OGH 2Ob43/84

OGH2Ob43/8428.8.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Albert A*****, vertreten durch Dr. Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) W*****, 2) Walter K*****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Renner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 289.660 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Mai 1984, GZ 17 R 101/84-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. Jänner 1984, GZ 1 Cg 732/82-25, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat den beklagten Parteien die mit 10.712 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 886,55 S Umsatzsteuer und 960 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 17. 5. 1981 in Wien bei einem vom Zweitbeklagten mit seinem bei der erstbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW verursachten Verkehrsunfall schwer verletzt. Das Alleinverschulden des Zweitbeklagten am Schadensereignis ist unbestritten.

In der vorliegenden Klage wird ua nach Klagsausdehnung ein Schmerzengeld in der Höhe von (rechnungsmäßig) 450.000 S begehrt.

Das Erstgericht sprach das geforderte Schmerzengeld zu. Das Berufungsgericht erkannte lediglich einen Betrag von 160.000 S für gerechtfertigt und wies unter Bedachtnahme auf eine Teilzahlung von 80.000 S das Mehrbegehren ab.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhebt der Kläger eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils.

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die Unterinstanzen gingen bei der Beurteilung des Schmerzengeldanspruchs des Klägers von folgendem Sachverhalt aus: Durch den Unfall erlitt der Kläger eine Gehirnerschütterung, Rissquetschwunden am rechten Oberlid und hinter dem rechten Ohr, eine Rissquetschwunde am Rücken, eine Schnittwunde am rechten Handrücken mit Durchtrennung der Strecksehne für den Ring- und Kleinfinger und Durchtrennung des Hautnervs ellenseitig am Handrücken, eine Rissquetschwunde am Schädel mit einer Glassplittereinsprengung, eine Rissquetschwunde an der Oberlippeninnenseite durch Bruch der Zahnprothese sowie eine Prellung der Hüftregion rechts und der Halswirbelsäule. Aus unfallchirurgischer Sicht waren mit diesen Verletzungen bis zur ihrer Heilung insgesamt starke Schmerzen in der Dauer von 6 Tagen, mittelstarke Schmerzen während 16 Tagen und leichte Schmerzen während 84 Tagen verbunden. In neurologischer Hinsicht erfolgte am Unfallstag operativ in der Mittelhand eine Nervennaht. Am 29. 6. 1981 bestand diesbezüglich noch eine gewisse Einschränkung der Streckfähigkeit des 4. und 5. Fingers, im Zeitpunkt der Untersuchung des Klägers durch den medizinischen Sachverständigen war die Beweglichkeit der rechten Hand des Klägers jedoch bereits uneingeschränkt vorhanden und es wurde nur noch eine herabgesetzte Schmerzempfindlichkeit der Rückseite des 5., 4. und halben 3. Fingers der rechten Hand, des 5. und 4. Fingerstrahles im Mittelhandbereiche sowie an der ulnaren Handkante angegeben. Eine Rückbildung dieser herabgesetzten Schmerzempfindlichkeit ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten. Einen Einfluss auf wesentliche Körperfunktionen haben diese „Beschwerden“ aber nicht. Ihr Charakter kann als unangenehm bezeichnet werden. Die Schmerzperioden für diese Beschädigungen sind, soweit sie die schweren und mittelgradigen Beschwerden betreffen, bereits im unfallchirurgischen Gutachten mitberücksichtigt. Die derzeit noch bestehenden Missempfindungen durch die Nervenschädigung können dem Begriffe der leichten Schmerzen untergeordnet werden. Sie sind zwar ständig vorhanden, werden aber nicht ständig wahrgenommen. Zusammengerafft können dafür jährlich leichte Schmerzen in der auch für die Zukunft geltenden Dauer von einem Monat als Annäherungswert angegeben werden. Aus psychiatrischer Sicht besteht derzeit beim Kläger ein leicht depressives Zustandsbild mit einer geringen Affektverflachung, geringer Störung des Gedächtnisses und der Merkfähigkeit, einer ziemlichen Weitschweifigkeit mit vermehrtem Redefluss sowie Zentrierung der Gedankeninhalte auf das Unfallsereignis. Dieses Zustandsbild kann teilweise mit ausreichender Berechtigung als psychogene Reaktion auf das Unfallsereignis aufgefasst werden. Ein anderer ursächlicher Anteil für diese Beschwerden dürfte aber mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch in der Persönlichkeit des Untersuchten sowie in seinem Lebensalter gelegen sein. Es ist nicht möglich, exakt prozentmäßig die jeweiligen Ursachen des Zustandsbilds abzugrenzen, aber als Richtwert kann ca 1/3 Anteil dem Unfallereignis zugeschrieben werden. Diese psychoreaktive Erlebnisverarbeitung ist im Hinblick auf Dauerfolgen nicht mit Sicherheit beurteilbar, es ist aber zu hoffen und mit gewisser Berechtigung anzunehmen, dass mit endgültigem Abschluss des Verfahrens eine diesbezügliche Beruhigung und dadurch Beschwerdeverminderung eintreten wird. Diese psychischen Alterationen den Schmerzen zuzuordnen ist ebenfalls äußerst problematisch und schwierig, es können aber für den Zeitraum seit dem Unfallsgeschehen bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung zusätzliche leichte Schmerzen zusammengerafft in der Dauer von einem Monat pro Jahr, angegeben werden.

In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht auf die bisher vom nunmehr 62-jährigen Kläger erlittenen unfallsbedingten Schmerzen sowie darauf, dass er im Hinblick auf seine weitere Lebenserwartung von 14 Jahren während dieser Zeit jährlich weiterhin einen Monat lang leichte Schmerzen haben werde. Die dafür „errechnete“ Globalsumme an Schmerzengeld betrage 550.000 S, der Kläger habe jedoch weniger begehrt, sodass seiner Forderung stattzugeben gewesen sei.

Demgegenüber vertrat das Berufungsgericht die Auffassung bei den psychischen Beeinträchtigungen des Klägers wie ebenso bei seinen Missempfindungen an der rechten Hand könne nicht von den vom Sachverständigen ermittelten „Zeiträumen leichter Schmerzen“ ausgegangen werden. Sie seien vielmehr nach Art, Dauer und Intensität des damit verbundenen Ungemachs zu bewerten und in Einheit mit den übrigen Unfallsfolgen abzugelten. Davon ausgehend erscheine vorliegendenfalls insgesamt ein Schmerzengeld von 160.000 S angemessen.

In der Revision wird vorgebracht, bei der vom Kläger ohnehin begehrten Globalabgeltung seiner Schmerzen sei von den vom Sachverständigen ermittelten Schmerzperioden auszugehen. Allein aus unfallchirurgischer Sicht „errechne sich“ solcherart ein Schmerzengeldanspruch von 90.000 S. Für die zur Abgeltung der während des gesamten weiteren Lebens des Klägers anhaltenden, neurologisch zu beurteilenden leichten Schmerzen im Ausmaß von einem Monat durch insgesamt 14 Jahre sowie die psychischen Schmerzen sei hier aber ein bloßer Betrag von 70.000 S gewiss nicht hinreichend. Vielmehr müsse der geltend gemachte Klagsbetrag zuerkannt werden.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Nach ständiger Judikatur handelt es sich beim Schmerzengeld um eine Globalentschädigung. Bei ihrer Ausmessung kann daher - was der Kläger grundsätzlich auch anerkennt - das Globalbegehren nicht in einzelne, bestimmten Verletzungen bzw Folgeerscheinungen zuzuordnende Teilbeträge zerlegt und sodann eine Gesamtsumme „errechnet“ werden (8 Ob 8/81, 2 Ob 213/82, 8 Ob 220/82, 8 Ob 91, 92/82 ua). Ebenso wenig kommen bestimmte, zB perzentuelle, Zuschläge für seelische Schmerzen in Betracht (8 Ob 125/79, 2 Ob 89/83, 2 Ob 19/84 ua). Das Schmerzengeld ist vielmehr nach § 273 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach freier Überzeugung des Richters in einer Globalsumme festzusetzen. Vorliegendenfalls sind für den Kläger mit der teilweisen Schmerzunempfindlichkeit des rechten Handrückens zwar auf Dauer „Missempfindungen“ verbunden, welche der Sachverständige dem Begriff der leichten Schmerzen zuordnete. Diesem Ungemach kommt jedoch bei weitem nicht das Gewicht zu, wie es der Kläger vermeint. In der Klage hat er sich selbst gar nicht auf diese Beschwerden berufen, obschon er ausführlich seine körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen und die hiedurch entzogenen Lebensfreuden darlegte. Erst die im Sachverständigengutachten Dris. W***** ausgesprochene Gleichsetzung dieser Missempfindungen mit leichten Schmerzen veranlasste ihn sodann zu ihrer Geltendmachung. Vor dem zunächst einvernommenen Sachverständigen Dr. S***** hatte der Kläger auch lediglich angegeben (AS 27, 31), das etwas herabgesetzte Hautgefühl am kleinen und am Ringfinger habe zur Folge, dass bei Druck oder bei längerer Berührung Schmerzen aufträten. Vor dem Sachverständigen Dr. W***** erklärte er (AS 55), dass er am Tag nach dem Unfall vorzeitig nach Hause entlassen worden sei und dort fünf Tage habe Bettruhe halten müssen. Zu seinen nunmehrigen Beschwerden an der Hand befragt gab er ebenfalls nur an (AS 57), dass er bei Kälte und Wärme Schwierigkeiten habe, eine Faust zu machen.

Die festgestellten auch in Zukunft für den Kläger gegebenen zeitweiligen Missempfindungen am rechten Handrücken sind, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, zwar als weiteres, mit den Unfallsfolgen verbundenes Ungemach bei der Schmerzengeldbemessung zu berücksichtigen. Auch unter gebührender Bedachtnahme hierauf kann aber das vom Berufungsgericht insgesamt, also für alle körperlichen Schmerzen - die Unfallsverletzungen waren, wie der Umstand zeigt, dass der Kläger lediglich eine knappe Woche Bettruhe halten musste, nicht besonders gravierend - und vergangenen sowie zukünftigen psychischen Beeinträchtigungen des Klägers zuerkannte Schmerzengeld von 160.000 S nicht als zu niedrig angesehen werden.

Demgemäß war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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