OGH 9Os121/84

OGH9Os121/8411.9.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger,Dr.Horak, Dr.Reisenleitner und Dr.Felzmann (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Schiller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr.Friedrich A und andere Angeklagte wegen des Vergehens der Täuschung nach § 108 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2.Mai 1984, GZ 27 d Vr 8218/79-138, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators Dr.Tschulik, des Privatbeteiligten Dipl.Ing.Schwarz, des Verdächtigen Dr.A, der Privatbeteiligtenvertreter Dr.Patzak und Dr.Lampelmayer und des Verteidigers Dr.Gaigg zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß der Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2.Mai 1984, GZ 27 d 8218/79-138, verletzt, soweit die Anträge der Stana B, Dragan C, Manfred D, Johann E und Dipl.Ing.Herfried F als gesetzliche Vertreter der minderjährigen Privatbeteiligten Sascha B, Goran C, Claudia D, Erich E und Hartwig F auf Einleitung der Voruntersuchung gegen Dr.Friedrich A (auch) wegen des Vergehens der Täuschung nach § 108 StGB abgewiesen wurden, das Gesetz in der Bestimmung des § 108 Abs 1 StGB

Text

Gründe:

Aus dem Akt 27 d Vr 8218/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergibt sich folgender Sachverhalt:

Auf Grund von Zeitungsberichten über die Durchführung von Versuchen an Säuglingen mit radioaktiv markierten Substanzen an der Wiener Universitäts-Kinderklinik beantragte die Staatsanwaltschaft Wien am 16. März 1979 beim Strafbezirksgericht Wien gerichtliche Vorerhebungen gegen unbekannte Täter wegen § 89 (81 Z 1), allenfalls 172 StGB, und - laut dem ergänzenden Antrag vom 1. August 1979 auch § 293 StGB (ON 2). Nachdem am 21.Juni 1979

Stana B, Dragan C, Manfred D und Johann E als gesetzliche Vertreter der minderjährigen Sascha B, Goran C, Claudia D und Erich E eine Strafanzeige gegen Dr.Friedrich A und Dr.Ernst G wegen § 93 (92, 99) StGB erstattet hatten (ON 3), welche in der Folge durch weitere Anzeigen vom 6.Juli 1979 wegen §§ 223, 224 StGB (ON 4) und vom 10. März 1980 wegen § 108 StGB (ON 55), letztere unter gleichzeitiger Erteilung der Ermächtigung zur Strafverfolgung, ergänzt wurde, stellte die Staatsanwaltschaft Wien am 10.September 1979 beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien unter Anschluß des bezirksgerichtlichen Aktes Anträge auf Vornahme gerichtlicher Vorerhebungen gegen den am 10. Mai 1944 geborenen Assistenzarzt Dr.Friedrich A, den am 8.Juni 1917 geborenen Universitätsprofessor Dr.Ernst G, den am 23.Mai 1938 geborenen Oberassistenten Dr.Meinrad H und die am 31.Dezember 1932 geborene Oberärztin Dr.Dorothea I. Die hierauf gepflogenen Erhebungen ergaben im wesentlichen folgendes:

Dr.Friedrich A ist als Assistent an der Wiener Universitäts-Kinderklinik tätig, dessen Vorstand seit März 1977 Univ.Prof.Dr.Ernst G ist; seine unmittelbare Vorgesetzte war die Oberärztin Univ.Doz.Dr.Dorothea I. Im Jänner 1977 machte Dr.A dem damaligen Klinikvorstand Univ.Prof.Dr.J Mitteilung, daß er die Calziumresorption an Säuglingen mittels der Methode einer Duodenalperfusion und mittels radioaktiver Markierung des Calzium untersuchen wolle;

Univ.Prof.Dr.J stimmte diesem Forschungsvorhaben zu. Auch dessen Nachfolger Univ.Prof.Dr.G informierte Dr.A von seinem Vorhaben und legte ihm sein Arbeitsprogramm schriftlich vor. Nachdem Univ.Prof.Dr.G seine Einwilligung erteilt hatte, begann Dr.A im Jahr 1977 mit den Versuchen bei nicht an Rachitis erkrankten Kindern. Dabei bediente er sich der Methode der sogenannten offenen Duodenalperfusionstechnik mittels einer dreiläufigen Sonde, welche den Versuchspersonen durch die Nase gelegt und langsam in den Magen und in den Zwölffingerdarm vorgeschoben wird.

Der Gesamtdurchmesser der Sonde beträgt 0,4 cm und besteht aus drei miteinander verschweißten, röntgendichten Sonden aus weichem Polyesterkunststoff. Unter kontrollierter Aspiration von Magensaft wird der PH-Wert des Aspirats und, wenn dieser im alkalischen Bereich liegt, die Sondenlage mittels Röntgen geprüft. Sodann wird die Testflüssigkeit in den Darm gelassen und der Darminhalt aus den Entnahmesonden angesaugt. Aus jeder Entnahmesonde werden sechs Proben bei je 15 Minuten Ansaugzeit entnommen. Die gesamte Infusionszeit, während der die Versuchspersonen in Seiten-Rechtslage fixiert werden, beträgt zirka 135 Minuten (S 51, 53/II). Diese Untersuchungen sollten der Habilitation von Dr.A dienen. Ihr Zweck bestand darin, die Resorptionsvorgänge von Calzium bei gesunden Kindern durch direkte Messungen zu erfassen, die Wirksamkeit einer entsprechenden Vitamin-D-Therapie zu untersuchen und auf diese Weise Möglichkeiten einer wirksameren Rachitisprophylaxe zu erforschen. Laut dem vom Untersuchungsrichter eingeholten Gutachten des Professors für Kinderheilkunde der Universität in Frankfurt/Main Dr.O.K (ON 102) kann das kurzfristige Legen einer Duodenalsonde vom medizinischen Standpunkt als eine vertretbare Belastung der Versuchspersonen angesehen werden. Es handelt sich dabei um eine ständig angewandte Methode, welche für die betroffenen Kleinstkinder keine oder nur eine minimale Belästigung darstellt und bei fachgerechter Anwendung keine länger fortdauernden oder sich wiederholenden Schmerzen, Leiden oder Angstzustände zur Folge hat. Das Risiko einer solchen Untersuchung wird als nicht vorhanden bis geringfügig eingeschätzt. Die wissenschaftliche Notwendigkeit solcher Versuche an gesunden Kindern wird vom genannten Sachverständigen allerdings in Zweifel gezogen. Dem Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr.Heinz L von der Gesellschaft für Strahlenund Umweltforschung in München (ON 93, 129) zufolge lag die Strahlenbelastung, der die Körper und auch einzelne Organe der Säuglinge durch die Einbringung und Resorption des radioaktiven Calziumpräparates sowie durch Röntgenaufnahmen und Durchleuchtungen ausgesetzt gewesen waren, weit unterhalb der natürlichen Strahlenbelastung.

Auf Grund der Erhebungen besteht jedoch der Verdacht, daß Dr.Friedrich A es in Kenntnis des Umstandes, daß für diese ausschließlich der Forschung dienenden Untersuchungen das Einverständnis der gesetzlichen Vertreter der betroffenen Kinder erforderlich gewesen wäre, unterlassen hat, die Zustimmung der Eltern C und D einzuholen, die Zustimmung der Eltern B, F und E zu einer Keuchhusten-(Pertussis)- impfung und 'Duodenalsonde' ohne nähere Aufklärung über diesen für Laien unverständlichen medizinischen Fachausdruck durch ihre Unterschriften auf entsprechenden Erklärungen aber erschlichen und die geplanten Untersuchungen bzw. Versuche sohin ohne wirksame Zustimmung der Eltern durchgeführt hat (ON 24, 25, 40, 58, 59, 60, 61, 62, 63 und Krankengeschichten). Zuständig für die Aufklärung der Eltern und für die Einholung ihrer Zustimmung war ausschließlich Dr.A als behandelnder Arzt; eine Prüfung seitens des Klinikchefs und seitens der Oberärztin Dr.I, ob Dr.A dieser Aufklärungspflicht nachkam, ist nicht erfolgt.

Am 15.Juli 1983 gab die Staatsanwaltschaft beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien die Erklärung ab, daß zu einer weiteren Verfolgung des Dr.Friedrich A, des Dr.Ernst G, des Dr.Meinrad H und der Dr.Dorothea I kein Grund gefunden wurde (§ 90 StPO), worauf das Gericht das Verfahren gegen die Genannten am 18. Juli 1983

einstellte. Gleichzeitig wurde das Verfahren gegen unbekannte Täter wegen § 223 StGB, begangen durch Fälschung einer Krankengeschichte der Wiener Universitäts-Kinderklinik, antragsgemäß nach § 412 StPO abgebrochen.

Am 5. August 1983 brachten Stana B, Dragan C, Manfred D und Johann E als gesetzliche Vertreter der minderjährigen Sascha B, Goran C, Claudia D und Erich E - unter gleichzeitigem Anschluß als Privatbeteiligte - den Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung gegen Dr.Friedrich A und Dr.Ernst G wegen §§ 83 f, 92, 99 und 108 StGB ein (ON 131). Außerdem beantragte Dipl.Ing.Herfried F als gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Hartwig F am 1.September 1983 die Einleitung der Voruntersuchung gegen Dr.Friedrich A wegen § 108 StGB (ON 134), nachdem er sich bereits am 11.Juni 1980 dem Verfahren als Privatbeteiligter angeschlossen hatte (ON 63). Diese Anträge wies die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 2.Mai 1984, GZ 27 d Vr 8218/79- 138, ab; eine von Dipl.Ing.Herfried F dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 19.Juni 1984, AZ 27 Bs 266/84, als unzulässig zurückgewiesen (ON 142). Ihren Beschluß über die Ablehnung der gestellten Subsidiaranträge begründete die Ratskammer im wesentlichen damit, daß 1. die Strafbarkeit einer den Verdächtigen allenfalls anzulastenden vorsätzlichen oder fahrlässigen Körperverletzung (und damit auch einer Gefährdung der körperlichen Sicherheit gemäß § 89 StGB) wegen Verjährung erloschen wäre, weil die erste richterliche Verfügung am 26. April 1979, also von der letzten Tathandlung, der Untersuchung des Erich E am 1.März 1978, an gerechnet erst nach Ablauf der bei diesen Delikten ein Jahr betragenden Verjährungsfrist getroffen worden ist;

2. durch die Verfahrensergebnisse nicht indiziert sei, daß den betroffenen Kleinstkindern körperliche oder seelische Qualen im Sinne des § 92 StGB zugefügt worden sind;

3. die Säuglinge wegen Fehlens der natürlichen Fähigkeit zu einer willkürlichen Ortsveränderung nicht Deliktsobjekt nach § 99 StGB sein könnten;

4. der Tatbestand der Täuschung nach § 108 StGB dadurch, daß Dr.A sich durch Täuschung über Tatsachen Unterschriften von Eltern, die bei entsprechender Aufklärung einer der Forschung dienenden Untersuchung ihrer Kinder niemals zugestimmt haben würden, erschlichen hat, nicht verwirklicht worden sein konnte, weil der (vom Verdächtigen möglicherweise beabsichtigte) Schaden der Versuchspersonen an ihren Persönlichkeitsrechten nicht durch das Verhalten der getäuschten Eltern, sondern durch die nachträglichen eigenmächtigen Untersuchungshandlungen von Dr.A selbst bewirkt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der zitierte Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien steht, wie die Generalprokuratur in ihrer deshalb gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Beschwerde zutreffend aufzeigt, insoweit mit dem Gesetz nicht im Einklang, als die Abweisung der Anträge der Privatbeteiligten auf Einleitung der Voruntersuchung gegen Dr.Friedrich A (auch) in Ansehung des Vergehens der Täuschung nach § 108 StGB erfolgt ist.

Täuschung nach § 108 StGB begeht, wer einem anderen in seinen Rechten dadurch absichtlich einen Schaden zufügt, daß er ihn oder Dritte durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die den Schaden herbeiführt. Der Tatbestand erfordert demnach zum einen eine Täuschung über Tatsachen; eine solche läge vor, falls Dr.A (vorsätzlich) den Eltern der Versuchspersonen gegenüber falsche oder unvollständige Angaben über sein tatsächliches Vorhaben gemacht oder ihnen eine für sie unverständliche und sonach nicht ausreichende Aufklärung erteilt hat. Zum anderen muß die Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Täters auf die Herbeiführung eines Schadens an Rechten anderer gerichtet sein. Gegenstand einer Schädigung im Sinne des § 108 StGB können - entgegen der restriktiven Auslegung des Tatbestands durch Kienapfel BT I 2 § 108 RN 20 ff - nicht nur staatliche Hoheitsrechte, sondern (nach dem Wortlaut und nach der ratio der in Rede stehenden Strafbestimmung, die diesbezüglich - ebenso wie § 302 Abs 1 StGB - nicht unterscheidet) grundsätzlich auch private Rechte, somit jedenfalls auch Persönlichkeitsrechte sein (Leukauf-Steininger, Kommentar 2 RN 3 und 6 sowie Bertel im WK RN 20 jeweils zu § 108). Ein solches (konkretes) Persönlichkeitsrecht stellt aber das Recht des Menschen dar, über die Zulassung von Eingriffen in seine körperliche Integrität frei zu entscheiden.

Als Ausfluß dieses fundamentalen Rechtes jedes Menschen auf den eigenen Körper bedarf (abgesehen von hier nicht in Frage kommenden Ausnahmen) jeder ärztliche Eingriff in die körperliche Integrität der (ausdrücklichen oder schlüssigen) Einwilligung des Betroffenen, im Falle mangelnder Handlungsfähigkeit jener seines gesetzlichen Vertreters, wobei es keinen Unterschied macht, ob der Eingriff im Interesse des Betroffenen, zum Zweck der Beweisführung in einem (Straf-)Prozeß (vgl. hiezu grundsätzlich LSK 1976/151 = 9 0s 122/75; 13 24/80 u.v.a.) oder aber zu anderen (hier: Forschungs-) Zwecken vorgenommen werden soll. Diesem Rechtsgrundsatz entsprechend schreibt § 8 Abs 3 KAG die Einholung einer von Willensmängeln freien Zustimmung des (über 18 Jahre alten) Patienten, ansonsten seines gesetzlichen Vertreters, für jeden der Heilbehandlung dienenden operativen Eingriff vor. Umso mehr bedarf es der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter (hier: Eltern), wenn an einem Kleinkind außergewöhnliche, nicht der Heilbehandlung, sondern der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse zur allfälligen Verbesserung der Behandlungsmethoden dienenden Untersuchungen und Eingriffe vorgenommen werden sollen (vgl. hiezu Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 14 zu § 151). Seinem Wesen als 'Selbstschädigungsdelikt' entsprechend setzt § 108 StGB voraus, daß der Getäuschte mittels des durch die Täuschung erregten Irrtums zu einem von ihm selbst gesetzten Verhalten verleitet wird, welches den Schaden des Opfers herbeiführt, d.h. seine Handlung, Duldung oder Unterlassung muß den Schaden bewirken. Demnach muß - ebenso wie beim Betrug - zwischen sämtlichen Tatbildmerkmalen ein ursächlicher Zusammenhang bestehen, mithin der durch die Täuschungshandlung verursachte (oder bestärkte) Irrtum den Getäuschten (kausal) zu dem ihn oder Dritte schädigenden Verhalten veranlassen (Leukauf-Steininger, a.a.0. § 108 RN 3 und 18). Im vorliegenden Fall besteht nun der Verdacht, daß Dr.Friedrich A die Eltern der in der Wiener Universitäts-Kinderklinik untergebrachten Säuglinge durch unwahre oder pflichtwidrig unvollständige Erklärungen unter bewußtem Verschweigen seiner wahren Absicht, an ihren Kindern ausschließlich zu Forschungszwecken bestimmte Untersuchungen und Eingriffe vornehmen zu wollen, zur Erteilung ihrer schriftlichen Zustimmung veranlaßte, oder aber - soweit diese Zustimmungserklärungen nicht eingeholt wurden - sie absichtlich im Glauben beließ (§ 2 StGB), ihre Kinder werden weiterhin nur der zur Heilung ihrer Krankheit erforderlichen, medizinisch indizierten Behandlung zugeführt. Diese Vorgangsweise ermöglichte es Dr.A, die von ihm geplanten Untersuchungen auch ohne rechtswirksame Zustimmungserklärungen der Eltern vorzunehmen, war demnach wesentliche Voraussetzung für den Eintritt des strafgesetzwidrigen Erfolges, sodaß sich das Verhalten der Getäuschten als ein für den Ablauf des Tatgeschehens in seiner konkreten Gestaltung kausales, die Persönlichkeitsrechte der Säuglinge bzw. die diesbezügliche Entscheidungsfreiheit ihrer Eltern unmittelbar beeinträchtigendes Tun, Dulden oder Unterlassen darstellt. Daran ändert - der von Bertel im WK, RN 24 zu § 108 StGB vertretenen Ansicht zuwider - nichts, daß auch Dr.A selbst im Rahmen des Gesamtgeschehens noch tätig geworden ist (so auch 13 0s 29/84). Bei ihrer Argumentation, der Schaden in den Persönlichkeitsrechten sei erst durch die eigenmächtige Untersuchung des Dr.A, also durch ein der Täuschungshandlung nachfolgendes Verhalten des Täters selbst herbeigeführt worden, weshalb ein Tatverdacht nach § 108 StGB ausscheide, übersieht die Ratskammer, daß durch die (unterlassene) Disposition der Getäuschten schon unmittelbar ein Schaden sowohl an deren Rechten, als auch an jenen der Kinder eingetreten ist. Wurden doch schon unmittelbar durch die erschlichenen Zustimmungserklärungen, sowie durch die durch Vortäuschung weiterer ausschließlicher Heilbehandlung bewirkte Belassung der Kinder im Krankenhaus - und nicht erst durch die Durchführung der wissenschaftlichen Versuche an den Kindern - das elterliche Obsorgerecht für die körperliche Integrität ihrer Kinder, in das Dritte grundsätzlich nicht eingreifen dürfen (§§ 137 Abs 1, 137 a, 144, 146 ABGB), dadurch aber auch die Persönlichkeitsrechte der Kinder selbst beeinträchtigt.

Einer Beurteilung der Tat, der Dr.Friedrich A verdächtig ist, nach § 108 StGB steht auch nicht entgegen, daß es sich bei der Täuschung bloß um einen subsidiären Auffangtatbestand handelt. Dieser käme zwar dann nicht zum Tragen, falls der Sachverhalt einen Tatverdacht in Richtung des Privatanklagedelikts nach § 110 Abs 1 StGB, welcher die Schädigung des Rechtsgutes der freien Entscheidung über die Zulassung einer Behandlung durch deren eigenmächtige Vornahme seitens des Behandelnden abschließend regelt, indizieren würde. Das ist aber vorliegend nicht der Fall. Denn wenn auch der Behandlungsbegriff des § 110 Abs 1 StGB nach überwiegender Ansicht des Schrifttums (a.M lediglich Bertel im WK, RN 4 und 6 zu § 110 StGB) über den Begriff der Heilbehandlungen (im engeren Sinn) hinausgeht und alle Behandlungen zu diagnostischen, therapeutischen, prophylaktischen oder schmerzlindernden Zwecken gleichermaßen umfaßt, können darunter wissenschaftliche oder experimentelle Versuche an Menschen, die keiner derartigen Behandlung (auch im weiteren Sinn) des Betroffenen dienen, nicht verstanden werden (abw. offenbar Kienapfel BT I+2 § 110 RN 7). Handelt es sich hiebei doch schon nach dem klaren Wortlaut der im § 110 Abs 1 StGB verwendeten Begriffe nicht um eine 'Behandlung', sondern um einen fremdnützigen Eingriff, der bei Fehlen einer rechtswirksamen Einwilligung des Betroffenen - im Gegensatz zu den von § 110 StGB erfaßten Behandlungsfällen - gegen die guten Sitten verstieße (§ 90 Abs 1 StGB).

So gesehen kann aber nach der vom Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Verdachtslage die Verwirklichung des Tatbestandes der Täuschung durch Dr.Friedrich A keineswegs von vornherein verneint werden. Die auf rechtlichen Erwägungen basierende Ablehnung der gestellten Anträge auf Einleitung der Voruntersuchung gegen den Genannten steht daher, was den Tatbestand nach § 108 Abs 1 StGB anlangt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

über die von der Generalprokuratur erhobene Beschwerde nach § 33 Abs 2 StPO war daher spruchgemäß zu erkennen.

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