OGH 2Ob620/84

OGH2Ob620/8425.9.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Dieter Graf, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Heidelinde P*****, vertreten durch Dr. Klaus und Dr. Ute Messiner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 16.401 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 8. Juni 1984, GZ 1 R 259/84-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 25. Jänner 1984, GZ 15 C 1232/83-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 2.843,68 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 480 S Barauslagen und 214,88 S USt) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zur Finanzierung eines von der Beklagten mit der Firma E***** Gesellschaft mbH & Co KG (im Folgenden nur E*****) abgeschlossenen „Dienstleistungsvertrages“ über die Herstellung gesellschaftlicher Kontakte gewährte die klagende Partei der Beklagten einen Kredit. Gegen das auf Rückzahlung des Kredits gerichtete Klagebegehren wendet die Beklagte ein, vom Dienstleistungsvertrag nach den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes zurückgetreten zu sein. Diesen Rücktritt müsse auch die klagende Partei, falls der Kredit an den E***** zur Auszahlung gelangt sein sollte, gegen sich gelten lassen. Nach Erhalt der Annahmeerklärung der klagenden Partei sei die Beklagte auch vom Kreditvertrag zurückgetreten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es erklärte die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für zulässig.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung - die unter dem Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit geltend gemachten Feststellungsmängel sind der Rechtsrüge zuzuordnen - mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise stellt die klagende Partei einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung den auf den AS 36 bis 41 (S 2 bis 7 der Urteilsausfertigung) dargestellten Sachverhalt zugrunde. Danach rief die Beklagte am 13. 4. 1983 die bei einer Zeitungsannonce unter der Rubrik „Heirat“ angeführte Telefonnummer an. In der Anzeige war ein Mann beschrieben worden. Unter dieser Kurzbeschreibung befand sich die Buchstabenfolge E***** und die Telefonnummer. Die Anzeige war vom E***** aufgegeben worden. Sie befand sich in der gleichen Rubrik wie andere, ähnlich gestaltete Anzeigen des E***** und eine Werbeeinschaltung dieses Unternehmens selbst. Auf den Anruf der Beklagten meldete sich Renate R*****, die der Beklagten mitteilte, dass das Inserat einen Mann betrifft, der Mitglied des E***** ist und über diesen Kontakt sucht. Renate R***** lud die Beklagte in das Büro des E***** in Klagenfurt zwecks näherer Informationen ein. Die Beklagte erklärte, dass ihr dies wegen der Entfernung nicht möglich sei. Die beiden kamen überein, dass die Beklagte von Katalin I*****, einer weiteren Mitarbeiterin des E*****, aufgesucht wird. Ca eine Stunde nach dem Telefonat kam es in der Wohnung der Beklagten zwischen dieser und Katalin I***** zu einem Gespräch über die Vorteile einer Mitgliedschaft beim E*****. Aufgrund dieses Gesprächs entschloss sich die Beklagte zum Abschluss des Dienstleistungsvertrags (Beilage 1), dessen wesentlicher Inhalt vom Erstgericht festgestellt wurde. Als Entgelt wurde ein Betrag von 15.883,20 S vereinbart in 24 Monatsraten á 661,80 S vereinbart. Die Beklagte unterfertigte auch einen Kreditantrag an die klagende Partei, der einen Hinweis auf den von ihr mit dem E***** abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag und die Anweisung an die klagende Partei enthält, den Kreditbetrag an den E***** zu überweisen. Die Beklagte verpflichtete sich, den Kreditbetrag zuzüglich der üblichen Zuschläge in Monatsraten bei Terminsverlust zurückzuzahlen. Katalin I***** ließ der Beklagten eine Informationsmappe zurück, in der sich unter anderem auch eine Durchschrift des Dienstleistungsvertrags befand. Mit Schreiben vom 18. 4. 1983 an den E*****, das innerhalb einer Woche nach Vertragsabschluss beim E***** einlangte, erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Vertrag. Als sie am 22. 4. 1983 Erlagscheine und eine Ausfertigung des von der klagenden Partei angenommenen Kreditantrags erhielt, erklärte sie auch der klagenden Partei gegenüber innerhalb einer Woche den Vertragsrücktritt.

Nach der Rechtsmeinung des Erstgerichts stehe der Beklagten ein Rücktrittsrecht gemäß § 3 Abs 3 Z 1 KSchG nicht zu, weil sie selbst die geschäftliche Verbindung angebahnt habe. Wenn sie sich auf ein Heiratsinserat eines Partnervermittlungsinstituts gemeldet habe, habe sie auch den Abschluss eines Partnervermittlungsvertrags ins Auge fassen müssen. Sie habe auch nicht von dem Vorschlag der Vertreterin des E***** auf Abschluss eines Drittfinanzierungsvertrags mit der klagenden Partei überrascht sein können.

Das Berufungsgericht vertrat den Standpunkt, dass die Beklagte weder die geschäftliche Verbindung mit dem E***** noch die mit der klagenden Partei angebahnt habe. Durch die Wahl der Telefonnummer eines eine Partnerin suchenden Mannes habe die Beklagte nicht zum Ausdruck gebracht, in Verhandlungen zwecks Abschlusses eines Heiratsvermittlungsvertrags eintreten zu wollen. Erst durch das Anbot des E*****, eine Vertreterin zur Beklagten zu schicken, sei dann von diesem die Geschäftsanbahnung erfolgt. Keinesfalls habe aber die Beklagte den Kreditvertrag mit der Klägerin angebahnt. Die Vertragsanbahnung durch den Verbraucher müsse kongruent sein. Der Verbraucher müsse erkennen lassen, dass er die Initiative zum Eintritt in Vertragsbesprechungen zwecks Abschlusses eines bestimmten Vertrags ergriffen habe. Der Anruf der Beklagten beim E***** stelle keine Initiative zum Abschluss eines Kreditvertrags dar.

Der Auffassung des Berufungsgerichts hält die Revision entgegen, dass die Beklagte, obwohl ihr nach Melden des Telefonteilnehmers bekannt gewesen sei, mit wem sie Kontakt hergestellt habe, das Gespräch fortgesetzt und sich schließlich nach der Möglichkeit eines Hausbesuchs erkundigt habe. Damit habe aber die Beklagte das Geschäft zum E***** angebahnt. Zweifellos sei aber die Anbahnung des Kreditgeschäfts durch die Beklagte durch Einsendung des Kreditantrags an die klagende Partei erfolgt. Dem Standpunkt der Revision kann nicht gefolgt werden.

Beide von der Beklagten abgeschlossenen Rechtsgeschäfte fallen unter das Konsumentenschutzgesetz (§ 1 Abs 1 KSchG). Das dem Verbraucher nach § 3 Abs 1 KSchG unter den dort bezeichneten Voraussetzungen (deren Vorliegen hier nicht strittig ist) eingeräumte Rücktrittsrecht steht ihm nicht zu, wenn er selbst zwecks Schließung dieses Vertrags die geschäftliche Verbindung mit dem Unternehmer oder dessen Beauftragten angebahnt hat (§ 3 Abs 3 Z 1 KSchG). Unter Anbahnen ist keine rechtsgeschäftliche Erklärung, sondern ein Verhalten zu verstehen, durch das dem Unternehmer gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, dass man in Vorverhandlungen zwecks Abschlusses eines bestimmten Rechtsgeschäfts treten wolle (Edlbacher, Kommentar zum Ratengesetz 56; 1 Ob 637/82). Das Verhalten des Verbrauchers muss einen eindeutigen Schluss auf seine Initiative und die Bereitwilligkeit zum Abschluss eines bestimmten Verbrauchergeschäfts zulassen. Die Anbahnung muss sich daher auf den Abschluss eines konkret bestimmten Verbrauchergeschäfts beziehen (Martinek-Schwarz, Ratengesetz 53; 1 Ob 637/82). Das Herbeiholen eines Unternehmers aufgrund eines Zeitungsinserats oder aufgrund von Werbematerial stellt nach der Rechtsprechung eine Geschäftsanbahnung durch den Verbraucher dar (RZ 1967/74; SZ 44/163). Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits klargestellt, dass aus der Zeitungsannonce für den Durchschnittsverbraucher mit der gebotenen Deutlichkeit auch erkennbar sein muss, dass er den Unternehmer zu Vertragsverhandlungen über ein bestimmtes Geschäft einlädt (1 Ob 637/82). Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall. Mit der Wahl der einer Kurzbeschreibung einer heiratswilligen Person beigefügten Telefonnummer wird höchstens die Herstellung eines persönlichen Kontakts mit dieser Person angestrebt, nicht aber ein Vertrag auf Vermittlung weiterer gesellschaftlicher Kontakte angebahnt. Zu Unrecht versucht die Revision die Fortsetzung des Telefongesprächs durch die Beklagte und deren Einigung mit der Vertreterin des E***** auf einen Hausbesuch als Geschäftsanbahnung durch die Beklagte zu qualifizieren. Dieser Versuch scheitert daran, dass - auch wenn der Hausbesuch aufgrund eines Wunsches der Beklagten erfolgte - nach der unbekämpften Feststellung des Erstgerichts die Vertreterin des E***** der Beklagten telefonisch nur Informationen anbot. Die Beklagte musste daher nur damit rechnen, nähere Informationen zu erhalten. Der E***** wurde dann aber durch die Einladung zum Hausbesuch nicht aufgefordert, mit der Beklagten Verhandlungen zum Abschluss eines Dienstleistungsvertrags über die Herstellung von gesellschaftlichen Kontakten zu führen. Benützte die Vertreterin des E***** die von der Beklagten allein gewünschte Information dazu, sie zum Abschluss eines Vertrags, der von der Beklagten nur durch Inanspruchnahme eines Kredits erfüllt werden konnte, zu bringen, ging die Anbahnung dieses konkret abgeschlossenen Geschäfts nicht von der Beklagten aus. War die Beklagte aber mangels Geschäftsanbahnung zum Rücktritt vom Dienstleistungsvertrag mit dem E***** jedenfalls berechtigt, braucht die Frage der Anbahnung des Kreditgeschäfts nicht mehr erörtert zu werden. Schon im Dienstleistungsvertrag (Beilage 1, deren Echtheit anerkannt ist), wurde nämlich die Finanzierung des Entgelts der Beklagten durch einen Kredit bei der klagenden Partei vorgesehen. Der Antrag auf Kreditgewährung erfolgte mittels eines im Wege des E***** zur Verfügung gestellten Formblatts der klagenden Partei, wobei der E*****, wie sich aus den Feststellungen des Erstgerichts über den Inhalt des Beratungsnachweises ergibt, eine Vermittlungstätigkeit in Anspruch nahm. Das Formblatt enthält den Hinweis, dass der Kredit zur Finanzierung des mit dem E***** abgeschlossenen, konkret bezeichneten Dienstleistungsvertrags gewährt wird und die Anweisung, den Kreditbetrag auf das Konto des E***** bei der klagenden Partei zu überweisen. Beide Verträge sind somit durch wechselseitige Bezugnahme miteinander verknüpft. Daraus ergibt sich, dass der beiderseitige Vertragsabschlusswille auf dem Bestand des Dienstleistungsvertrags beruht, sodass dieser nach dem Parteiwillen zur Grundlage des Kreditvertrags wurde. Der Wegfall des Dienstleistungsvertrags hat dann auch das Erlöschen des Kreditvertrags zur Folge. Allfällige Leistungen sind rückabzuwickeln. Hiebei kann jedoch die klagende Partei von der Beklagten nicht die Darlehensvaluta fordern, weil die Beklagte infolge Unwirksamkeit des Dienstleistungsvertrags von keiner Verbindlichkeit gegenüber dem E***** befreit worden ist. Dagegen hat die Beklagte aufgrund der für sie erbrachten Leistung der klagenden Partei gegen den E***** eine Leistungskondiktion. Insoweit ist sie bereichert, und die klagende Partei kann von ihr nur die Abtretung dieses Anspruchs im Wege der Kondiktion verlangen (Esser in Kern FS 111; Koziol-Welser 6 I 264; unter den im vorliegenden Fall gegebenen Voraussetzungen der strengen Zweckbindung des Darlehens und der reinen Darlehenskonstruktion zustimmend auch Bydlinski in Klang 2 IV/2 427; vgl auch Schilcher in Krejci, Handbuch zum Konsumenten-Schutzgesetz, 308). Ein solches Begehren hat die klagende Partei aber nicht gestellt. Dass die Beklagte vom E***** bereits Zahlung erhalten hätte, wurde nicht behauptet.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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