OGH 11Os62/84

OGH11Os62/843.7.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juli 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Diexer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther A und Gerald B wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147

Abs. 3 StGB und eines anderen Deliktes über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengerichts vom 6. Oktober 1983, GZ 10 Vr 427/82-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der Geschäftsmann und frühere Geschäftsführer der Firma Dipl.Ing. Franz C GesmbH Günther A sowie der Finanzbuchhalter Gerald B, ehemaliger Prokurist dieser Firma, zu

1. des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB und zu 2. des Verbrechens der betrügerischen Krida nach dem § 156 Abs. 1 und 2 StGB schuldig erkannt, weil sie 1. in der Zeit vom 28. Oktober 1980 bis 21. Jänner 1981 in Gesellschaft als Beteiligte sowie in weiterer Gesellschaft des gesondert verfolgten (bereits rechtskräftig verurteilten) Dr. Augustin F*** mit dem Vorsatz, diese Person und die Firma Dipl.Ing.Franz C, Elektrobau und Stahlbau GesmbH, durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Volksbank Krems/D., reg. GenmbH, mit Hilfe der Vorspiegelung, die Firma Helga D GesmbH sei zahlungsfähig und werde die von der Firma Dipl. Ing.Franz C, Elektrobau und Stahlbau GesmbH, im Rahmen eines bestehenden Zessionskreditvertrages der Volksbank Krems/D.

zedierten, namens der Firma E GesmbH erstellten Rechnungen begleichen, sohin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, nämlich zur Honorierung von Rechnungen für ein Bauprojekt in Wien 7 - Spittelberg in der Gesamthöhe von 2,097.813,44 S verleiteten, wobei der Schaden 100.000 S überstieg, sowie 2. am 7., 13. und 15. Jänner 1981 in Krems/D. in Gesellschaft als Beteiligte als leitende Angestellte der Firma Dipl.Ing.Franz C GesmbH eine nicht bestehende Verbindlichkeit in der Gesamthöhe von 900.000 S, und zwar auf Grund zweier Rechnungen vom 7. und 13. Jänner 1981 in der Höhe von je 150.000 S und 600.000 S auf Grund einer unrichtigen Schlußrechnung der Firma E GesmbH anerkannten bzw. durch Bezahlung dieses Gesamtbetrages von 900.000 S das Vermögen der Firma C GesmbH verringerten und dadurch die Befriedigung der Gläubiger zumindest schmälerten, wobei der durch die Tat verursachte Schaden den Betrag von 100.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richten sich die auf die Z 3, 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten - wörtlich identen - Beschwerden der beiden Angeklagten, welchen schon aus folgenden Gründen Berechtigung zukommt:

Das Schöffengericht geht - was zunächst das Schuldspruchfaktum 1 betrifft - sinngemäß zusammengefaßt davon aus, daß das einzige Interesse der beiden Angeklagten 'von vornherein' (S 504/II) bis Dezember 1980 mit bedingtem, ab Jänner 1981 mit 'direktem' Vorsatz dahin gegangen sei (S 520 ff/II), zwecks Bereicherung ihrer in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Dienstgeberfirma Dipl. Ing. Franz C sowie des (damaligen) Rechtsanwaltes dieser Firma, Dr. Augustin F, der Volksbank Krems/D. im Rahmen eines bestehenden Zessionskreditvertrages Geldbeträge in einer Gesamthöhe von 2,097.813,44 S dadurch betrügerisch herauszulocken, daß sie dem genannten Bankinstitut auf die zahlungsunfähige Firma Helga D GesmbH ausgestellte Rechnungen vorlegten und die entsprechenden Forderungen zedierten.

Im Rahmen der Mängelrüge weisen Günther A und Gerald B, die in der Hauptverhandlung jeden Täuschungsund Bereicherungsvorsatz bestritten und sich vor allem auf ihr Vertrauen in die wirtschaftlichen und juristischen Fähigkeiten des damaligen Firmenanwaltes Dr. F beriefen, nunmehr zutreffend u.a. darauf hin, daß das Schöffengericht seinen wesentlichen Feststellungen widerstreitende Beweisergebnisse nicht erörterte:

So unterließ das Erstgericht u.a. eine Auseinandersetzung mit - sinngemäß zusammengefaßten Teilen - der Darstellung des als glaubwürdiger Zeuge gewerteten Dr. Augustin F in der Hauptverhandlung (vgl. S 393 ff/II), daß sich das von den (zu den angenommenen Täuschungszwecken verwendeten) Rechnungen erfaßte Projekt Spittelberg (Errichtung und Betrieb eines Animierlokals) der Firma D GesmbH 'aus damaliger Sicht' als 'kaufmännisch gut darstellte' (vgl. u.a. die S 398, 417, 418, 419, 423, 424, 430/jeweils Bd II), zumindest bis zur 'Geldbeschaffungsaktion' im Jänner 1981 kein Betrugsvorsatz vorlag (vgl. u.a. die S 418, 419, 431/jeweils Bd II), bis zu dem genannten Zeitpunkt mit Sicherheit keine fingierten Rechnungen vorgelegt wurden (vgl. die S 401, 425, 426/jeweils Bd II), die wirtschaftliche Situation sich erst durch Außeneinflüsse (vgl. in diesem Zusammenhang die S 489/II), insbesonders durch den überraschenden Ausgleich der Firma G änderte (vgl. S 405, 413, 421, 431/jeweils Bd II) und persönliches Vertrauen der Angeklagten zu ihm als Firmenanwalt bestand (vgl. u.a. S 423/II). Der gleiche Mangel zeigt sich im Zusammenhang mit der zumindest im Urteil unerörtert gebliebenen Aussage des Zeugen Dr. Augustin F im Verfahren Cr 16/61 des Arbeitsgerichtes Krems/D, daß der Angeklagte A als Geschäftsführer - und daher allenfalls umsomehr auch der der Geschäftsführung unterstellte Prokurist Gerald B - bis zum 15. Jänner 1981 gutgläubig gewesen sei(en) und dem Zeugen als Rechtsanwalt ihrer Dienstgeberfirma vertraut hätte(n) (vgl. u.a. insbesonders die S 135, 137, 157/II).

Im Hinblick auf diese Begründungsmängel zum Betrugsfaktum kann somit nach der derzeitigen Aktenlage nicht ausgeschlossen werden, daß die beiden Angeklagten, nicht auf ihre eigene Bereicherung bedacht, die Möglichkeit einer Vermögensschädigung der Volksbank Krems/D. zwar als naheliegend ansahen, unter Umständen sogar bis zuletzt aber im - wenn auch leichtfertigen - Vertrauen, insbesonders auf die Versprechungen und vermeintlichen Fähigkeiten des Rechtsanwaltes Dr. Fritz und daher in der Hoffnung darauf handelten, den verpönten Erfolg nicht herbeizuführen, somit nur (bewußt) fahrlässig vorgingen. Eine Feststellung, daß die beiden Angeklagten die Möglichkeit ernstlich bedachten, die Errichtung und Inbetriebnahme des Animierlokals in Wien 7 werde niemals stattfinden, es handle sich hiebei von vornherein um ein 'Luftgeschäft', das nur dazu diene, durch fingierte Rechnungen der Volksbank Krems/D. zusätzliche Zessionskredite herauszulocken, und einen solchen nachteiligen Ablauf der Ereignisse hinzunehmen gewillt waren, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Eine derartige Feststellung wurde auch nicht in dem gegen Dr. F beim Landesgericht für Strafsachen Wien zum AZ 5 e Vr 7809/81 anhängig gewesenen Strafverfahren getroffen (vgl. auch die Begründung der Anklageschrift gegen Dr. Augustin F in dem genannten Verfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Wien: 'Eine deliktische Mitwirkung der leitenden Angestellten der ... Firma C kann zumindest derzeit nicht als erwiesen angenommen werden' - S 451/I).

Das Urteil läßt aber auch Feststellungen darüber vermissen, worin das deliktische Verhalten der beiden Angeklagten konkret überhaupt erblickt wird:

Die Verfassung der Rechnungen der Firma C GesmbH an die Firma D GesmbH geschah offenbar durch Dr. Augustin F selbst, der die Rechnungen auch sogleich namens der Firma D anerkannte. Ob einer der Angeklagten mit der Einreichung der Rechnungen bei der Volksbank Krems/D. zur Besicherung der Zessionskredite in der Folge persönlich befaßt war, ist dem Urteil nicht zu entnehmen; es hat sogar eher den Anschein, als erblicke das Urteil die Schuld der beiden Angeklagten darin, daß sie Dr. Augustin F bloß gewähren ließen (vgl. S 489/II; aber auch die Feststellung der - nur - von Dr. F gesetzten Täuschungshandlungen gegenüber der Volksbank Krems/D. auf den S 71 ff./II im Akt 5 e Vr 7809/81 des Kreisgerichtes Krems). Dazu wäre aber jedenfalls u.a. die Feststellung erforderlich gewesen, daß sie ihrer Stellung in der Firma nach zur - von ihnen als notwendig erkannten - Kontrolle seiner Tätigkeit als bevollmächtigter Firmenanwalt verpflichtet gewesen wären. Diese Kontrollkompetenz mag für Günther A zutreffen, der Geschäftsführer der GesmbH war und sowohl an der Vollmachtserteilung für Dr. F wie auch am Abschluß des Generalunternehmervertrages mit der Firma D mitwirkte (ebenso wie die geschäftsführende Gesellschafterin Elisabeth C); möglicherweise trifft es aber nicht für den Zweitangeklagten zu, der zwar Prokura besaß, aber faktisch nur im Rechnungswesen tätig war, an der Bevollmächtigung des Dr. F nicht mitwirkte und sich zur Zeit des Abschlusses des erwähnten Generalunternehmervertrages auf Urlaub befand. Da Gerald B zumindest nach der derzeitigen Aktenlage für die Kalkulation, für die Baustellenüberwachung oder (bautechnische) Rechnungsüberprüfung, allenfalls auch für Zessionen nicht zuständig war, ist sein Schuldspruch daher schon aus diesem Grund durch das Fehlen tragfähiger tatsächlicher Feststellungen über seine konkrete Mitwirkung am Betrug nichtig.

Dem angefochtenen Urteil haften aber auch wesentliche Mängel im Zusammenhang mit dem Schuldspruchfaktum 2. an.

Das Wesen der betrügerischen Krida nach dem § 156 StGB besteht darin, daß der Schuldner mehrerer Gläubiger (bzw. an seiner Stelle eine der im Par 161 (§ 309) StGB genannten Personen) die Befriedigung wenigstens eines Gläubigers durch wirkliche oder scheinbare Verringerung seines Vermögens vorsätzlich vereitelt oder schmälert (vgl. SSt 47/47).

Der Tatvorsatz muß sich sowohl auf die Tathandlung, das Schädigungsmittel, als auch auf die Vereitelung des Befriedigungsanspruches wenigstens eines Gläubigers erstrecken. Erst mit dem Eintritt der Schädigung ist das Delikt des § 156 StGB vollendet (vgl. Kienapfel II zu § 156 StGB).

Wie die Rechtsmittelwerber u.a. mit Recht relevieren, begnügte sich das Schöffengericht zur (neben dem Betrug angenommenen) Tathandlung nach § 156

StGB mit der Feststellung, daß die Angeklagten weder die beiden Teilzahlungen vom 7. und 13. Jänner 1981 über je 150.000 S, noch die am 15. Jänner 1981 - ebenfalls von Dr. Augustin F namens der Firma E - vorgelegte Schlußrechnung einer überprüfung unterzogen und durch die Anerkennung dieser Rechnungen - hinsichtlich welcher sie billigend in Kauf nahmen, daß es sich um Scheinrechnungen handle - 'das Vermögen der Firma C um einen Betrag von insgesamt 900.000 S verringert und dadurch die Befriedigung von Gläubigern vereitelt bzw. geschmälert' hätten (vgl. S 525/II).

Abgesehen davon, daß sich das Erstgericht somit in der Frage des Taterfolges auf Formulierungen beschränkte (vgl. S 499/II), die sich im wesentlichen in der bloßen Wiedergabe des Gesetzestextes erschöpfen, enthält das angefochtene Urteil zur eigentlichen Tathandlung kein ausreichendes Tatsachensubstrat für die Annahme, daß den genannten Rechnungen - insbesonders aus der Sicht der Angeklagten - überhaupt keine vermögenswerten Leistungen im Zusammenhang mit dem Projekt Spittelberg zugrundelagen und es fehlt auch jede Auseinandersetzung darüber, welche Bedeutung - insbesonders auch in subjektiver Hinsicht - das Erstgericht in diesem Zusammenhang der gleichzeitigen Weiterfakturierung dieser Rechnungsbeträge seitens der Firma C und der Anerkennung durch Dr. Augustin F namens der Firma D GesmbH beimaß.

Hinzu kommt noch, daß nach dem angenommenen Wissen der beiden Angeklagten von der Möglichkeit, daß es sich bei den anerkannten Forderungen um nicht bestehende Verbindlichkeiten handeln und durch ihr Verhalten 'im Unternehmen der Firma C' ein Vermögensschaden eintreten könnte, der zur Tatbestandsverwirklichung des § 156 StGB erforderliche dolus nicht deutlich genug zum Ausdruck kommt (vgl. Altmann-Jacob II 618 f.). Daß der Tatvorsatz der Angeklagten auf die Vereitelung des Befriedigungsanspruches zumindest eines Gläubigers gerichtet war, ist der angefochtenen Entscheidung nicht hinlänglich klar zu entnehmen (vgl. S 525, 526/II).

Es erweist sich somit, daß das angefochtene Urteil schon im dargelegten Umfang mit wesentlichen Begründungs- und Feststellungsmängeln behaftet ist, die eine Erneuerung des Verfahrens erforderlich machen, ohne daß noch auf die weiteren Beschwerdeausführungen eingegangen werden mußte.

Es war daher den Nichtigkeitsbeschwerden nach Anhörung der - für eine Urteilskassation eintretenden - Generalprokuratur bereits in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben (§ 285 e StPO), das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.

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