OGH 10Os123/84

OGH10Os123/8411.9.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini (Berichterstatter), Dr. Schneider, Dr. Lachner sowie Hon. Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gurschler als Schriftführer in der Strafsache gegen Wilhelm A wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 2. Februar 1984, GZ 28 Vr 273/83-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, und des Verteidigers Dr. Weigert, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und über den Angeklagten unter zusätzlicher Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB statt der Freiheitsstrafe eine Geldstrafe in der Höhe von 360 (dreihundertsechzig) Tagessätzen zu je 100

(einhundert) S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 180 (einhundertachtzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt; im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wilhelm A (I.) des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB und (II.) des (in zwei Fällen, davon einmal unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit, begangenen) Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB (mit einem Beutewert von zusammen rund 5.200 S) schuldig erkannt. Mißbrauch der Amtsgewalt liegt ihm zur Last, weil er (sinngemäß zusammengefaßt) als im Schalterdienst tätiger Beamter des Postamtes Zell am Ziller in zwei Fällen mit dem Vorsatz, Absender und Empfänger von Briefen in ihrem (konkreten) Recht auf deren ordnungsgemäße postalische Behandlung - sowie (insoweit allerdings unrichtig: vgl RZ 1978/63 = verst. Senat) den Staat in seinem (irrig: konkreten) Recht auf bestimmungsgemäße Postbeförderung - zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte (und zwar hier insbesondere:

die Entgegennahme bescheinigter Briefsendungen zur postamtlichen Bestätigung ihrer Aufgabe und nicht bescheinigter Briefsendungen zum Entwerten der darauf angebrachten Briefmarken mit Poststempelabdruck, jeweils samt anschließender postalischer Beförderung) vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbrauchte, daß er in Ausübung jener Befugnis (1.) am 19. Juni 1982 einen eingeschriebenen Brief der Franziska B*** sowie (2.) am 18. November 1982 einen Brief der Judith B übernahm, beide Briefe öffnete und sich insgesamt 630 S Bargeld daraus zueignete.

Der nur gegen diesen Teil des Schuldspruchs gerichteten, auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, mit der er die Auffassung vertritt, die Entgegennahme, Stempelung und Weiterleitung von Briefen durch die Post sei keine Tätigkeit in Vollziehung der Gesetze, sie müsse der Privatwirtschaftsverwaltung zugeordnet werden, kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Denn bei der Beförderung von Briefsendungen durch die Post wird der Bund als Träger öffentlich-rechtlicher Befugnisse (vgl §§ 8, 28, 30 PostG), also jedenfalls im Bereich der Hoheitsverwaltung und damit sehr wohl 'in Vollziehung der Gesetze' (vgl Art 23 Abs. 1 und 5 B-VG) tätig, mag auch mit den dazu erforderlichen Amtsgeschäften in concreto Befehls- oder Zwangsgewalt ausgeübt werden (vgl abermals RZ 1978/63

sowie ferner RZ 1983/33 = ebenfalls verst. Senat ua). Nimmt demnach ein Postbeamter im Schalterdienst zur postalischen Beförderung bestimmte Briefe entgegen, die er anschließend tatplangemäß spoliiert, dann stellt sich sein Verhalten in der Tat zumindest in der Anfangshase als Ausübung seiner (damit mißbrauchten) Befugnis dar, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen (vgl EvBl 1979/153 ua).

Bei dem bekämpften Schuldspruch ist dem Erstgericht somit kein Rechtsirrtum unterlaufen, sodaß die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 302 Abs. 1 StGB zu zehn Monaten Freiheitsstrafe. Dabei wertete es das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die jeweilige Tatwiederholung und die Ausnützung einer ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit bei der Begehung eines der beiden Diebstähle als erschwerend, die teilweise (teils objektive und teils subjektive) Schadensgutmachung sowie sein Geständnis hingegen als mildernd.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung des Strafmaßes, die 'Umwandlung' der Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe sowie die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, kommt teilweise Berechtigung zu.

Zwar kann zum einen nach der Aktenlage nicht gesagt werden, daß der Berufungswerber durch eine drückende Notlage zu den Taten bestimmt worden wäre, und zum anderen hat ihm das Schöffengericht bei der Bemessung der Strafhöhe ohnedies sein Geständnis uneingeschränkt zugute gehalten sowie seine Vorstrafe nicht als erschwerend angelastet. Demnach wurden die Strafzumessungsgründe wohl zutreffend erhoben, doch ist ersichtlich den Erschwerungsumständen zu hohes Gewicht beigelegt worden: unter Bedacht auf die eher geringe Höhe des Schadens, speziell beim strafsatzbestimmenden Amtsmißbrauch, sowie darauf, daß er zum Teil bereits gutgemacht wurde, ist die Verhängung einer sechs Monate nicht übersteigenden Freiheitsstrafe über den Angeklagten nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) nicht erforderlich. Bei der demgemäß aktuellen Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB war insbesondere zu berücksichtigen, daß er derzeit nur einmal, und zwar nicht einschlägig (mit einer Geldstrafe) vorbestaft ist und daß er (offenbar als Folge seiner urteilsgegenständlichen Straftaten) ohnehin seine Stellung als Postbeamter verloren hat, sodaß es weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Erwägungen seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedarf.

Die demzufolge an deren Stelle zu verhängende Geldstrafe erschien in dem einer Ersatzfreiheitsstrafe von 180 Tagen, also der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens (§ 302 Abs. 1 StGB), von sechs Monaten in etwa entsprechenden Ausmaß von 360 Tagessätzen als angemessen; im Hinblick auf das von ihm selbst mit ca 8.000 S netto zuzüglich 2.800 S Trennungszulage angegebene Monatseinkommen des Angeklagten sowie seiner Sorgepflicht für die nicht berufstätige Ehegattin und für zwei minderjährige Kinder war der Tagessatz mit 100 S festzusetzen. Insoweit war somit der Berufung Folge zu geben.

Die Gewährung bedingter Strafnachsicht dagegen konnte mit Rücksicht auf die jeweilige Tatwiederholung und auf die Deliktskonkurrenz sowie darauf, daß der Angeklagte nicht mehr unbescholten ist, vor allem aber auch zur Bewahrung der Rechtstreue innerhalb der staatlichen Verwaltung gleichwie bei der gerade im Bereich des Postwesens fortlaufend und in sehr breiter Streuung mit ihr konfrontierten Bevölkerung im Interesse einer spezial- und generalpräventiven Effizienz der zu verhängenden Geldstrafe (§ 43 Abs. 1 StGB) in der Tat nicht in Betracht gezogen werden. In diesem Belang mußte daher der Berufung ein Erfolg versagt bleiben.

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