OGH 5Ob40/84

OGH5Ob40/842.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schubert, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Dr. Michael F*****, vertreten durch Rudolf Dissauer, Sekretär der Mietervereinigung Österreichs, Wien 7., Bernardgasse 10, wider die Antragsgegner 1.) Gertrude W*****, 2.) Willi C*****, 3.) Verlassenschaft nach Dr. Joachim M*****, vertreten durch die erbserklärten Erben Anna C*****, Thea M***** und Herbert M*****, sämtliche Antragsgegner vertreten durch Dr. Gerhard Schütz, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8, § 44 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. Jänner 1984, GZ 41 R 672/83‑10, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 13. Mai 1983, GZ 47 Msch 22/82‑6, teilweise bestätigt und teilweise behoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00040.840.1002.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegner haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Begründung

Der Antragsteller hat die 102 m 2 große Wohnung top Nr 9 in dem den Antragsgegnern gehörenden Haus *****, bestehend aus zwei Zimmern, einem Kabinett, Küche, Vorzimmer, Bad, WC und Abstellraum, am 24. 4. 1979 ab 1. 5. 1979 um einen monatlichen Hauptmietzins von 3.000 S (wertgesichert) gemietet. Zu den Zinsterminen 1. 2. 1982 bis einschließlich 31. 12. 1982 wurde ihm ein monatlicher Hauptmietzins von 3.343,98 S vorgeschrieben.

Vor dem 1. 2. 1982 begehrte der Antragsteller von den Antragsgegnern die Herabsetzung des monatlichen Hauptmietzinses auf 2.524,50 S (= 102 m 2 x 24,75 [16,5 + 8,25] S) mit dem Hinweis, dass die Wohnung nur die Ausstattungsmerkmale der Kategorie B aufweise. Die Antragsgegner trugen diesem Begehren in der Meinung nicht Rechnung, dass die fehlenden Ausstattungsmerkmale der Kategorie A durch die dem Antragsteller vertraglich eingeräumte Liftbenützung aufgewogen würden.

Das vom Antragsteller gemäß § 40 Abs 2 MRG angerufene Erstgericht hat mit Sachbeschluss wie folgt entschieden:

„Über Antrag des Mieters des Hauses *****, wird gemäß § 44 Abs 2 und 3 MRG festgestellt:

Die Vereinbarung vom 24. 4. 1979 über die Höhe des Hauptmietzinses der Wohnung top. Nr. 9 ist ab 1. 2. 1982 hinsichtlich eines monatlichen Betrages von S 821,48 rechtsunwirksam.

Weiters haben die Vermieter des Hauses *****, bei Vorschreibung des Hauptmietzinses ab 1. 2. 1982 bis 31. 12. 1982 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß dem Antragsteller gegenüber um monatlich je S 821,48, zusammen um S 9.035,80 überschritten.

Den Vermietern wird gemäß § 37 Abs 4 MRG aufgetragen, dem Mieter der Wohnung top. Nr. 9 S 9.035,80 zuzüglich 8 % Umsatzsteuer samt 4 % Zinsen ab dem Tag der Antragstellung binnen 14 Tagen ab Rechtskraft dieser Entscheidung bei sonstiger Exekution zu bezahlen.“

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass die gegenständliche Wohnung in die Kategorie B falle, weil der Lift nicht zur Wohnung, sondern zu den allgemeinen Teilen des Hauses gehöre und daher kein Ausstattungsmerkmal der Wohnung sein könne; jedenfalls sei der Lift nicht ein Ausstattungsmerkmal, das die Einreihung der Wohnung in eine höhere Kategorie (hier in die Kategorie A) bewirken könnte.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner teilweise Folge und bestätigte den erstgerichtlichen Sachbeschluss, den es im Übrigen behob, mit der Maßgabe dass er zu lauten habe:

„Die Antragsgegner haben dem Antragsteller als Mieter der Wohnung top. Nr. 9 im Hause *****, gegenüber durch Vorschreibung eines Hauptmietzinses von monatlich je S 3.343,98 zu den Zinsterminen 1. 2. 1982 bis einschließlich 1. 9. 1982 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um jeweils S 819,48 überschritten.“

Das Rekursgericht, das im Umfang der Bestätigung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses einen weiteren Rekurs gegen seine Entscheidung gemäß § 37 Abs 3 Z 18 MRG für zulässig erklärte, führte ‑ soweit dies im Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung ist ‑ aus:

Gemäß § 16 Abs 3 Satz 2 MRG sei eine Wohnung in eine Ausstattungskategorie auch bei Fehlen eines Ausstattungsmerkmals einzuordnen, wenn das fehlende Ausstattungsmerkmal (hier für die Kategorie A: eine zentrale Wärmeversorgungsanlage oder eine Etagenheizung oder eine gleichwertige stationäre Heizung und eine Warmwasseraufbereitung), nicht jedoch eine Badegelegenheit, durch ein oder mehrere Ausstattungsmerkmale einer höheren Ausstattungskategorie aufgewogen werde. Entgegen der Meinung der Antragsgegner und Schuppichs (Die Neuordnung des Mietrechts 27) könne nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ein fehlendes Ausstattungsmerkmal nur durch Ausstattungsmerkmale einer höheren Ausstattungskategorie aufgewogen werden. Abgesehen davon, dass die Liftbenützung kein im Mietrechtsgesetz aufgezähltes Ausstattungsmerkmal sei, könne ein fehlendes Ausstattungsmerkmal der Kategorie A schon begrifflich durch ein Ausstattungsmerkmal einer höheren Ausstattungskategorie nicht aufgewogen werden, da es keine höhere Ausstattungskategorie als die Kategorie A gebe. Das Erstgericht habe daher zu Recht das Vorliegen der Ausstattungskategorie A verneint.

Das Erstgericht habe die Höhe des zulässigen Hauptmietzinses für die Ausstattungskategorie B richtig mit monatlich 2.524,50 S errechnet. Ziehe man diesen Betrag vom vorgeschriebenen Hauptmietzins von 3.343,98 S ab, so ergebe dies 819,48 S und nicht 821,48 S. Dieser offenkundige Rechenfehler sei zu berichtigen gewesen.

Gegen den bestätigenden Teil des rekursgerichtlichen Sachbeschlusses richtet sich der auf den Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag, in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen festzustellen, dass die Antragsgegner durch die im Spruch genannten Hauptmietzinsvorschreibungen das gesetzlich zulässige Zinsausmaß nicht überschritten hätten, und den Antrag des Antragstellers abzuweisen.

Der Antragsteller hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zwar gemäß § 37 Abs 3 Z 18 MRG zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Zunächst ist zu sagen, dass der Oberste Gerichtshof die vor allem aus dem Gleichheitsgrundsatz und der Unverletzlichkeit des Eigentums abgeleiteten Bedenken der Antragsgegner gegen die Verfassungsmäßigkeit des durch § 44 Abs 2 und 3 MRG normierten Eingriffs in bestehende Mietverträge nicht teilt (so schon OGH 3. 7. 1984, 5 Ob 86/83 = ImmZ 1984, 330).

Die Einwände der Antragsgegner gegen die Auslegung des § 16 Abs 3 Satz 2 MRG durch das Rekursgericht lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Aus dem Mietrechtsgesetz in seiner Gesamtheit gehe hervor, dass der Gesetzgeber die starren Mietzinsgrenzen nach oben habe öffnen wollen. Die Zulassung eines gegenüber den Kategoriemietzinsen des § 16 Abs 2 MRG höheren angemessenen Mietzinses im § 16 Abs 1 MRG zeige, dass es Wohnungen mit höheren Qualitäts‑ und Ausstattungsmerkmalen als jenen des § 16 Abs 2 MRG, also gleichsam einer Überkategorie zugehörige Wohnungen gebe. Die Auslegung des Rekursgerichts, wonach die Ausstattungskategorien ‑ von unten nach oben gesehen ‑ bei der Kategorie A endeten, sei demnach verfehlt. § 16 Abs 3 Satz 2 MRG sei im Sinne einer Öffnung zu § 16 Abs 1 MRG dahin zu interpretieren, dass § 16 MRG als Reihung von den nach unten, nämlich von Abs 1 bis Abs 4 zu verstehen sei und entweder zusätzlich zu den im Abs 1 demonstrativ aufgezählten Merkmalen oder im Rahmen des Kriteriums des Ausstattungszustands, der über die Mindesterfordernisse des Abs 2 hinausgehe, Platz dafür sei, Vorteile in der Verwendbarkeit eines Mietgegenstands, wie sie das Recht auf Liftbenützung einem Mieter gebe, zu berücksichtigen. Die Auffassung dieser Vorteile als Merkmale einer höheren Ausstattungskategorie führe im Wege eines extensiven Verständnisses dieses Begriffs zur Überwindung der verbalen Schranke des § 16 Abs 3 Satz 2 MRG. Nicht zuletzt die durch das Mietrechtsgesetz hinsichtlich der Tragung der einen Hauslift betreffenden Instandhaltungskosten zu Lasten des Hauseigentümers herbeigeführte Änderung rechtfertige die Annahme, dass im Rahmen der Mietzinsfrage auf das Qualitätsmerkmal der Liftbenützung zugunsten des Hauseigentümers Bedacht genommen werden könne.

Diesen Einwänden ist Nachstehendes entgegenzuhalten:

Das Mietrechtsgesetz unterscheidet in seinem die Vereinbarungen über die Höhe des Hauptmietzinses für in Hauptmiete vergebene Mietgegenstände behandelnden § 16 ‑ wenn man von dem im gegenständlichen Zusammenhang nicht bedeutungsvollen Fall des § 16 Abs 1 Z 7 MRG absieht ‑ zwei Gruppen von Mietgegenständen, und zwar 1.) die im § 16 Abs 1 MRG aufgezählten Mietgegenstände, in Ansehung deren ohne die Beschränkungen des § 16 Abs 2 MRG die Vereinbarung eines Hauptmietzinses bis zu dem für den Mietgegenstand nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs‑ und Erhaltungszustand angemessenen Betrag zulässig ist, und 2.) die Mietgegenstände, bei denen die Voraussetzungen des § 16 Abs 1 MRG nicht vorliegen und der Hauptmietzins je Quadratmeter Nutzfläche und Monat die im § 16 Abs 2 Z 1 bis 4 MRG festgelegten Kategorieobergrenzen nicht übersteigen darf. Während die für die Ermittlung des angemessenen Hauptmietzinses im Sinne des § 16 Abs 1 MRG maßgebenden wertbestimmenden Faktoren im Gesetz mit ganz allgemeinen Begriffen bezeichnet werden, die in gewissem Umfang ein Abstellen der Beurteilung auf die individuellen Verhältnisse des Einzelfalls ermöglichen, sind als wertbestimmende Faktoren, die für die Zuordnung der Mietgegenstände (Wohnungen) zu den Kategorien A bis D des § 16 Abs 2 Z 1 bis 4 MRG maßgebend sein sollen, im Gesetz kasuistisch nur einzelne (relativ) konkret umschriebene Ausstattungsmerkmale herausgegriffen, die bloß eine grob schematische Beurteilung unter Außerachtlassung der sonstigen wertbestimmenden Faktoren gestatten. Diese schematische, auf die außerhalb der genannten Ausstattungsmerkmale liegenden, für den konkreten Fall sonst noch wertbestimmenden Faktoren nicht Bedacht nehmende Regelung des § 16 Abs 2 MRG wird zwar durch die Bestimmung des § 16 Abs 3 Satz 2 MRG flexibler gestaltet; dies jedoch nur in engen Grenzen: Ein nach der Aufzählung des § 16 Abs 2 MRG zu den jeweiligen Mindesterfordernissen einer bestimmten Wohnungskategorie gehörendes, im Einzelfall aber fehlendes Ausstattungsmerkmal ‑ nicht jedoch eine Badegelegenheit ‑ kann nur durch ein oder mehrere Ausstattungsmerkmale einer höheren Ausstattungskategorie, nicht aber durch sonstige wertbestimmende Faktoren im Sinne des § 16 Abs 1 MRG aufgewogen werden (vgl Würth‑Zingher , MRG 2 , 79 f Anm 38 zu § 16). Diese eindeutige gesetzliche Regelung spricht sowohl gegen die Auffassung Schuppichs (Die Neuordnung des Mietrechts 27), dass der einer Wohnung, die alle anderen Mindesterfordernisse der Kategorie A aufweist, fehlende Vorraum durch die bevorzugte Grünlage dieser Wohnung aufgewogen werden könnte, als auch gegen die von den Antragsgegnern verfochtene Ansicht, die der Wohnung des Antragstellers zur Einordnung in die Kategorie A fehlende zentrale Wärmeversorgungsanlage (oder Etagenheizung oder gleichwertige stationäre Heizung) und Warmwasseraufbereitung könnte durch den zur Verfügung stehenden Lift wettgemacht werden. Beide Merkmale könnten bei Ermittlung des angemessenen Hauptmietzinses im Sinne des § 16 Abs 1 MRG eine Rolle spielen, müssen aber im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 16 Abs 3 Satz 2 MRG außer Betracht bleiben.

Es trifft zu, dass nach § 5 MG die Kosten des Betriebs und der Instandhaltung eines Personen‑ oder Lastenaufzugs als besondere, einen angemessenen Zuschlag zum Mietzins rechtfertigende Aufwendungen zugunsten der Mieter anzusehen waren, die ‑ sei es auch aufgrund eines bestehenden Mietvertrags ‑ auf die Benützung des Aufzugs Anspruch erhoben, während der Hauptmieter eines Mietgegenstands, der aufgrund des Mietvertrags oder einer anderen Vereinbarung berechtigt ist, einen Personenaufzug zu benützen, nach § 24 Abs 1 MRG nur die anteiligen Gesamtkosten des Betriebs dieser Anlage als Bestandteil des Mietzinses (§ 15 Abs 1 Z 3 MRG) zu tragen hat, die Kosten der Erhaltung des Personenaufzugs aber gemäß § 3 Abs 2 Z 3 in Verbindung mit Abs 3 und § 20 Abs 1 Z 2 lit a MRG vom Vermieter aus den Hauptmietzinsen zu decken sind (vgl Würth‑Zingher , MRG 2 , 22 Anm 13 zu § 3, 118 Anm 5 zu § 24; Palten , Aufzugskosten als besondere Aufwendungen, ImmZ 1984, 195 f und 211 f). Auch diese Änderung der Rechtslage vermag aber nicht zu der von den Antragsgegnern angestrebten Auslegung des § 16 Abs 3 Satz 2 MRG zu führen. Der Umstand, dass die Vermieter die Aufzugserhaltungskosten seit dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes aus den Hauptmietzinsen zu decken haben, steht einem ansonsten nach § 44 Abs 2 und 3 MRG berechtigten Begehren auf Ermäßigung des Hauptmietzinses nicht entgegen. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus § 3 des Mietvertrags vom 24. 4. 1979 (Beilage B), dass sich der Antragsteller verpflichtet hatte, neben dem Hauptmietzins (dessen Ermäßigung er nunmehr begehrt) und den anteiligen Betriebskosten und öffentlichen Abgaben auch noch die anteiligen Kosten der Erhaltung und des Betriebs des Aufzugs zu entrichten (Z 6).

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG, §§ 40, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte