OGH 13Os47/84

OGH13Os47/8412.7.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juli 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider (Berichterstatter), Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Diexer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1

StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft sowie über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt als Schöffengerichts vom 12. Dezember 1983, GZ. 11 a Vr 1567/82-42, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Ersten Generalanwalts Dr. Nurscher, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Schriefl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Monate herabgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 17. September 1944 geborene Justizwachhauptmann Franz A wurde mit dem angefochtenen, im zweiten Rechtsgang gefällten Urteil des Vergehens der fahrlässigen (schweren) Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4, zweiter Deliktsfall, StGB. (§ 81 Abs. 1 StGB.) schuldig erkannt. Darnach liegt ihm zur Last, am 3. August 1982 in Gloggnitz seiner Ehefrau Auguste A dadurch, daß er die im Umgang mit Waffen gebotene Sorgfalt außer acht ließ, indem er alkoholisiert in der rechten Hand eine geladene und nicht gesicherte Pistole hielt und mit dieser unkontrollierte Bewegungen machte, wobei sich versehentlich ein Schuß löste, unter besonders gefährlichen Verhältnissen eine schwere Körperverletzung, nämlich einen tangentialen Rumpfdurchschuß mit Läsion der rechten Darmbeinschaufel und mehreren Knochenabsprengungen, zugefügt zu haben. Dieser Schuldspruch wird von der Staatsanwaltschaft, welche Anklage wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1

StGB. erhoben hatte (ON. 27), mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft. Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Anklagebehörde aus, Franz A habe nach dem Gutachten des Schießsachverständigen die Waffe mit der rechten Hand in Gürtelhöhe, in einer Position des klassischen Hüftanschlags, gehalten, doch werde in den Urteilsgründen diese Passage des Gutachtens mit Stillschweigen übergangen. Des weiteren werde nicht dargetan, warum das Gericht der Verantwortung des Angeklagten, er habe die Waffe in der linken Hand gehalten und mit der rechten die Stereoanlage abschalten wollen, keinen Glauben schenkte, dennoch aber, seiner sonstigen Verantwortung folgend, bloß Fahrlässigkeit bei der Schußabgabe angenommen habe. Auch die Feststellung, der Angeklagte habe bereits zweimal beim unvorsichtigen Hantieren mit einer Waffe unbeabsichtigt einen Schuß gelöst (S. 474/I. Bd.), sei zumindest in dieser Form unrichtig;

denn nach seiner Darstellung habe sich der Angeklagte durch das Abziehen des Hahns davon überzeugen wollen, ob die Waffe geladen sei oder nicht (S. 384/I. Bd.). Dieser höchst sorglose und unsachgemäße Umgang mit Waffen indiziere aber keine Fahrlässigkeit bei der Schußabgabe. Auch der Hinweis auf die Aussage der Zeugin Auguste A, die noch am Tag der Tat im Krankenhaus von einem Unglücksfall sprach, stelle für die Annahme fahrlässigen Verhaltens keine genügende Begründung dar, habe doch das Erstgericht anderen Teilen der Aussage dieser Zeugin darüber, daß es vor dem Schuß zu keinem Streit zwischen den Ehepartnern gekommen sei und der Angeklagte die Waffe in der linken Hand gehalten habe, den Glauben versagt. Gerade die vom Erstgericht angenommene teilweise Glaubwürdigkeit der Zeugin in den Punkten ihrer Aussage, die für den Angeklagten günstig gewesen seien, hätte eingehender Begründung bedurft.

Schließlich enthalte das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen, auf das sich das Erstgericht bei seiner Fahrlässigkeitsversion stütze, nur eine bloße Vermutung, soweit darin von einer möglichen alkoholbedingten Aufmerksamkeitsstörung gesprochen werde. Auf dieses nicht gesicherte Ergebnis psychiatrischer Befundung könne die bekämpfte Feststellung nicht gestützt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt - wie auch die Generalprokuratur meint - keine Berechtigung zu.

Daß das Gericht der Verantwortung des Angeklagten und der Aussage seiner Frau als Zeugin nur teilweise geglaubt hat, entspricht dem Wesen der im Par 258 Abs. 2 StPO. statuierten freien richterlichen Beweiswürdigung; ist es doch durchaus damit vereinbar, einer Aussage (nur) teilweise Glauben zu schenken.

Der Verpflichtung zur Begründung seiner Beweiswürdigung ist das Erstgericht nachgekommen. Betrachtet man sämtliche Beweisergebnisse in ihrem Zusammenhang und bedenkt das Gebot einer bloß gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (Par 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.), so erweist sich die Begründung des Erstgerichts für die teilweise Glaubwürdigkeit der beiden in Rede stehenden Aussagen als ausreichend, zumal sie auch durch die sonstigen, die Gutachten der beiden Sachverständigen und das Vorleben des Angeklagten berücksichtigenden überlegungen, die das Gericht hiezu anstellt, gestützt wird (S. 483/484/I. Bd.). Mag sein, daß der Angeklagte, der stets fahrlässiges Verhalten behauptet hat, dieser Darstellung des Vorfalls dadurch besondere Wahrscheinlichkeit verleihen wollte, daß er angab, als Rechtshänder die Pistole in der linken Hand gehalten zu haben. Wenn das Erstgericht dieser Version keinen Glauben schenkte, setzte es damit einen Akt freier Beweiswürdigung. Dies gilt auch für die von der Staatsanwaltschaft als Schutzbehauptung bezeichnete Aussage der Zeugin Auguste A, es habe sich um einen Unglücksfall gehandelt. Die Bewertung dieser Angaben durch das Erstgericht entspricht den Denkgesetzen, sodaß darin ein formaler Begründungsmangel im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds nicht zu erblicken ist. Auch daß der Angeklagte nach dem Gutachten des waffentechnischen Sachverständigen bei der Abgabe des Schusses die Waffe in der Position des klassischen Hüftanschlags gehalten hat, spricht - im Zusammenhang mit den übrigen, in den Verfahrensergebnissen begründeten Erwägungen des Schöffengerichts - nicht gegen die Annahme von Fahrlässigkeit, weshalb sich, entgegen der Meinung der Staatsanwaltschaft, eine Erörterung dieses Teils des Sachverständigengutachtens erübrigte.

Daß der Angeklagte bereits zweimal unbeabsichtigt Schüsse aus Waffen abgegeben habe, spricht ebenfalls nicht gegen Fahrlässigkeit. Gleiches gilt, wenn man (mit der Staatsanwaltschaft in ihrem Rechtsmittel) davon ausgeht, daß der Angeklagte den Ladungszustand einer Waffe auf höchst unsachgemäße Art durch Betätigung ihres Abzugs überprüfen wollte. Denn auch wenn er den Abzug vorsätzlich betätigte, hatte er damit noch keineswegs den Vorsatz, einen anderen zu verletzen. Auch darin hat das Erstgericht bloß ein weiteres Indiz für die Tendenz zum fahrlässigen Umgang mit Waffen erblickt. Wenn schließlich der psychiatrische Sachverständige (nur) die Vermutung geäußert hat, die alkoholische Beeinträchtigung des Angeklagten könnte Aufmerksamkeitsstörungen bewirkt haben (S. 451/I. Bd.), so konnte das in Verbindung mit der Verantwortung des Angeklagten (und den übrigen Verfahrensergebnissen) füglich zur Annahme führen, die inkriminierte Schußabgabe sei (auch) die Folge einer (alkoholisierungsbedingten) Aufmerksamkeitsstörung gewesen (S. 483/I. Bd.).

Abschließend sei vermerkt, daß der Oberste Gerichtshof in seinem im ersten Rechtsgang erflossenen Urteil ausgesprochen hat, daß Feststellungen zur subjektiven Tatseite hier zwangsläufig nur durch Schlußfolgerungen getroffen werden können (S. 369/I. Bd.); diese wurden im zweiten Rechtsgang vom Schöffengericht in einer den Denkgesetzen entsprechenden Weise gezogen.

Es ist der Staatsanwaltschaft zuzugeben, daß aus den vorliegenden Beweisergebnissen auch andere, für den Angeklagten ungünstigere Schlußfolgerungen hätten abgeleitet werden können. In diesem Vorbringen ist aber die gesetzmäßige Darstellung des Nichtigkeitsgrunds nach § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO., die das Vorliegen formaler Begründungsmängel darzutun hat und nicht bloß die Möglichkeit einer anderen Beweiswürdigung aufzeigen darf, nicht zu erblicken.

Das Kreisgericht verhängte über den Angeklagten nach dem - eine Strafdrohung bis zu zwei Jahren aufweisenden - zweiten Strafsatz des § 88 Abs. 4 StGB. eine Freiheitsstrafe von acht Monaten. Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend, hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und das reumütige Geständnis als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Verhängung einer Geldstrafe anstelle der - herabzusetzenden - Freiheitsstrafe und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an.

Der Berufung kommt teilweise, und zwar soweit sie sich gegen das Strafausmaß wendet, Berechtigung zu.

Zunächst ist festzuhalten, daß dem Angeklagten nur der Milderungsgrund des reumütigen Geständnisses (§ 34 Z. 17 StGB.) zugute kommt, nicht auch jener des bisher ordentlichen Lebenswandels, zu dem die Tat noch dazu in auffallendem Widerspruch stehen müßte, um den Voraussetzungen des § 34 Z. 2

StGB. zu genügen. Unbescholtenheit - die beim Berufungswerber vorliegt - stellt für sich allein keinen Milderungsumstand dar. Berücksichtigt man den im Urteil festgestellten wiederholten Alkoholmißbrauch des Angeklagten (S. 476/I. Bd.) und seine Tendenz zum Umgang mit Waffen und Kraftfahrzeugen im alkoholisierten Zustand, wozu er schon verwaltungsrechtlich auffällig geworden ist, was in einem Fall sogar ein verurteilendes Disziplinarerkenntnis nach sich gezogen hat (S. 474 ff./I. Bd.; siehe auch Beilagen 2, 3 und 4 zum Hauptverhandlungsprotokoll, ON. 41), so gelangt man zu dem für die Beurteilung der Täterpersönlichkeit wesentlichen Ergebnis, daß Franz A auf Grund seiner charakterlichen Veranlagung unter Alkoholeinfluß zur Unbeherrschtheit neigt und sich zu Waffen hingezogen fühlt, womit er sich aber als nicht ungefährlicher Mensch zu erkennen gibt. Beging der Rechtsmittelwerber die ihm nunmehr angelastete Tat im Zustand der ungehemmten Erregung (wegen einer familiären Auseinandersetzung im Zusammenhang mit dem Verhalten der Tochter) bei beträchtlicher Alkoholisierung (rund 2,15 %o zur Zeit der Schußabgabe - s.S. 479/I. Bd.), kann von einem auffallenden Widerspruch zwischen der Tat und seinem durch die geschilderten Fehlhaltungen getrübten sonstigen Lebenswandel nicht gesprochen werden.

Ausgehend von dem gegebenen Milderungsumstand des reumütigen Geständnisses und der Tatsache, daß sich die Ehe des Angeklagten - ersichtlich auch infolge Verzeihung durch das Tatopfer - konsolidiert hat, erscheint eine sechsmonatige Freiheitsstrafe angemessen, zumal unter den gegebenen Verhältnissen auch der Umstand, daß die Ehegattin Opfer des Fahrlässigkeitsdelikts wurde, mildernd Berücksichtigung finden kann. In diesem Sinn wurde der Berufung ein Erfolg zuerkannt.

Das Vorbringen des Berufungswerbers, seine Ehefrau, also das Tatopfer, hätte ihn gebeten, auf die Suche nach der (über Nacht abgängigen) Tochter die Waffe mitzunehmen, sie hätte die Alkoholika vor der Tat selbst gekauft und sich auch deswegen nicht richtig verhalten, weil sie die 'Debatte' (mit dem Angeklagten wegen der ausgebliebenen Tochter) nicht 'durch einen richtungsweisen Satz' beendet, sondern 'sich auf ein stundenlanges Palaver' eingelassen habe (S. 3/II. Bd.), können keine schuldmildernde Wirkung zeigen:

Dieses Vorbringen erweist sich vielmehr lediglich als der Versuch, einen Teil der Verantwortung für ein gravierendes (Fahrlässigkeits-)Delikt auf das durch die Tat schwer verletzte Opfer abzuschieben. Dem Berufungsbegehren um Anwendung der §§ 37 und 43 StGB. kann nicht entsprochen werden:

Der Gewährung der bedingten Strafnachsicht (§ 43 StGB.) stehen die Art der vom Angeklagten zu verantwortenden Tat, seine vorstehend charakterisierte Persönlichkeit und der (hohe) Grad der (Fahrlässigkeits-)Schuld entgegen. Die Verhängung einer Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe (§ 37 StGB.) unterblieb aus Gründen der Spezial- und Generalprävention.

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