OGH 7Ob603/84

OGH7Ob603/8430.8.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Mag. Engelmaier in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Harald O*****, Rechtsanwalt, derzeit Bundesminister für Justiz, und 2. Dr. Peter S*****, der Erstkläger vertreten durch den Zweitkläger, sowie der Nebenintervenientin auf Seite der Kläger Monika F*****, vertreten durch Dr. Gertrude Glatzl, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Michael G*****, vertreten durch Dr. Ernst Grossmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 95.837,37 S sA, infolge der Revision des Zweitklägers und der Rekurse des Erstklägers und der Nebenintervenientin gegen das Urteil bzw den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. März 1984, GZ 14 R 33/84‑33, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28 Oktober 1983, GZ 8 Cg 97/80‑29, bezüglich des Zweitklägers abgeändert und bezüglich des Erstklägers aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00603.840.0830.000

 

Spruch:

1.Die Revision des Zweitklägers wird zurückgewiesen.

2. Den Rekursen des Erstklägers und der Nebenintervenientin wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der Beklagte war zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft. Die andere Hälfte stand zu gleichen Teilen im Eigentum der Monika und des Ulfried F*****. Die Eigentümer beabsichtigten eine Realteilung der Liegenschaft. In den Verhandlungen betreffend die Realteilung war Monika F***** durch Dr. Gertrude G***** und Ulfried F***** durch den Erstkläger vertreten. Am 17. 2. 1975 unterfertigte der Beklagte eine Vollmacht, in der als Vollmachtsnehmer die beiden Kläger aufschienen. Diese Vollmacht deckte auf jeden Fall das Einschreiten der Kläger zugunsten des Beklagten hinsichtlich der Löschung der zugunsten der Franziska F***** verbücherten Rechte. Die diesbezügliche Forderung hat der Beklagte bezahlt.

Mit der Behauptung, der Beklage habe bereits im Jahre 1972 eine mündliche Vollmacht zwecks Vertretung bezüglich der gesamten Auseinandersetzung zwischen den Miteigentümern erteilt, verlangen die Kläger ein restliches Honorar von 95.837,37 S sA, das der Höhe nach außer Streit steht.

Der Beklagte hat die behauptete mündliche Bevollmächtigung bestritten und im Übrigen Verjährung eingewendet.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben, wobei es folgende für die Entscheidung wesentliche Feststellungen traf: „Der Beklagte war anlässlich der ersten Begehung der gegenständlichen Liegenschaften durch den Erstkläger im Beisein des Ulfried F***** anwesend. Er wurde betreffend die Erteilung einer Vollmacht an den Erstkläger damals nicht ausdrücklich befragt, doch war vom Einschreiten des Erstklägers sowohl für den Beklagten als auch für Ulfried F***** die Rede und hat der Beklagte sich gegen ein solches Ansinnen nicht zur Wehr gesetzt“. In der Beweiswürdigung führte das Erstgericht außerdem Folgendes aus: „... es erscheint durchaus glaubwürdig, dass der Erstkläger in Gegenwart des Ulfried F***** als Vierteleigentümer der gesamten Liegenschaften den Beklagten als Hälfteeigentümer gefragt hat, ob er mit der Tätigkeit von ihm auch für ihn einverstanden sei. Ebenso muss davon ausgegangen werden, dass auch der Zeuge Ulfried F***** eine derartige Frage an seinen Cousin (den Beklagten) gerichtet hat“.

Das Erstgericht vertrat den Standpunkt, aufgrund der erwähnen Feststellungen sei vom schlüssigen Zustandekommen eines Vollmachtsverhältnisses zwischen dem Beklagten und dem Erstkläger auszugehen.

Das Berufungsgericht wies das Begehren des Zweiklägers im Wesentlichen mit der Begründung ab, es fehle an jeglicher Feststellung dafür, dass sich eine schlüssige Bevollmächtigung auch auf den Zweitkläger habe erstrecken können. Diesbezüglich ließ es die Revision nicht zu.

Bezüglich des Erstklägers hob das Berufungsgericht die erstgerichtliche Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es erachtete das erstgerichtliche Verfahren insoferne als ergänzungsbedürftig, als zur Beurteilung des schlüssigen Zustandekommens eines Vollmachtsverhältnisses die Feststellung des genauen Wortlauts der Gesprächs zwischen dem Erstkläger, dem Beklagten und Ulfried F***** notwendig sei. Auch bezüglich der Höhe sei das Verfahren ergänzungsbedürftig, weil die Außerstreitstellung nur als Außerstreitstellung der Richtigkeit der für die Tätigkeit des Erstklägers verrechneten Ansätze verstanden werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Zweitkläger erhobene Revision ist nicht zulässig.

Dem Revisionsverfahren liegt ein abänderndes Urteil bezüglich einer 60.000 S übersteigenden, jedoch unter 300.000 S liegenden Geldforderung zugrunde. Demnach war die Revision nur unter der Voraussetzung des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, nämlich wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtssicherheit, Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Als solche Rechtsfrage bezeichnet die Revision die Frage, welche Bedeutung einem Dissens zwischen dem Willen des Vollmachtgebers einerseits und dem Inhalt einer auf eine Kanzleigemeinschaft lautenden schriftlichen Vollmacht andererseits zukomme. Diese Frage spielt jedoch hier keine Rolle, weil Gegenstand des Revisionsverfahrens nicht die schriftliche Bevollmächtigung aus dem Jahre 1975, sondern die behauptete mündliche Bevollmächtigung aus dem Jahre 1972 ist. Diesbezüglich steht aber fest, dass die damaligen Verhandlungen ausschließlich vom Erstkläger geführt worden sind. Aus den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, dass der Zweitkläger damals erwähnt wurde bzw dass der Beklagte von der Existenz einer Kanzleigemeinschaft überhaupt Kenntnis hatte. Dass sich aber eine mündliche Bevollmächtigung eines anwesenden Rechtsanwalts nicht automatisch auch auf dessen dem Vollmachtgeber gegenüber gar nicht erwähnten Kanzleikollegen erstrecken kann, ist selbstverständlich und bedarf keiner grundsätzlichen Entscheidung. In welcher Form die Kanzleigemeinschaft der Kläger betrieben wird, ist daher ohne Bedeutung.

Die Rekurse des Erstklägers und der Nebenintervenientin gegen den den Erstkläger betreffenden Teil der Entscheidung sind nicht gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht hat die Rechtslage grundsätzlich richtig dargestellt. Bei der Prüfung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn gelegen sind (SZ 50/99 ua). Ob und welcher Vertrag durch schlüssige Handlungen im Sinne des § 863 ABGB zustande gekommen ist, und ob das Verhalten des Erklärenden eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung darstellte, ist nach den objektiven Maßstäben der Verkehrssitte danach zu beurteilen, welche Bedeutung und Wirkung den beiderseitigen Handlungen oder Unterlassungen nach diesem Maßstab zukommt (VersR 1978, 752). Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt (JBl 1982, 599 ua). Das Schweigen muss als Annahme und Zustimmung dort betrachtet werden, wo der Nichtzustimmende nach Treu und Glauben oder nach der Verkehrssitte hätte reden müssen (SZ 37/119, NotZtg 1969/157 ua). Entscheidend ist, dass der Erklärungsempfänger dem Schweigen seines Partners schlechterdings keine andere Bedeutung als jene der Zustimmung beilegen kann (MietSlg 26.053 ua).

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht nur allgemein festgestellt (wobei die eingangs wiedergegebenen Ausführungen zur Beweiswürdigung ebenfalls als Feststellungen gewertet werden können), dass der Beklagte gefragt wurde, ob er mit der Tätigkeit des Erstklägers auch für ihn einverstanden sei. Bezüglich der Reaktion des Beklagten auf diese Frage fehlt es an einer Feststellung. Dem Berufungsgericht muss zugegeben werden, dass die getroffene Feststellung allein eine rechtliche Beurteilung der Schlüssigkeit des Verhaltens des Beklagten nicht zulässt. Vielmehr wird hiefür die Feststellung des genauen Wortlauts der an den Beklagten gerichteten Fragen und des Wortlauts allfälliger Antworten bzw eine genaue Beschreibung seines Verhaltens (allenfalls Gesten oder sonst ausgedrückte Reaktionen) notwendig seien. Sehr wesentlich wird es nämlich auf den Inhalt und die Art der Fragestellung einerseits und auf die Reaktion des Beklagten andererseits ankommen. Erst wenn diese Umstände feststehen, kann abschließend beurteilt werden, ob der Erstkläger nach dem beiderseitigen Verhalten mit einer Zustimmung des Beklagten rechnen durfte, bzw der Beklagte aus dem Verhalten des Erstklägers erkennen musste, dass dieser sein Verhalten als Zustimmung auffasst oder ob der Erstkläger das Verhalten des Beklagten bei gehöriger Sorgfalt eher als überlegend oder zweifelnd beurteilen musste. Außerdem könnte das spätere Verhalten der Streitteile (zB Korrespondenz), das genauer festgestellt werden musste, ein Schluss entweder auf das Verständnis der Parteien bezüglich ihres beiderseitigen Verhaltens bei der ersten Unterredung zulassen oder eine Wertung des Verhaltens des Beklagten als nachträgliche Genehmigung des Einschreitens des Erstklägers für ihn ermöglichen.

Auf die sehr umfangreichen Ausführungen des Berufungsgerichts und der Rechtsmittel zu der Beweiswürdigung muss derzeit mangels abschließender Feststellungen nicht eingegangen werden. Ebensowenig sind die Ausführungen der Rekurse zu den dort angedeuteten Rechtsfragen einer abschließenden Erörterung zu unterziehen, weil noch gar nicht feststeht, welcher Sachverhalt schließlich der Entscheidung zugrundezulegen sein wird. Lediglich zu dem im Rekurs des Erstklägers dargestellten Beispiel ist zu sagen, dass ein Honoraranspruch eines Rechtsanwalts gegen einen Dritten nicht schon dann gegeben ist, wenn der Anwalt als Vertreter eines anderen Mandanten einschreitet und seine Tätigkeit für diesen Mandanten notwendig auch mit Vorteilen für den Dritten verbunden ist. So wird zB das Einschreiten des Anwalts für einen Streitgenossen auch dann keinen Honoraranspruch gegen den anderen Streitgenossen bewirken, wenn infolge gleicher Interessenlage der Streitgenossen die Tätigkeit des Anwalts notwendig auch die Interessen des nicht von ihm vertretenen Streitgenossen fördert. Wesentlich wird also hier nicht sein, ob die Tätigkeit des Erstklägers auch Vorteile für den Beklagten gebracht hat, sondern ob der Erstkläger erkennbar speziell auch für den Beklagten tätig geworden ist. Die auf § 915 ABGB gestützten Ausführungen des Rekurses übersehen, dass die §§ 914 ff ABGB die Auslegung von Verträgen zum Inhalt haben, also vom Zustandekommen eines Vertrags ausgehen. Vor ihrer Anwendung muss daher dieses Zustandekommen feststehen. Auch zur Verjährungsfrage kann Stellung genommen werden, wenn der Umfang der dem Erstkläger erteilten Vollmacht feststeht, weil erst dann beurteilt werden kann, wann der Erstkläger seine Tätigkeit für den Beklagten beendet hat.

Den Ausführungen des Berufungsgerichts bezüglich der Außerstreitstellung kann allerdings nicht gefolgt werden. Diese ist dahin zu verstehen, dass der Beklagte, falls dem Erstkläger der Nachweis einer Bevollmächtigung gelingt, den eingeklagten Betrag schuldet. Welchen Betrag er im Falle einer bloß nützlichen Geschäftsführung ohne Auftrag schulden würde, muss nicht geprüft werden, weil der Erstkläger sein Begehren nicht auf diesen Titel gestützt hat.

Dem Rekurs des Erstklägers ist schließlich zuzubilligen, dass bei der gegebenen Sachlage die Erwähnung des Konsumentenschutzes im letzten Absatz des angefochtenen Beschlusses unverständlich ist. Es wurde überhaupt kein Umstand angedeutet, der eine Beurteilung der Sache nach diesem Gesichtspunkt zulassen würde. Nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens kann der Erstkläger entweder eine Bevollmächtigung durch den Beklagten und sohin einen Honoraranspruch beweisen oder dieser Beweis misslingt ihm. Mit dem Konsumentenschutz hat dies nichts zu tun. Das auf den vorliegenden Fall gar nicht anwendbare Konsumentenschutzgesetz hat den Zweck, den Verbraucher vor ganz bestimmten Praktiken zu schützen, stellt jedoch kein Allheilmittel zur Abwehr irgendwelcher Ansprüche eines wirtschaftlich Stärkeren gegen einen wirtschaftlich Schwächeren dar.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

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