Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 20.124,55 S bestimmten Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses (darin enthalten 1.600 S Barauslagen und 1.684,05 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Die klagende Partei begehrt von der Beklagten, einer Handelsgesellschaft mit dem Sitz in der Schweiz, die Bezahlung eines Betrags von 307.316,81 sfr sA für Warenlieferungen. Die Zuständigkeit des Erstgerichts stützt sie darauf, gleichzeitig mit der Lieferung seien Faktum mit dem Vermerk „zahlbar und klagbar in Wien“ unbeanstandet angenommen worden. Wien sei auch als Erfüllungs- und Gerichtsort vereinbart worden.
Die beklagte Partei wendete Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit sowie örtliche Unzuständigkeit ein.
Das Erstgericht wies die Klage wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit zurück.
Das Rekursgericht änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass die von der Beklagten erhobene Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit verworfen wird.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den Beschluss erster Instanz wiederherzustellen.
Die klagende Partei beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben.
Die von der klagenden Partei in der Beantwortung des Revisionsrekurses vertretene Ansicht, der Revisionsrekurs sei unzulässig, weil es nicht, wie die beklagte Partei anführe, um einen Streitwert von 2.409.363,79 S gehe, sondern um einen 15.000 S an Geldeswert nicht übersteigenden Beschwerdegegenstand, da es sich nur um die Frage der inländischen Gerichtsbarkeit handle, kann nicht geteilt werden. Das Erstgericht wies die Klage, mit der 307.216,81 sfr (2.409.363,79 S) begehrt werden, zurück, das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs Folge. Damit bildet aber der mit der Klage begehrte Betrag den Beschwerdegegenstand, weshalb der Revisionsrekurs, ohne dass es einer Bewertung oder eines Ausspruchs über die Rechtsmittelzulässigkeit durch das Rekursgericht bedurft hätte, zulässig ist.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Das Erstgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, gemäß Art 2 des österreichisch-schweizerischen Vollstreckungsvertrags sei die inländische Gerichtsbarkeit gegen einen Schuldner, der zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz in der Schweiz habe, nur dann gegeben, wenn sich der Beklagte durch eine ausdrückliche Vereinbarung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts unterworfen habe. Der Vertrag, in dem eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten gewesen sei, sei zum 31. 12. 1979 aufgelöst worden. Der Klagsanspruch beziehe sich auf eine erst im Jahr 1980 erfolgte Lieferung. Ansonsten seien ausdrückliche Vereinbarungen iSd Art 2 des österreichisch-schweizerischen Vollstreckungsvertrags nicht getroffen worden. Die Vereinbarung eines Erfüllungsorts erfülle ebensowenig wie ein Vermerk auf einer Faktura diese Voraussetzungen.
Das Rekursgericht führte aus, beim Art 2 des österreichisch-schweizerischen Vollstreckungsvertrags handle es sich lediglich um die Regelung der Voraussetzungen, unter denen eine ausländische Entscheidung im Inland (bzw umgekehrt eine österreichische Entscheidung im Ausland) anerkannt und vollstreckt werden könne. Auf die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte im Erkenntnisverfahren bleibe dieses Erfordernis der Anerkennung und Vollstreckung ohne Einfluss. Demnach erweise sich auch eine Prüfung der Frage nach dem Vorliegen einer „Unterwerfung durch ausdrückliche Vereinbarung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes“ als entbehrlich. Auch ansonsten fehle für vermögensrechtliche Rechtsstreitigkeiten nicht nur eine staatsvertragliche Regelung der inländischen Gerichtsbarkeit, sondern auch eine ausdrückliche innerstaatliche Norm zu dieser Frage. Da aber andererseits keine völkerrechtlichen Bedenken gegen den Grundsatz der Universalität der inländischen Juristidiktion bestünden, sei zu prüfen, ob die inländische Zuständigkeitsordnung für Klagen aus Warenlieferungen bei ausländischem Sitz des Schuldners ein inländisches Gericht bestimme. Diese Frage sei zu bejahen. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 88 Abs 1 JN, aber auch der Gerichtsstand des § 104 JN sei aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zwar nicht gegeben. Nach den Tatsachenfeststellungen seien aber allen klagsgegenständlichen Warenlieferungen Rechnungen beigelegt gewesen, welche den Vermerk „zahlbar und klagbar in Wien“ enthielten und von der Beklagten unbeanstandet angenommen worden seien. Da überdies beide Streitteile als Handelsgesellschaften ein Handelsgewerbe betreiben, könne der Fakturengerichtsstand als begründet angesehen und damit auch die inländische Gerichtsbarkeit bejaht werden.
Der Rekurswerber bekämpft weder die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts über die Begründung des Fakturengerichtsstands durch die unbeanstandete Übernahme der mit der Ware übersandten Faktura, noch, dass Art 2 des Vertrags vom 16. 12. 1960 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, BGBl 125/1962, nur im Zusammenhang mit der Anerkennung und Vollstreckung im anderen Staat und nicht auch für das Verfahren vor dem Titelgericht von Bedeutung sind. Diese Ansicht entspricht auch der herrschenden Lehre und Rechtsprechung (Heller/Berger/Stix 775; Matscher in JBl 1969, 565, Loewe, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilrechtssachen 832, Anm 4a, EvBl 1983/13).
Die Revisionsrekurswerberin wendet sich jedoch gegen die Ansicht des Rekursgerichts, aufgrund des Fakturengerichtsstands sei auch die inländische Gerichtsbarkeit zu bejahen. Zu dieser Frage ist Folgendes zu erwägen:
Die von der Rechtsprechung (SZ 51/34; SZ 53/124; EvBl 1979/94; EvBl 1983, 21; ZfRV 1979; 277, ZfRV 1979, 205 ua) und der älteren Lehre (Pollak, System2 250, Sperl 28) vertretene Ansicht, die inländische Gerichtsbarkeit eines österreichischen Gerichts sei zu bejahen, wenn ein inländischer Gerichtsstand gegeben ist, hat nicht ungeteilte Zustimmung gefunden. Es wurde die „Indikationentheorie“ entwickelt, die die inländische Gerichtsbarkeit zunächst als „indiziert“ ansieht, wenn ein gesetzlicher Tatbestand der örtlichen Zuständigkeit erfüllt ist, aber die weitere Prüfung nicht erspare, ob die durch den vorliegenden Gerichtsstand repräsentierte Inlandsbeziehung auch insgesamt für die Bejahung des inländischen Justizbedürfnisses ausreiche (vgl die von Matscher in JBl 1983 505 ff und in EvBl 1983/13 zitierten Lehrmeinungen von Schwimann, Hoyer und Bajons). Allerdings wurde auch in der neuesten Lehre teilweise die Ansicht vertreten, mit der Normierung der Zuständigkeit eines inländischen Gerichts habe der Gesetzgeber die ausreichende Nahebeziehung einer Rechtssache mit dem Inland vorweg festgestellt, es bedürfe keiner weiteren Voraussetzung für das Bestehen der inländischen Gerichtsbarkeit, wenn die örtliche Zuständigkeit vorhanden sei (vgl insbesondere Matscher aaO, besonders 516; Loewe in ZfRV 1983, 184; vgl auch Fasching, Zivilprozessrecht Rdz 76; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozessrecht2 29; Kralik ZZP 1961, 26).
Der erkennende Senat schließt sich der zuletzt angeführten Lehre und der bisherigen Rechtsprechung (in letzterer Zeit einschränkend lediglich die Entscheidung EvBl 1983/13, die jedoch ebenfalls zu einer Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit gelangte) an. Alle vom Gesetz vorgesehenen Gerichtsstände sind Ausdruck einer vom Gesetz für ausreichend befundenen Nahebeziehung einer Rechtssache zum Sprengel eines bestimmten Gerichts. Die Ansicht, es seien nicht alle Gerichtsstände gleichwertig, kann aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden (vgl Matscher aaO 512). Die „Indikationentheorie“ entspricht auch nicht der Forderung nach einer möglichst eindeutigen und klaren Abgrenzung des Bereichs der inländischen Gerichtsbarkeit (vgl Fasching aaO Rdz 75). Wie Matscher (aaO 513) zutreffend ausführt, divergieren die Meinungen einzelner Fachvertreter darüber, welche der in Frage kommenden Gerichtsstände inländische Gerichtsbarkeit unbedingt und welche sie nur bedingt indizieren sollen, stark.
Der Vollständigkeit halber sei überdies darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall ohne Zweifel Inlandsbeziehungen gegeben sind (diese müssen nach der in EvBl 1983/13 vertretenen Meinung bei Vorliegen eines österreichischen Gerichtsstands nicht so intensiv sein wie im Fall einer Ordination gemäß § 28 JN). Immerhin handelt es sich bei der klagenden Partei um eine österreichische Aktiengesellschaft mit dem Sitz in Wien (vgl Fasching aaO, Rdz 76, wonach als Anknüpfungspunkte die österreichische Staatsbürgerschaft und der inländische Wohnsitz einer der Parteien in Frage kommt).
Da im vorliegenden Fall die inländische Gerichtsbarkeit weder durch zwischenstaatliche Verträge noch durch inländische Rechtsnormen ausgeschlossen ist und die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts aufgrund der Vorschrift des § 88 Abs 2 JN gegeben ist, ist die inländische Gerichtsbarkeit gegeben. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Frage, ob die Entscheidung eines österreichischen Gerichts in der Schweiz anerkannt werden wird, für die inländische Gerichtsbarkeit ohne Bedeutung.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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