OGH 2Ob53/84

OGH2Ob53/8425.9.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Siegfried Schwab, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Republik Österreich (Österreichische Bundesbahnen), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17, 1010 Wien, wegen 207.148 S sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. Juni 1984, GZ 3 b R 69/84-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichts Wels vom 27. März 1984, GZ 1 Cg 278/83-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 6.714 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 25. 4. 1981 fuhr der am 19. 9. 1967 geborene Franz S***** als Fahrgast eines Omnibusses der Österreichischen Bundesbahnen auf der Strecke von Lambach nach Wels. Als der Omnibus bei einer Bedarfshaltestelle ohne anzuhalten vorbeifuhr, rief S*****: „Aussteigen“. Daraufhin hielt der Lenker des Omnibusses etwa 100 m nach der Haltestelle an einer Stelle, an der das Bankett verbreitert war. S***** verließ den Omnibus durch die mittlere Tür, ging zur rechten hinteren Ecke des Omnibusses und blieb stehen, während der Omnibus wieder anfuhr. In der Folge wurde S*****, als er über die Fahrbahn lief, von einem aus der Gegenrichtung kommenden PKW niedergestoßen und schwer verletzt. Weder in der Konzessionsurkunde für den Betrieb der Kraftfahrlinie noch in der Dienstvorschrift für den Kraftfahrdienst, herausgegeben von den Österreichischen Bundesbahnen, ist ein Verbot enthalten, auf freier Stecke anzuhalten.

Im Verfahren 3 Cg 21/82 des Erstgerichts wurde die nunmehrige Klägerin, bei welcher der am Unfall beteiligte PKW haftpflichtversichert war, mangels Erbringung eines Entlastungsbeweises nach dem EKHG schuldig erkannt, Franz S***** die Hälfte seines Schadens zu ersetzen.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin von der Beklagten als Halterin des Omnibusses den Ersatz von zwei Dritteln der von ihr an S***** erbrachten Leistungen; außerdem stellte sie ein entsprechendes Feststellungsbegehren.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, den Omnibuslenker treffe kein Verschulden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und führte aus, ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit der dem Kraftfahrzeug eigentümlichen Betriebsgefahr müsse verneint werden. Außerdem bestehe kein adäquater Zusammenhang zwischen dem Halten des Busses außerhalb der Bedarfsstelle bzw dem Wegfahren nach dem Verlassen des Busses durch Franz S***** und dem nachfolgenden Unfallsgeschehen. Von der Verletzung einer Schutznorm durch den Lenker des ÖBB-Busses könne keine Rede sein.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts, in welchem ausgesprochen wurde, dass die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei, richtet sich die Revision der klagenden Partei. Sie macht den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren Folge gegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Ansicht der Revisionswerberin, der Unfall habe sich beim Betrieb des Omnibusses iSd § 1 EKHG ereignet, kann nicht geteilt werden. Ein Betriebsunfall ist zwar auch dann gegeben, wenn der Unfall nicht im inneren Zusammenhalt mit den typischen Betriebsgefahren eines Kraftfahrzeugs steht, er aber wenigstens in einem adäquat ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (JBl 1979, 149 ua). Auch ein derartiger Zusammenhang bestand im vorliegenden Fall jedoch nicht. Ein Unfall beim Betrieb wurde zwar angenommen, wenn er sich beim Aussteigen (2 Ob 97/59) oder beim Entladen (2 Ob 183/61 ua) eines Kraftfahrzeugs ereignete. Im vorliegenden Fall war der Vorgang des Aussteigens jedoch beendet, Franz S***** war von der mittleren Tür des Omnibusses zu dessen hinteren Ecke gegangen und dort stehengeblieben und der Omnibus hatte seine Fahrt fortgesetzt. Zwischen dem Unfall, den S***** in der Folge als Fußgänger durch ein anderes Kraftfahrzeug erlitt und dem Betrieb des Autobusses bestand daher kein Zusammenhang iSd § 1 EKHG. Nicht zielführend ist der Hinweis der Revisionswerberin darauf, dass es immer wieder dadurch zu Unfällen kommt, dass ein Fahrgast eines Autobusses hinter diesem hervortritt und von einem vorbeifahrenden Fahrzeug niedergestoßen wird. Der Umstand, dass sich derartige Unfälle öfters ereignen, hat nämlich nicht zur Folge, dass es sich um Unfälle beim Betrieb des Autobusses handelt. Aufgrund der Vorschriften des EKHG kann die Beklagte daher zur Haftung nicht herangezogen werden.

Auch die Vorschriften des ABGB können die Ansprüche der Klägerin nicht rechtfertigen. Eine Haftung aus einem Beförderungsvertrag hätte zur Voraussetzung, dass die Beklagte Vertragspflichten verletzte. Derartiges ist nicht hervorgekommen. Dem Omnibuslenker kann ein Fehlverhalten nicht vorgeworfen werden, zumal er - wie feststeht - S***** vor dem Aussteigen einschärfte, er solle beim Überqueren der Bundesstraße aufpassen. Nicht zielführend sind die Revisionsausführungen über die Verletzung einer Schutznorm durch den Omnibuslenker, weil es keine Norm verbietet, aus einem Autobus außerhalb eines Haltestellenbereichs einen Fahrgast aussteigen zu lassen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet auf sich die §§ 41, 50 ZPO.

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