OGH 2Ob617/84

OGH2Ob617/8425.9.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter S*****, vertreten durch Dr. Otto Gigers, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Friedrich M*****, vertreten durch Dr. Robert Siemer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 582.764 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Mai 1984, GZ 15 R 84/84-143, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichts Krems an der Donau vom 30. Dezember 1983, GZ 1 Cg 90/74-132, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat dem Beklagten die mit 15.221,70 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.200 S Barauslagen und 1.274,70 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, der einen Gemischtwarenhandel betreibt und der Beklagte, ein Landesproduktenhändler, standen bis Ende 1973 in Geschäftsverbindung. Nach Beendigung dieser Geschäftsverbindung setzte der Beklagte in einen ihm vom Kläger übergebenen Blankowechsel einen Betrag von 983.728 S ein und übertrug ihn durch Indossament.

Der Kläger brachte vor, der Beklagte habe eine kontokorrentmäßige Abrechnung geführt und dem Kläger jeweils Blätter des Kontokorrents übermittelt, die der Kläger, soweit er Unrichtigkeiten festgestellt habe, bemängelt habe. Bei Beendigung der Geschäftsverbindung wären dem Beklagten 391.068,60 S zugestanden. Der Kläger fordere den Ersatz seines Schadens, der sich aus der Differenz der Wechselsumme zum tatsächlichen Anspruch des Beklagten unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer für die Zinsenbelastung 1973 ergebe. Der Kläger begehrte die Bezahlung eines Betrags von 582.764 S samt 12 % Zinsen seit 29. 11. 1983 und 18 % USt aus den Zinsen.

Der Beklagte wendete ein, zwischen ihm und dem Kläger habe seit 1966 eine ständige Geschäftsverbindung bestanden, die Verrechnung sei in Form eines Kontokorrents erfolgt. Der Beklagte habe dem Kläger jeweils zum Jahresende bzw Jahresabschluss Blätter des Kontokorrents übermittelt. Soweit der Kläger Unrichtigkeiten behauptet habe, seien diese einvernehmlich festgestellt und gegebenenfalls berichtigt worden. Bei einer Besprechung Ende 1972 oder Anfang 1973 sei eine Einigung über alle Forderungen bis Ende 1972 erfolgt. Auch 1973 sei wie früher abgerechnet worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers. Er macht die Revisionsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO geltend und beantragt Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, dass dem Berufungsantrag auf Aufhebung, in eventu Abänderung des erstinstanzlichen Urteils stattgegeben werde.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Aus den vom Erstgericht aus den Seiten 8 bis 15 seines Urteils (AS 560 bis 567) getroffenen Feststellungen ist Folgendes hervorzuheben:

Die Geschäftsbeziehung zwischen den Streitteilen bestand darin, dass der Kläger dem Beklagten Spritzmittel lieferte und für den Beklagten gegen Provision Getreide aufkaufte. Der Beklagte verkaufte dem Kläger in erster Linie Kunstdünger, aber auch Weinzucker, Baumaterial, Mehl und Futtermittel. Von 1964 bis 1968 erfolgten nach der Ernte Zahlungen des Klägers an den Beklagten, sodass das Konto des Klägers periodisch ausgeglichen war. Ab 1968 war der Kläger nicht mehr in der Lage, den Saldo abzudecken, sodass immer höhere Verbindlichkeiten gegenüber dem Beklagten anwuchsen. Dem Kläger wurde jedes Jahr in der Erntezeit der Saldo mitgeteilt. Außerdem wurde er ihm zum Jahresende bekanntgegeben. Er bekam auch die entsprechenden Kontoauszüge, und zwar höchstens mit einigen Monaten Verspätung nach dem jeweiligen Kalenderjahr. Bemängelungen der Buchhaltung des Beklagten kamen durchaus vor, und zwar ab 1968, diese wurden besprochen und die Buchhaltung richtiggestellt. Als der Beklagte feststellte, dass der Kläger den Saldo Ende 1968 nicht ausgleicht, teilte er ihm mit, dass er ihm Zinsen verrechnen werde, und zwar in jener Höhe, in der die Lieferanten des Beklagten Zinsen in Rechnung stellten. Der Kläger sah schließlich die Notwendigkeit, Zinsen zahlen zu müssen, ein und war damit einverstanden. Ende 1972 oder Anfang 1973 fand neuerlich eine Besprechung zwischen den Streitteilen statt, bei der einige Posten in der Buchhaltung berichtigt und Zinsenbeträge ausgehandelt wurden. Schließlich wurde einvernehmlich festgestellt, dass der Kläger dem Beklagten einen Betrag von 2.012.190,55 S schuldete. Zwischen dieser Besprechung und dem gegenständlichen Rechtsstreit wurden vom Kläger auch keinerlei Buchungen beanstandet. Der Kläger selbst führte keinerlei Buchhaltung. Auch 1973 wurde die Abrechnung, so wie in den Vorjahren, einvernehmlich vorgenommen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, zwischen den Parteien habe ein echtes Kontokorrentverhältnis bestanden. Die Parteien hätten vereinbart, regelmäßig in gewissen Zeitabschnitten, und zwar von Ernte zu Ernte, abzurechnen. Dies sei auch tatsächlich geschehen. Schließlich sei durch das Anerkenntnis des Klägers zum Jahresende 1972 der bis dahin bestehende Saldo zugunsten des Beklagten anerkannt worden. Dadurch sei eine von den einzelnen Posten unabhängige Forderung entstanden. Den Buchungen für das Jahr 1973 habe der Kläger nicht widersprochen, er habe sie dadurch schlüssig anerkannt. Daher sei das Klagebegehren abzuweisen, weil der Kläger nicht mehr einzelne Buchungsposten bemängeln könne. Der Beweis, dass er die Salden nicht anerkannte, sei ihm nicht gelungen. Da der Kläger die Klage ausdrücklich auf Schadenersatz gestützt habe, sei er für die Höhe des Schadens beweispflichtig.

Das Berufungsgericht führte zur Rechtsfrage aus, die Regelung über die Beweislast komme dann zur Anwendung, wenn die Beweisergebnisse nach der Überzeugung des Gerichts nicht ausreichen, um einen entscheidungswesentlichen Tatumstand als erwiesen oder als nicht erwiesen anzunehmen, so dass die freie Beweiswürdigung zu keinem Ergebnis führe; sie lasse sich auf den Grundsatz zurückführen, dass mangels abweichender Regelung jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen habe, die klagende Partei also die rechtsbegründenden und die beklagte Partei die rechtsaufhebenden oder auch nur rechtshemmenden. Anderes lasse sich auch für den Fall der vereinbarungswidrigen Ausfüllung eines Blankowechsels aus dem Gesetz nicht ableiten, zumal selbst § 1298 ABGB keine Sondervorschriften für den Beweis der Schadenshöhe vorsehe und ein Anerkenntnis darüber hinaus auch noch einen zusätzlichen Rechtsgrund bilde. Nach den Feststellungen liege nämlich tatsächlich die Vereinbarung eines Kontokorrentverhältnisses gemäß § 355 HGB vor, das nach der Rechtsprechung selbst stillschweigend durch wiederholte Übersendung von Kontoauszügen und Anerkennung eines Saldos zustandekommen könne. Zu dessen Wesen gehöre es, dass nach festgelegten Perioden ein Saldo gezogen werde, wodurch die Einzelposten ihre Selbständigkeit verlören. Einwendungen gegen das Anerkenntnis wären nur bei Schreib- oder Rechenfehlern (§ 1388 ABGB), bei vom Kläger listigerweise hervorgerufenem oder ausgenütztem Irrtum oder bei Vorliegen unverzichtbarer Einwendungen wie etwa des Einwands der Sittenwidrigkeit zulässig. Eine kulanzmäßige Bereitschaft, auch bereits anerkannte Teilforderungen zugunsten des Vertragspartners zu berücksichtigen, ziehe für sich allein keine weiteren Rechtsfolgen nach sich, somit auch nicht den schlüssigen Verzicht auf die Rechte aus einem im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses abgegebenen Anerkenntnis, wie auch umgekehrt eine vom Schuldner geäußerte Vergleichsbereitschaft noch nicht als Anerkenntnis zu werten sei.

Den Revisionsausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Auf die Behauptung des Revisionswerbers, der Sachverständige Dr. H***** sei parteiisch gewesen, ist nicht einzugehen. Hier rügt der Kläger nämlich einen Mangel des Verfahrens erster Instanz, den das Berufungsgericht nicht als gegeben ansah. Nach ständiger Rechtsprechung kann dieser angebliche Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens in der Revision nicht neuerlich gerügt werden.

Nicht berechtigt sind auch die Revisionsausführungen, das Berufungsgericht habe sich mit Widersprüchen zwischen Aussagen nicht auseinandergesetzt. Das Berufungsgericht hat zur Beweisrüge Stellung genommen, es hatte gegen die Beweiswürdigung keine Bedenken. Eine Verpflichtung, auf alle Beweisergebnisse und einzelnen Ausführungen des Klägers einzugehen, bestand nicht (EFSlg 41.797 uva).

Zur Frage der Beweispflicht führt der Revisionswerber aus, der Beklagte habe zugegeben, den Wechsel ausgefüllt zu haben. Diese Tatsache habe daher gemäß § 266 ZPO keines Beweises bedurft, die Ansicht der Vorinstanzen, der Kläger sei beweispflichtig, stehe im Widerspruch zu dieser Vorschrift. Der Beklagte habe eine Gegenforderung eingewendet, die er zu beweisen gehabt hätte. Die Ansicht der Vorinstanzen, der Kläger habe hinsichtlich der Gegenforderung den Beweis zu erbringen, sei unrichtig.

Dem ist zu erwidern, dass der Beklagte keine Gegenforderung einwendete, sondern dem behaupteten Schadenersatzanspruch des Klägers entgegenhielt, er habe den einvernehmlich festgestellten Saldo in den Wechsel eingesetzt. Der Beklagte bestritt somit das Zurechtbestehen einer Schadenersatzforderung des Klägers, weshalb dieser den Beweis für die Forderung zu erbringen hatte. Die Tatsache allein, dass der Beklagte einen ihm vom Kläger übergebenen Blankowechsel ausgefüllt hat, begründet noch keine Schadenersatzpflicht.

Der Revisionswerber führt weiters aus, zwischen den Parteien habe kein Kontokorrentverhältnis bestanden. Dies deshalb, weil die Verrechnung nur durch den Beklagten erfolgte, somit nicht beiderseitig, sondern einseitig. Es seien auch nicht regelmäßig Zinsen in Rechnung gestellt worden. Es sei auch niemals nur ein Überschuss von dem einen oder anderen Teil aus dieser Rechnung verlangt worden, vielmehr hätten die Streitteile in dieser Verrechnung wiederholt über Jahre zurückgegriffen, Richtigstellungen vorgenommen und derartige Ansprüche nicht so geregelt, wie dies im § 355 HGB vorgesehen sei.

Auch diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Gemäß § 355 HGB sind bei einem Kontokorrent die beiderseitigen Ansprüche und Leistungen in Rechnung zu stellen. Dass beide Teile ein Kontokorrentkonto führen müssen, ergibt sich daraus jedoch nicht (vgl Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht III 106, wonach in Fällen, in denen nur ein Teil Kaufmann ist, in der Regel dieser das laufende Konto führen wird). Dass stets Zinsen verrechnet werden, ist keine Voraussetzung für das Bestehen eines Kontokorrentverhältnisses (vgl Hämmerle-Wünsch aaO 111). Auch eine einvernehmliche Richtigstellung eines schon früher einvernehmlich festgestellten Saldos hätte auf das Bestehen eines Kontokorrentverhältnisses keinerlei Einfluss. Zutreffend gingen die Vorinstanzen daher - ebenso wie beide Parteien im Verfahren erster Instanz - davon aus, dass zwischen den Parteien ein Kontokorrentverhältnis bestehe.

Aufgrund der Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Abrechnungen, und zwar auch die für 1973, einvernehmlich vorgenommen wurden, der Kläger anerkannte somit den Saldo. Er könnte diesen daher nur bei Schreib- oder Rechenfehlern (§ 1388 ABGB), bei vom Beklagten listigerweise hervorgerufenem oder ausgenütztem Irrtum oder bei Vorliegen unverzichtbarer Einwendungen wie etwa des Einwandes der Sittenwidrigkeit anfechten (EvBl 1979/45; 6 Ob 547/80). Derartige Umstände sind jedoch nicht hervorgekommen.

Die vom Kläger behauptete Schadenersatzforderung besteht daher nicht zu Recht, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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