OGH 2Ob39/84

OGH2Ob39/8428.8.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Otto R*****, vertreten durch Dr. Hartmut Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, wegen 124.802,35 S sA und Feststellung (Streitwert 3.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Februar 1984, GZ 18 R 24/84-49, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 2. November 1983, GZ 25 Cg 703/83-41, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 5.878,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 960 S Barauslagen und 447,15 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 5. 12. 1976 ereignete sich auf der Bundesstraße 504 in Einödhof ein Verkehrsunfall, an dem Alfred L***** als Lenker des Mopeds mit dem polizeilichen Kennzeichen ***** und Waltraud R*****, verehelichte W*****, als Lenkerin des bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW Opel Kadett mit dem polizeilichen Kennzeichen ***** beteiligt waren. Der am Soziussitz des Motorfahrrads mitfahrende Kläger wurde bei diesem Unfall verletzt. Beide Fahrzeuglenker wurden strafgerichtlich verurteilt.

Der Kläger begehrt mit der am 23. 5. 1979 bei Gericht eingelangten Klage den Ersatz eines Schadens von insgesamt 124.802,35 S sA und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für künftige Schäden.

Mit Beschluss vom 25. 3. 1981 (ON 28) unterbrach das Erstgericht das Verfahren gemäß § 191 ZPO, weil sich der Verdacht ergeben hatte, dass der PKW nicht von Waltraud W*****, sondern von ihrem nunmehrigen Ehemann Johann W***** gelenkt wurde. Das Erstgericht sprach aus, dass das Verfahren nach rechtskräftigem Abschluss eines allenfalls wieder aufgenommenen Verfahrens gegen Waltraud W***** auf Antrag einer der Parteien fortgesetzt wird. Nach Zurücklegung der Anzeige gegen Waltraud W***** wegen § 288 StGB durch die Staatsanwaltschaft Wien beantragte der Kläger am 13. 1. 1983 die Fortsetzung des Verfahrens. Die beklagte Partei wendete im fortgesetzten Verfahren Verjährung ein, weil der Kläger gegen die nicht gerechtfertigte Verfahrensunterbrechung kein Rechtsmittel ergriffen habe und durch nahezu zwei Jahre untätig gewesen sei.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 102.835 S sA zu und wies das Leistungsmehrbegehren von 21.967,35 S sA, sowie das Feststellungsbegehren ab.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Kläger 104.802,35 S sA zusprach, dem Feststellungsbegehren stattgab und das Leistungsmehrbegehren von 20.000 S sA abwies. Es sprach aus, dass der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstands 15.000 S nicht übersteigt. Es erklärte die Revision für zulässig, soweit das Berufungsurteil den stattgebenden Teil des Ersturteils bestätigt, und für nicht zulässig, soweit das Berufungsurteil den abweisenden Teil des Ersturteils bestätigt. Als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO bezeichnete das Berufungsgericht die Frage, ob die Unterlassung einer voraussichtlich erfolgreichen Anfechtung eines Unterbrechungsbeschlusses die Unterbrechungswirkung der Klagserhebung iSd § 1497 ABGB wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens beseitigt. Eine Teilung des Ausspruchs über die Zulässigkeit der Revision hielt das Berufungsgericht unter Berufung auf Petrasch (Das neue Revisions-(Rekurs-)Recht in ÖJZ 1983, 201) für zulässig und für zweckmäßig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung den auf den AS 144 bis 149 (S 6 bis 11 der Urteilsausfertigung) dargestellten Sachverhalt zugrunde. Es verneinte eine Verjährung der Ersatzansprüche des Klägers, weil er nach der Unterbrechung des Verfahrens zeitgerecht einen Fortsetzungsantrag gestellt habe.

Das Berufungsgericht billigte zu der im Revisionsverfahren nur mehr relevanten Frage der Verjährung im Ergebnis die Rechtsmeinung des Erstgerichts. Aus der Unterlassung der Anfechtung des Unterbrechungsbeschlusses durch den Kläger könne nicht geschlossen werden, dass der Kläger an der Verfolgung seiner Ansprüche kein Interesse mehr habe.

Unbeschadet des Umstands, dass nach der Bewertung durch das Berufungsgericht der von der Stattgebung der Berufung betroffene Teil des Streitgegenstands unter der Bagatellrevisionsgrenze liegt, ist das Berufungsurteil ausnahmsweise auch insoweit anfechtbar, weil hier die Teilabänderung mit einer über 60.000 S liegenden und gleichfalls bekämpften Teilbestätigung zu Lasten derselben Prozesspartei zusammentrifft (vgl Petrasch aaO 174).

Gegen die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts zur Frage der Verjährung wendet sich die beklagte Partei mit der Begründung, dass dann keine Säumnis des Gerichts vorliege, wenn es zu Unrecht die Unterbrechung des Verfahrens verfügte. Die Unrichtigkeit der Entscheidung habe auch der Kläger erkannt, da er eine Beschlussausfertigung begehrt habe. Es sei dann ausschließlich in seiner Ingerenz gelegen gewesen, den Verfahrensstillstand durch das ihm auch zumutbare Rechtsmittel des Rekurses zu beseitigen.

Dem Standpunkt der beklagten Partei kann nicht gefolgt werden. Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Berechtigte seinen Gegner belangt und die Klage gehörig fortsetzt. Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens dann vor, wenn der Kläger eine ungebührliche Untätigkeit bekundet und solcherart zum Ausdruck bringt, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nichts gelegen ist. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Wirkung anzunehmen ist, sind vor allem die Umstände des konkreten Falls zu berücksichtigen, wie es überhaupt bei der Beurteilung der Frage, ob ein Zuwarten mit der Anspruchsverfolgung als ungebührliche Untätigkeit anzusehen ist, nicht nur auf die Dauer, sondern auch auf deren Gründe ankommt, ob also die Untätigkeit gerechtfertigt war oder nicht (JBl 1980, 98 mwN). Es wurde auch ausgesprochen, dass die gehörige Fortsetzung der Klage durch den Kläger begrifflich nur dann verneint werden kann, wenn dieser trotz einer gesetzlich oder richterlich normierten Pflicht zur Vornahme einer Prozesshandlung damit in Verzug geraten ist. Der Kläger ist jedoch nicht verhalten, zur Vermeidung der im § 1497 ABGB normierten Rechtsnachteile von sich aus das säumige Prozessgericht zu betreiben (SZ 37/134), es sei denn, er musste erkennen, dass das Gericht das Verfahren nur auf Antrag fortsetzen wird (JBl 1976, 591). Daraus ergibt sich, dass für die Frage, ob eine gehörige Fortsetzung des Verfahrens vorliegt, letztlich maßgebend ist, ob das Verhalten des Klägers den Schluss auf sein mangelndes Interesse an der Erreichung des Prozessziels zulässt (vgl JBl 1976, 591).

Im vorliegenden Fall wurde das Verfahren gemäß § 191 ZPO von Amts wegen unterbrochen. Nach dieser Bestimmung kann das Gericht den Rechtsstreit bis zur Erledigung des Strafverfahrens unterbrechen, wenn sich im Laufe des Rechtsstreits der Verdacht einer strafbaren Handlung ergibt, deren Ermittlung und Aburteilung für die Entscheidung voraussichtlich von maßgebendem Einfluss ist. Präjudizialität der Entscheidung im Strafprozess für die Entscheidung im Zivilprozess ist demnach nicht Voraussetzung der Unterbrechung. Es genügt, dass die Ermittlung und Aburteilung der strafbaren Handlung durch die Strafgerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits voraussichtlich von maßgebendem Einfluss ist. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, hat der Richter unter sorgfältiger Berücksichtigung aller Umstände nach freiem Ermessen zu beurteilen (Fasching II 932). Es mag sein, dass im vorliegenden Fall ein wichtiger Grund für die Unterbrechung nicht gegeben war (vgl hiezu Fasching aaO 933) und ein gegen die Unterbrechung erhobener Rekurs daher voraussichtlich Erfolg gehabt hätte. Eine Prüfung dieser Frage kann aber unterbleiben. Durch die verfügte Unterbrechung brachte der Erstrichter jedenfalls zum Ausdruck, dass nach seiner Meinung ein gesetzlicher Unterbrechungsgrund vorliegt. Eine längere Dauer der Unterbrechung war nach dem zu prüfenden Sachverhalt nicht zu erwarten. Die Unterlassung der, wenn auch objektiv voraussichtlich erfolgreichen Anfechtung eines Unterbrechungsbeschlusses nach § 191 ZPO stellt daher keine beharrliche Untätigkeit des Klägers dar, die den Schluss zulässt, dem Kläger sei an der Erreichung des Prozessziels nichts gelegen (vgl Klang 2 VI 657).

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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