OGH 9Os96/84

OGH9Os96/8421.8.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Diexer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerald A wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Linz vom 17. April 1984, GZ 27 Vr 2899/83-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Pitzal, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11. März 1965 geborene Gerald A des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 6. November 1983 in Linz seinen Adoptivvater (im Ersturteil unrichtig:

Stiefvater) Ludwig A durch Erdrosseln tötete.

Dieser Schuldspruch beruht auf dem Verdikt der Geschwornen, welche die anklagekonforme Hauptfrage nach Mord bejaht und demgemäß die Eventualfragen nach Totschlag und Körperverletzung mit tödlichem Ausgang unbeantwortet gelassen hatten. Eine die Zurechnungsunfähigkeit im Tatzeitpunkt betreffende Zusatzfrage war verneint worden.

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z 8

und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Eine den erstgenannten Nichtigkeitsgrund bewirkende Unrichtigkeit der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung erblickt der Beschwerdeführer darin, daß bei Erläuterung der gesetzlichen Merkmale des Totschlages die 'allgemeine Begreiflichkeit' der tatbestandsmäßigen Gemütsbewegung nur 'unvollständig und unklar' umschrieben worden sei. Der Mangel resultiere aus dem Unterbleiben eines Hinweises darauf, daß nicht der Tötungsentschluß des Täters, sondern nur seine hiefür kausale heftige Emotion allgemein begreiflich sein müsse.

Dieser Einwand versagt, weil die behauptete Nichtigkeit nur aus einer unrichtigen - dh einer mit gesetzlichen Bestimmungen in Widerspruch stehenden - Rechtsbelehrung, nicht aber aus der bloßen Möglichkeit einer noch eingehenderen oder deutlicheren Gestaltung der Eröterungen abgeleitet werden darf (siehe Mayerhofer-Rieder, StPO, E Nr 43, 65 und 66 zu § 345 Z 8). Das Beschwerdevorbringen läuft jedoch auf die Hervorhebung einer derartigen Möglichkeit hinaus; eine zur Unrichtigkeit der Belehrung führende Unvollständigkeit, die eine falsche Gesetzesauslegung nach sich ziehen konnte, ist dem maßgebenden Belehrungsinhalt nicht zu entnehmen. Darin kommt vielmehr klar und unmißverständlich zum Ausdruck, daß sich die allgemeine Begreiflichkeit auf die besondere Gemütsverfassung des Täters beziehen muß, ohne daß irgendeine Wendung der weiteren Erläuterungen den Gedanken nahelegen würde, auch der Tötungsentschluß müsse für einen Durchschnittsmenschen begreiflich sein.

Ebensowenig ist der Belehrung die vom Beschwerdeführer gerügte Aussage zu entnehmen, daß erlittene Mißhandlungen einen im § 76 StGB umschriebenen psychischen Ausnahmezustand des Betroffenen nicht hervorrufen können. Die bezügliche Passage besagt bei Berücksichtigung ihres Sinnzusammenhanges mit der davor gegebenen Erklärung lediglich, daß Rachegelüste - etwa wegen vorangegangener Mißhandlungen - nicht allgemein begreiflich wären. Diese Darlegung ist aber zutreffend, weil ein konkreter psychischer Ausnahmezustand eines Täters, der auf Rachsucht und daher auf einen Charaktermangel zurückzuführen war, bei rechtsethischer Bewertung keineswegs für jedermann verständlich ist (siehe hiezu Mayerhofer-Rieder, StGB 2 , E Nr 10, 10 a, 16 und 17 zu § 76).

Die Rechtsrüge (§ 345 Abs 1 Z 12 StPO) des Beschwerdeführers zielt ihrem einleitenden Vorbringen zuwider keineswegs auf eine bloße Interpretation der im Wahrspruch verwendeten Worte oder auf eine Abgrenzung der Tragweite des Wahrspruchs anhand der Verfahrensergebnisse ab, sondern enthält vielmehr den Vorwurf, daß die Geschwornen zufolge falscher Rechtsauffassung und verfehlter Beweiswürdigung statt der Schuldfrage nach Totschlag jene nach Mord bejaht hätten. Solcherart geht der Einwand jedoch nicht von den im Wahrspruch enthaltenen Feststellungen aus, welche bei Entscheidung über materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe allein Grundlage für die Prüfung der Richtigkeit der Gesetzesanwendung sein können. Die Beschwerde behauptet in Wirklichkeit gar keinen Rechtsirrtum bei Subsumtion des konstatierten Sachverhaltes, sondern Unrichtigkeit der von den Geschwornen im Wahrspruch getroffenen und unter diesem Gesichtspunkt keiner Anfechtung unterliegenden Konstatierungen, weshalb der zuletzt angerufene Nichtigkeitsgrund überhaupt einer gesetzmäßigen Darstellung entbehrt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht als erschwerend keinen Umstand, als mildernd das Geständnis des Angeklagten, soweit es die äußere Tatseite betreffe, seine offenbar vernachlässigte Erziehung an verschiedenen Pflegeplätzen, seine heftige, wenngleich nicht allgemein begreifliche Gemütsbewegung zum Tatzeitpunkt sowie die Begehung der Tat vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres und verhängte über ihn gemäß § 36, 75 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von dreizehn Jahren. Die Berufung des Angeklagten, mit der er Herabsetzung der Strafe unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes anstrebt, ist nicht begründet.

Der Vorverurteilung des Angeklagten lagen fünf, teilweise nach § 129 StGB beschwerte Diebstähle, also keineswegs derart geringfügige Verfehlungen zugrunde, daß dennoch von einem bisherigen ordentlichen Lebenswandel gesprochen werden könnte. Da nach den Akten auch von einem nennenswerten Mitverschulden des Getöteten nicht die Rede sein kann und das (in der Haft an den Tag gelegte) Wohlverhalten seit der Tat den Milderungsgrund nach § 34 Z 18 StGB nicht zu begründen vermag, bedürfen mithin die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe keiner Korrektur.

Geht man aber davon aus, dann erweist sich das vom Geschwornengericht gefundene, nur rund zwei Drittel der möglichen Höchststrafe betragende Strafausmaß als keineswegs überhöht und mithin einer Reduktion unzugänglich.

Es mußte daher auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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