OGH 12Os105/84

OGH12Os105/849.8.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.August 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral (Berichterstatter), Hon.Prof.Dr.

Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wittmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Ludwig A wegen des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs. 1 StGB. und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 27.April 1984, GZ. 15 Vr 3937/83- 43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart und des Verteidigers Dr. Berthold Thun, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ludwig A des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs. 1 StGB. und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hat der homosexuell veranlagte und (zuletzt) wegen Unzucht mit einem Unmündigen vorbestrafte Angeklagte am 7.Dezember 1983 beim Haupteingang des F***Kaufhauses in Salzburg den 12-jährigen Martin B angesprochen, ihn in das Kaufhaus mitgenommen und, nachdem er ihm im Lift einen Zungenkuß gegeben und ihn im Stiegenhaus am Gesäß betastet hatte, in den Vorraum einer Toilettenanlage geführt, wo er auf das Freiwerden einer Kabine wartete, um darin mit dem Knaben Unzucht zu treiben. Von einem Zeugen dieser Vorfälle zur Rede gestellt, versetzte der Angeklagte dem Karl C einen Faustschlag ins Gesicht und verletzte ihn leicht.

Der Angeklagte bekämpft lediglich den Schuldspruch wegen des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der er geltend macht, die Konstatierung seines auf Unzucht mit dem unmündigen Martin B gerichteten Vorsatzes sei offenbar unzureichend begründet und ein ausführungsnaher (mithin strafbarer) Versuch rechtsirrig angenommen worden.

Rechtliche Beurteilung

In beiden Richtungen versagt die Beschwerde.

Es stellt einen im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unbekämpfbaren Akt freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO.) dar, wenn der erkennende Senat unter Bedachtnahme auf die durch die letzte Verurteilung wegen eines ganz ähnlichen (damals jedoch bis zur Deliktsvollendung gediehenen) Vorgangs gekennzeichnete Täterpersönlichkeit des Angeklagten aus seinem Verhalten im vorliegenden Fall lebensnah (und keineswegs willkürlich) abgeleitet hat, daß der Angeklagte vor hatte, nach dem Betreten einer freiwerdenden Toilettenkabine Martin B durch (intensive) körperliche Berührung(en) in der Geschlechtssphäre unzüchtig zu mißbrauchen.

Auf die Behauptung, daß es an sich auch denkmöglich wäre, aus den gegebenen Prämissen andere Schlüsse zu ziehen - etwa den, daß der Angeklagte sich gegebenenfalls mit einem (weiteren) Zungenkuß begnügt hätte -, kann der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. nicht gestützt werden (vgl. Mayerhofer/Rieder, StPO., § 281 Z. 5 ENr. 144 ff.). Der Rechtsrüge aber, im vorliegenden Fall mangle es an den Voraussetzungen eines strafbaren Versuchs, ist entgegenzuhalten, daß nicht nur ein bereits als Ausführungshandlung zu wertendes Verhalten als Versuch strafbar ist, sondern auch schon eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung, durch die der Täter seinen Entschluß, die Tat auszuführen, betätigt (§ 15 Abs. 2 StGB.). Ausführungsnah in diesem Sinn ist ein Verhalten, wenn es - objektiv -

im unmittelbaren Vorfeld der Tatbildverwirklichung liegt und - subjektiv - in ein Stadium tritt, in dem der Täter die entscheidende Hemmstufe vor der Tatbegehung überwunden hat (EvBl. 1982/98; Leukauf-Steininger, StGB. 2 , Par 15, RN. 6 und 8 ff. und die dort zitierte Judikatur). Laut Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte, dessen Vorsatz in seinem äußeren Verhalten bis dahin bereits eine klar erkennbare Darstellung gefunden hatte, im Vorraum der Toilettenanlage - mehrere Minuten lang, während welcher Zeit er auch einmal seine Hand (zumindest) in die Nähe des Oberschenkels von Martin B brachte - nur noch auf das Freiwerden einer Kabine gewartet, um diese sodann mit Martin B zu betreten und darin die beabsichtigten Unzuchtshandlungen an dem Unmündigen vorzunehmen, wozu es jedoch infolge des Einschreitens des - vom Angeklagten aus diesem Anlaß durch einen Faustschlag ins Gesicht verletzten (§ 83 Abs. 1 StGB.) - Karl C nicht mehr gekommen ist (S. 162 f.). Unter Berücksichtigung des hier in Frage kommenden Deliktstypus (§ 207 Abs. 1 erster Fall StGB.) lag dieses Täterverhalten schon im unmittelbaren Vorfeld der angestrebten Tatbildverwirklichung und ließ - aus objektiv-normativer Sicht (SSt. 52/40) - auch erkennen, daß der Angeklagte die entscheidende Hemmstufe vor der Tat bereits überwunden hatte.

Der Beschwerdeauffassung, erst mit dem Betreten der Kabine durch Täter und Opfer wäre das Stadium eines strafbaren Versuchs erreicht gewesen, kann darum nicht gefolgt werden (vgl. auch EvBl. 1978/213). Da mithin dem Erstgericht auch der vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsirrtum nicht unterlaufen ist, war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.

Ludwig A wurde nach §§ 207 Abs. 1, 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt. Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, den überaus raschen Rückfall, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und als mildernd, daß die Tat (Punkt 1 des Urteilsspruchs) beim Versuch geblieben ist sowie das Tatsachengeständnis im Faktum C (2 des Urteilsspruchs). Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat die Strafbemessungsgründe richtig festgestellt und gewürdigt. Die vom Berufungswerber angeführten weiteren Umstände vermögen eine Herabsetzung der Strafe nicht zu rechtfertigen. Daß der Angeklagte ein Außenseiter der Gesellschaft ist, kann keinen Milderungsgrund begründen. Von einem Grenzfall ist keine Rede, wenn das Opfer 12 Jahre alt ist. Nach dem Gesetz ist die Strafdrohung der (gleichgeschlechtlichen) Unzucht mit Unmündigen und mit Jugendlichen sogar gleich hoch (vgl. §§ 207 Abs. 1 und 209 StGB.). Daß es beim Versuch geblieben ist, hat das Erstgericht ohnehin berücksichtigt. Im übrigen kann nicht davon gesprochen werden, daß das Verbrechen, obwohl es beim Versuch geblieben ist, keinerlei nachteilige Folgen nach sich gezogen hat Das Opfer stand vielmehr nach der Tat unter schwerem Schock (vgl. S. 14, 18 und 54 d.A.).

Bei dem Vorleben des Angeklagten und dem raschen Rückfall ist die Strafe keineswegs als zu hoch anzusehen.

Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

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