschwankungen auftretenden plötzlichen Glatteisbildung könnten naturgemäß die Streufahrzeuge nicht sofort an jeder Glatteisstelle in Aktion treten. Auch eine völlige Räumung der Schneereste an den Fahrbahnrändern zur Vermeidung des Entstehens von Schmelzwasser sei der beklagten Partei nicht zumutbar, zumal man den Schnee von der Brücke auf einer Länge von einem Kilometer händisch wegschaufeln müsste, womit vier Leute einen ganzen Tag lang beschäftigt wären.
Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, aufgrund des unbedenklichen Sachverhalts, den das Erstgericht als erwiesen angenommen habe, sei die Haftung der Beklagten für die Schäden der Kläger zu bejahen. Der Leiter der Autobahnmeisterei habe erst um 18 Uhr auf die vom Meßstreifen bereits um 16:30 Uhr angezeigte Warnung der Glatteisbildung an exponierten Stellen reagiert. Erst um diese Zeit sei der Streuwagen Nr 16 zu dem am meisten durch Glatteisbildung gefährdeten Hingelwald in Bewegung gesetzt worden, eine Verstärkung des Streifendienstes sei nicht angeordnet worden und erst danach habe Ing. Z***** die Verhältnisse auf den Brückenobjekt K 6 kontrolliert. Dabei habe er, auch wenn es sich um eine Fehlmeldung der Sonde gehandelt hatte, feststellen müssen, dass dieses Objekt wegen des großflächig über die Fahrbahn rinnenden Schmelzwassers im hohen Grade glatteisgefährdet sei. Er hätte daher damit rechnen müssen, dass Glatteis oder zumindest Fahrbahnglätte auftrete, sobald der Schnee auf der Fahrbahn zu schmelzen aufhöre. Wenngleich eine Salzstreuung wegen der Fließgeschwindigkeit des Schmelzwassers noch nicht zielführend gewesen wäre, wären doch andere Vorsichtsmaßnahmen angezeigt gewesen. Bei früherem Reagieren auf die Glatteiswarnung wäre der Streifendienst früher zu dieser Stelle gekommen. Zu diesem Zeitpunkt hätte Ing. Z***** im Hinblick auf die besondere Situation auf der Meiselgrabenbrücke den Streifendienst verstärken oder anweisen müssen, unverzüglich diese gefährdete Stelle anzufahren, um sie zu bestreuen oder zumindest durch Gefahrenzeichen der Geschwindigkeitsbeschränkungen abzusichern. Er habe sich nicht mehr darauf verlassen können, dass der Streifendienst ohnehin planmäßig eintreffen werde, was an diesem Tage auch nicht geschehen sei. Sein Eintreffen habe durch irgendwelche Vorfälle verzögert werden können, zumal er nicht auf die Dringlichkeit der Sicherung der späteren Unfallstelle von Ing. Z***** hingewiesen worden sei. Es sei der Beklagten wohl einzuräumen, dass es aufgrund der besonderen Bedingungen nahezu ausgeschlossen sei, eine durch eine Gebirgsgegend führende Straße in einem völlig gefahrenlosen Zustand zu erhalten. Im besonderen Fall sei aber lediglich die Sicherung einiger durch die bevorstehende Glatteisbildung gefährdeter Stellen notwendig gewesen. Hier die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen (Geschwindigkeitsbeschränkung, Gefahrenzeichen, Bestreuen), sei der Beklagten durchaus zumutbar gewesen, ohne dass die Verkehrssicherungspflicht des Straßenerhalters überspannt worden wäre. Diese von der Beklagten zu treffenden Fehlleistungen ihres Bediensteten stellten sicherlich kein grobes Verschulden iSd § 1319a ABGB dar. Der Unfall habe sich aber auf einer Strecke der Phyrn-Autobahn ereignet, die nur von Fahrzeugen benützt werden könne, für die Mautgebühr anlässlich der Benützung des Gleinalmtunnels entrichtet werde. Durch die Einhebung der Straßenmaut werde ein Benützungsvertrag abgeschlossen. Der Vertragspartner hafte daher bei Verletzung vertraglich übernommener Sorgfaltspflichten gegenüber den Benützern der Autobahn auch für leichte Fahrlässigkeit, die im besonderen Fall anzunehmen sei, bei Beweislastumkehr iSd § 1298 ABGB. Dass die aufgezeigten Sicherungsmaßnahmen rechtzeitig zu treffen unmöglich gewesen wäre, sei von der Beklagten nicht nachgewiesen worden. Die Beklagte hebe zwar das Benützungsentgelt für die Republik Österreich ein, habe aber jeglichen diesbezüglichen Hinweis auf der Mautkarte unterlassen. Im Zweifel liege daher ein Eigengeschäft vor, die Beklagte müsse den äußeren Anschein des Abschlusses des Benützungsvertrags im eigenen Namen gegen sich gelten lassen. Die Beklagte hafte also für Schäden, die die Kläger beim Unfall erlitten hätten. Ausgehend von einer anderen Rechtsansicht, habe das Erstgericht die Erörterung und Feststellung entscheidungswesentlicher Tatsachen unterlassen. Die Beklagte habe Alleinverschulden der Kläger am Unfall eingewendet, was einen Mitverschuldensantrag einschließe. Im fortgesetzten Verfahren werde also zu erheben sein, welche Geschwindigkeiten die Kläger eingehalten hätten, und ob und inwieweit diese aufgrund der bereits erkennbaren Straßenbeschaffenheit und Witterungsverhältnisse als überhöht anzusehen seien, weiters, ob die Sichtverhältnisse im Unfallsbereich ein rechtzeitiges Anhalten ermöglicht hätten, so dass die Vornahme eines Lokalaugenscheins und Beiziehung eines kraftfahrtechnischen Sachverständigen nicht zu umgehen sein werde. Auch die Höhe des Schadens der Zweitklägerin und des Drittklägers sowie bei Annahme eines Mitverschuldens der Kläger auch die Höhe des Schadens der Beklagten werde noch zu ermitteln sein.
Rechtliche Beurteilung
1.) Zum Rekurs der Beklagten:
Der Ansicht des Berufungsgerichts, es bestehe eine Haftung aus einem Benützungsvertrag, hält die Beklagte entgegen, die Phyrn-Autobahn sei eine in der Anlage zum Bundesstraßengesetz 1971 enthaltene Bundesstraße, deren alleiniger Eigentümer der Bund sei. Da die Phyrn-Autobahn durch zahlreiche Schilder als öffentliche Bundesstraße (Autobahn) gekennzeichnet sei, müsse allen Benützern klar sein, dass sie eine Bundesstraße, keinesfalls aber eine private Mautstraße befahren und somit auch mit keiner Gesellschaft in vertragliche Beziehungen treten. Der Beklagten sei aufgrund des Phyrn-Autobahn-Finanzierungsgesetzes die Herstellung, Erhaltung und Finanzierung der Phyrn-Autobahn übertragen worden, womit sie auch bei der Erhaltung der Autobahn nur Aufgaben des Bundes erfülle (1 Ob 591/83). Die Einhebung einer Straßenmaut stelle eine Abgabeneinhebung und das Benützungsenthalt eine Bundeseinnahme dar. Zum Unterschied von privaten Mautstraßen, auf denen jeweils am Anfang und Ende Mautstationen und Straßensperren errichtet seien, weise die Gleinalmstrecke der Phyrn-Autobahn nur eine nördlich des Gleinalmtunnels gelegene Mautstelle auf, womit die Bezahlung des Benützungsentgelts ausschließlich für die Durchquerung des Tunnels erforderlich sei und auch nur für diesen Tunnel eingehoben werde. Man könne zur Unfallstelle auf der Meiselgrabenbrücke gelangen, ohne Benützungsentgelt zahlen zu müssen, wenn man von Graz kommend bis zum Südportal des Gleinalmtunnels fährt, dort wendet und dann wieder in Richtung Graz zurückfährt.
Diese Ausführungen bieten keinen Anlass, von der in 8 Ob 292/81 (diese Entscheidung betraf ebenfalls einen Verkehrsunfall, der sich auf der Phyrn-Autobahn ereignet hatte) vertretenen Ansicht abzugeben. Wie in dieser Entscheidung ausgeführt wurde, lässt sich aus dem Phyrn-Autobahn-Finanzierungsgesetz weder entnehmen, dass der Abschluss privatrechtlicher Verträge über die Benützung der Autobahn grundsätzlich ausgeschlossen wäre, noch, wer gegenüber dem Benützer der Autobahn als Partner eines allfälligen privatrechtlichen Benützungsvertrags anzusehen wäre. Die Beklagte hat gegenüber den Benützern der Autobahn nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie das ihr entrichtete Benützungsentgelt nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Republik Österreich entgegennehme und der Benützungsvertrag nicht mit ihr, sondern mit der Republik Österreich zustandegekommen sei. Daher muss die Beklagte den Anschein des Abschlusses eines Benützungsvertrags im eigenen Namen gegen sich gelten lassen. Daran vermag der Umstand, dass die Beklagte (wie in der einen Anspruch nach den §§ 364 ff ABGB betreffenden Entscheidung 1 Ob 591/83 ausgesprochen wurde) bei Erhaltung der Autobahn nur Aufgaben des Bundes erfüllt, nichts zu ändern. Ohne Bedeutung ist, dass nur eine Mautstelle vorhanden ist. Für die Benützer der Autobahn war es auch nicht erkennbar, dass die Maut - wie die Beklagte behauptet - nur für den Tunnelbereich eingehoben werde. Der Benützer kann daher davon ausgehen, dass der Benützungsvertrag den gesamten Bereich, der ohne Bezahlung einer Maut nicht befahren werden darf, abgeschlossen wird. Den Rekursausführungen, man könne an die Unfallstelle gelangen, ohne Maut zu bezahlen, wenn man vor dem Südportal des Tunnels wende, ist entgegenzuhalten, dass das Umkehren auf Autobahnen gemäß § 46 Abs 4 lit a StVO verboten ist. Die Beklagte haftet daher auch für leichte Fahrlässigkeit bei Beweislastumkehr iSd § 1298 ABGB (vgl Koziol, Öst Haftpflichtrecht II2 206 f).
Die von den Beklagten weiters vertretene Ansicht, im vorliegenden Fall sei auch leichte Fahrlässigkeit zu verneinen, kann ebenfalls nicht geteilt werden. Richtig ist wohl, dass in 8 Ob 292/81 auch leichte Fahrlässigkeit nicht angenommen wurde und dafür unter anderem die aufgestellten Gefahrenzeichen und die vorhandenen Meßeinrichtungen von Bedeutung waren. Die Meßeinrichtungen erfüllen allerdings nur dann ihren Zweck, wenn sie überwacht und aufgrund der Meßergebnisse die erforderlichen Maßnahmen gesetzt werden, da das bloße Vorhandensein von Meßeinrichtungen die Glatteisbildung in keiner Weise verhindern kann. In der Entscheidung 8 Ob 292/81 wurde der Beklagten insbesondere zugute gehalten, dass der Unfallsbereich im Zeitabstand von 10 Stunden, das ist für die Untergrenze der nach den allgemeinen Erfahrungswerten bei den damaligen Straßen- und Witterungsverhältnissen zu gewärtigenden Wirksamkeit der Salzstreuung von 10 bis 16 Stunden, bestreut wurde. Derartiges geschah im vorliegenden Fall aber nicht. Es steht fest, dass man bei Beachtung der Tendenz des Temperaturverlaufs und einer um 18:30 Uhr gemessenen Lufttemperatur von plus 2 Grad ab ca 19:30 Uhr mit negativen bodennahen Lufttemperaturen und in der Folge mit Glatteis rechnen musste. Trotzdem wurden nicht beide Streufahrzeuge in Betrieb genommen. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagten der ihr gemäß § 1298 ABGB obliegende Beweis, an der Erfüllung ihrer vertragsmäßigen Verbindlichkeit ohne ihr Verschulden verhindert worden zu sein, gelungen wäre.
Zutreffend bejahte daher das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten.
2.) Zu den Rekursen der Kläger:
Die Kläger versuchen darzutun, dass der Beklagten grobes Verschulden anzulasten sei, weshalb auch eine Haftung nach § 1319a ABGB bestünde. Auf diese Ausführungen braucht jedoch nicht eingegangen zu werden, weil eine Haftung der Beklagten - wie oben dargelegt - ohnedies aufgrund des Benützungsvertrags besteht. Für die Höhe der von der Beklagten geltend gemachten Ansprüche ist die Frage, ob grobes Verschulden iSd § 1319a ABGB vorliegt, ohne Bedeutung. Auf die Argumente der Kläger, aus denen sie ein grobes Verschulden abzuleiten versuchen, braucht daher nicht eingegangen zu werden, zumal auch das Vorliegen groben Verschuldens iSd § 1319a ABGB ein Mitverschulden und damit eine Schadensteilung iSd § 1304 ABGB nicht ausschließen würde. Die Frage, ob den Klägern ein Mitverschulden anzulasten ist, das zu einer Schadensteilung führt, kann erst beantwortet werden, wenn das Verfahren in dem Berufungsgericht vom Erstgericht aufgetragenen Sinne ergänzt wurde.
Den Ausführungen der Zweitklägerin, ihr könne auf keinen Fall ein Mitverschulden angelastet werden, weil sie nur Insassin ihres vom Drittkläger gelenkten PKWs gewesen sei, ist entgegenzuhalten, dass sich der Betriebsunternehmer bzw Halter das Verschulden seines Betriebsgehilfen auch den eigenen Ansprüchen gegenüber anrechnen lassen muss (2 Ob 245/82 ua).
Aus diesen Gründen war allen Rekursen ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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