OGH 9Os75/84

OGH9Os75/842.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Oktober 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger (Berichterstatter), Dr.Horak, Dr.Reisenleitner und Hon.Prof.Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter A wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Klagenfurt vom 20.März 1984, GZ 12 Vr 2105/83-43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Scheibenpflug, und des Verteidigers Dr.Hora, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Jahre erhöht.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 28-jährige Peter A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen (zu I/) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und (zu II/) des Verbrechens des Mordes nach § 75

StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Arnoldstein I/ am 16.Juli 1983 Gabriele B durch Versetzen von Faustschlägen in das Gesicht und von Fußtritten gegen den Körper vorsätzlich am Körper verletzt (leichte Gehirnerschütterung und Schwellung im Kopfbereich), und II/ am 29.Juli 1983 die Genannte vorsätzlich durch Erwürgen getötet. Die Geschwornen hatten die in Richtung der bezeichneten Delikte gerichteten anklagekonformen Hauptfragen 1 und 2 einstimmig bejaht und die Zusatzfrage nach einer Begehung des Mordes im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) ebenso einstimmig verneint. Weitere Fragen waren ihnen nicht gestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Allein gegen den Schuldspruch wegen Mordes wendet sich der Angeklagte mit einer nominell auf die Z 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützten, der Sache nach aber auch die Gründe der Z 8 und 12 der angeführten Gesetzesstelle relevierenden Nichtigkeitsbeschwerde. Eine Nichtigkeit bewirkende Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung erblickt der Angeklagte darin, daß - entgegen seinem Antrag in der Hauptverhandlung - den Geschwornen keine Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des Totschlags nach § 76 StGB gestellt worden ist, wiewohl eine solche Frage nach den Ergebnissen der Hauptverhandlung indiziert gewesen sei.

Er ist damit jedoch nicht im Recht.

Ob in der Hauptverhandlung vorgebrachte Tatsachen in rechtlicher Beziehung geeignet sind, die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat einem (bestimmten) anderen (nicht strengeren) als dem in der Anklageschrift angeführten Strafgesetz zu unterziehen, und sonach eine entsprechende Eventualfrage an die Geschwornen zu stellen ist (§ 314 Abs 1 StPO), ist vom Schwurgerichtshof zu beurteilen (§ 310 StPO). Geht es wie hier als Alternative zur Mordanklage um den mit vergleichsweise geringerer Strafe bedrohten (privilegierten) Tatbestand des Totschlags, der dadurch charakterisiert ist, daß sich der Täter zur vorsätzlichen Tötung eines anderen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hinreißen läßt (§ 76 StGB), dann hat der Schwurgerichtshof zu prüfen, ob im Beweisverfahren Tatsachen vorgebracht worden sind, die, wenn sie (von den Geschwornen) als erwiesen angenommen werden, in rechtlicher Beziehung eine Beurteilung dahin zulassen, da5 der Angeklagte die ihm angelastete vorsätzliche Tötung im Zustand einer damals bei ihm vorgelegenen heftigen, überdies aber auch allgemein begreiflichen Gemütsbewegung begangen haben könnte. In dieser Hinsicht sind jedoch - wie auch die Generalprokuratur zutreffend ausführt - in der Hauptverhandlung keine konkreten Anhaltspunkte hervorgekommen:

Allgemein begreiflich ist nämlich eine, wenn auch tiefgreifende Gemütsbewegung nur dann, wenn das Verhältnis zwischen dem sie herbeiführenden Anlaß und dem eingetretenen psychischen Ausnahmezustand für jedermann sittlich verständlich ist (ÖJZ-LSK 1977/379), sich mithin ein (rechtstreuer) Durchschnittsmensch vorstellen kann, auch er wäre in der Situation des Täters - genauer:

in der psychischen Spannung, der jener ausgesetzt war - , unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls in eine derartige Gemütsverfassung geraten (SSt. 46/49; Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 76 RN 5 bis 7 und die dort z-t. weitere Judikatur). Nicht die Tat selbst als Folge des Affekts, noch weniger deren im Einzelfall besonders abstoßende oder grausame Ausführung, sondern die konkrete Gemütsbewegung des Täters in ihrer gesamten Dimension und Dynamik, also einschließlich ihrer tatkausalen Heftigkeit, in Relation zu dem sie herbeiführenden Anlaß unterliegt der rechtsethischen Bewertung (ÖJZ-LSK 1982/86). Da die Ursache des Affekts für jedermann sittlich verständlich sein muß, darf sie nicht im psychisch abnormen Persönlichkeitsbild des Täters (etwa Stimmungslabilität, leichte Erregbarkeit, mangelnde Beherrschung, gesteigerte Aggressivität) oder in seinen verwerflichen Leidenschaften oder Neigungen liegen (ÖJZ-LSK 1978/199; EvBl 1976/119 u.a.).

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze war aber eine allgemein begreifliche Gemütsbewegung des Angeklagten durch die Ergebnisse der Hauptverhandlung, insbesondere auch durch die darin vorgebrachte Verantwortung des Angeklagten, nicht indiziert. Der Angeklagte hatte darnach vor der Tat mit seinem späteren Opfer, mit welchem er seit 7 Jahren zusammenlebte und auch ein Kind hatte, wiederholt Streitigkeiten gehabt, die primär mit seiner Trunksucht und seinem ungeregelten Arbeitsleben zusammenhingen. Am Tage der Mordtat war er (wieder) alkoholisiert, aber nicht volltrunken. Weil ihn Gabriele B - nachdem er mit ihr schon außerhalb der Wohnung wegen ihres Verlangens, am folgenden Monatsersten von ihr wegzugehen, in Streit geraten war - nach seiner Heimkehr, als sie bereits im Bett lag und er sie flüchtig körperlich berührte, abwies und zum 'Verschwinden' aufforderte, geriet er in Erregung;

als er kurz darauf wieder zum Bett der Frau zurückkehrte, rief diese um Hilfe und versuchte, die Wohnung notdürftig bekleidet zu verlassen. Daraufhin erfaßte sie der Angeklagte, worauf beide zu Boden stürzten, wobei die Frau mit den Händen herumschlug, kratzte und biß, weil sie - nach der eigenen Annahme des Angeklagten (S 275) - offenbar Angst hatte, von ihm (wieder) geschlagen zu werden. Daraufhin 'drehte' der Angeklagte - wieder nach seinen eigenen Worten - 'durch' und erwürgte sie, wobei er einräumte, hiezu bei der Gendarmerie angegeben zu haben, daß er dachte, sie (B) solle nicht mehr lebendig davonkommen, wenn er sie nicht haben könne, dann solle sie auch kein anderer haben (S 276).

Alles in allem ergab das Beweisverfahren mithin zwar das Bild einer sicherlich von Gemütsbewegungen bestimmte Tat, wobei es sich aber beim Angeklagten ersichtlich um eine längerfristige Aufstauung von Unlustgefühlen gehandelt hat, deren Gründe (Streitigkeiten mit der Lebensgefährtin und deren Angehörigen, Trennungsentschluß der Lebensgefährtin) allein in seinem eigenen Verschuldensbereich (Trunksucht, Arbeitsscheu, Gewalttätigkeiten gegenüber seiner Lebensgefährtin mit entsprechender Reaktion ihrerseits) lagen. Auch der Tattag läßt - über diese, im abnormen Persönlichkeitsbild des Angeklagten wurzelnden Umstände hinaus - keine dramatische, durch äußere Ereignisse bestimmte Entwicklung unmittelbar vor dem Tatentschluß erkennen. Daß der Angeklagte aber durch alle diese Gegebenheiten in eine so heftige Gemütsbewegung geriet, daß er imstande war, seine Lebensgefährtin zu erwürgen, ist weder allgemein verständlich noch kann er vom sittlichen Vorwurf entlastet werden, sich auf Grund des vorangegangenen Alkoholgenusses und der in ihm aufgestauten Aggressionen, deren Ursache allein sein selbstverschuldetes, das Verhältnis zu seiner Lebensgefährtin nachhaltig störendes Verhalten gewesen ist, in einen Erregungszustand hineingesteigert zu haben, der dann zur Tat führte. Zu Recht hat der Schwurgerichtshof daher den Geschwornen keine Frage in Richtung des Verbrechens des Totschlags gestellt, sodaß die Rüge versagt.

Mit den weiteren Beschwerdeausführungen versucht der Angeklagte aber bloß, in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Geschwornen und damit die Richtigkeit des Wahrspruchs zu bekämpfen, sodaß hierauf nicht näher eingegangen zu werden braucht. Soweit der Angeklagte hiebei - der Sache nach aus der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO - rügt, es sei unterlassen worden, die Geschwornen eingehend über die rechtlichen Unterschiede zwischen Mord und Totschlag zu belehren, so übersieht er, daß die Rechtsbelehrung nur die in den gestellten Fragen aufscheinenden Rechtsbegriffe zu erläutern hat und eine Frage nach Totschlag (zu Recht) nicht gestellt worden ist. Der im Rahmen der Rechtsbelehrung zum Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB den Geschwornen gegebene Hinweis, daß ein Handeln im Affekt (heftige Gemütsbewegung, mag diese auf Wut, Zorn oder Verzweiflung zurückzuführen sein) der Beurteilung einer vorsätzlichen Tötung als Mord (an sich) nicht entgegenstehe, ist zutreffend. Mit der Behauptung schließlich, er hätte nur des Verbrechens des Totschlags nach § 76 StGB schuldig gesprochen werden dürfen, geht der Angeklagte nicht vom Wahrspruch der Geschwornen, sondern von wahrspruchsfremden Prämissen aus, sodaß er den - der Sache nach relevierten - Nichtigkeitsgrund der Z 12 des § 345 Abs 1 StPO nicht zur gesetzmäßigen Darstellung bringt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet, weshalb sie zu verwerfen war.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 (fünfzehn) Jahren. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen eines Vergehens mit einem Verbrechen, als mildernd hingegen die Unbescholtenheit, das reumütige Geständnis vor der Gendarmerie und dem Untersuchungsrichter sowie den Umstand, daß sich der Angeklagte selbst gestellt hat.

Den Strafausspruch bekämpfen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit Berufung; ersterer strebt die Herabsetzung der Strafe, letztere dagegen deren angemessene Erhöhung an. Daß der Angeklagte sich nicht in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hinreißen lassen hat, wurde bereits im Rahmen der Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde klargestellt; mithin kann ihm auch nicht der Milderungsgrund des § 34 Z 8 StGB zugute gehalten werden, wie er dies in seiner Berufung begehrt. Der Angeklagte vermag aber auch sonst keine Umstände darzutun, die seine Tat in milderem Licht erscheinen lassen könnten, sodaß die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe im Ergebnis keiner Korrektur bedürfen.

Werden aber diese entsprechend gewürdigt und wird weiters berücksichtigt, daß der Angeklagte wiederholt gegen seine Lebensgefährtin aggressiv geworden ist, so wird das vom Geschwornengericht gefundene Strafmaß nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs der Schwere der personalen Täterschuld und dem großen Unwert der verschuldeten (Mord-)Tat nicht gerecht. Wenngleich, wie auch der öffentliche Ankläger einräumt, mit einer zeitlichen Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden werden kann, so ist es im gegebenen Fall doch geboten, dessen Ausmaß entsprechend anzuheben. In Stattgebung der staatsanwaltschaftlichen Berufung war somit die Strafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß zu erhöhen. Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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