OGH 10Os82/84

OGH10Os82/8419.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini (Berichterstatter), Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Hon.Prof.Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wittmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Ernst A wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Februar 1984, GZ 6 a Vr 13.790/83-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, und des Verteidigers Dr. Bernhauser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4. August 1953 geborene Drogist Ernst A des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG (Punkte 1 a bis d des Schuldspruchs) sowie zu den Punkten 2 und 3 des (einen, im Ausspruch gemäß § 260 Abs. 1 Z 2 StPO allerdings formell verfehlt - vgl. ÖJZ-LSK 1977/169

u. a. - in zwei Vergehen, nämlich eines nach § 16 Abs. 1 Z 1 SuchtgiftG und ein weiteres nach § 16 Abs. 1 Z 2 SuchtgiftG unterteilten) Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z 1 und 2 SuchtgiftG schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs liegt ihm zur Last, in Wien 1. vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in solchen Mengen in Verkehr gesetzt zu haben, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem er

a) in der Zeit von August bis Dezember 1983 dem abgesondert Verfolgten Wolfgang B insgesamt mindestens 8 Gramm Heroin verkaufte;

b) im November und Dezember 1983 an verschiedene Personen, darunter an einen gewissen Roland und an einen angeblichen Hannes C rund 1,5 Gramm Heroin verkaufte;

c) im November und Dezember 1983 dem abgesondert Verfolgten Christian D rund 3 Gramm Heroin verkaufte;

d) in der Zeit von März 1983 bis Ende Juni 1983 der abgesondert Verfolgten Yvonne E ca. 40 Gramm Heroin verkaufte bzw. zum kommissionsweisen Verkauf übergab;

2. in der Zeit von Jänner bis Dezember 1983 der abgesondert Verfolgten Edith F mehrmals Heroin überlassen zu haben, zu dessen Bezug diese nicht berechtigt war;

3. in der Zeit von Anfang 1982 bis Dezember 1983 wiederholt unberechtigt Suchtgifte, nämlich Heroin, erworben und besessen zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Angeklagten aus der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen, nach dem Inhalt der Beschwerdeausführungen nur gegen den Schuldspruch zu den Punkten 1 a bis c gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. In der - vorweg zu behandelnden, auf eine Unterstellung des Schuldspruchs zu diesen Fakten unter die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 2 (richtig: Z 1) SuchtgiftG abzielenden - Rechtsrüge führt der Beschwerdeführer aus, daß mit den diesen Schuldspruchfakten zugrunde liegenden Suchtgiftmengen lediglich 5

Personen (nämlich außer den oben zu 1 a - c Genannten noch Elisabeth F***, eine Subabnehmerin des B) in Kontakt gekommen seien (und keineswegs ein dem § 12 SuchtgiftG entsprechender Personenkreis); diese hätten das Suchtgift (gemeint: jeweils in kleinen Mengen) zum Eigenkonsum angekauft und verwendet.

Es seien daher im Hinblick auf den Zeitraum und die jeweiligen Portionierungen die Voraussetzungen für die Subsumierung unter § 12 (zu ergänzen: Abs. 1) SuchtgiftG weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht gegeben.

Die vom Beschwerdeführer demnach vertretene Rechtsansicht, daß beim Verkauf von Suchtgift an mehrere Personen jede einzelne mit Bezug auf das Inverkehrsetzen desselben gesetzte Handlung für sich allein den Tatbestand des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG in objektiver und subjektiver Richtung erfüllen müßte, trifft jedoch nicht zu. Wie vom Obersten Gerichtshof schon wiederholt ausgesprochen wurde (SSt 50/38 u.a.), setzt das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG bei einer Begehung durch mehrere Tathandlungen nicht voraus, daß dabei in jedem einzelnen (oder doch zumindest in einem) Fall eine solche Suchtgiftmenge in Verkehr gesetzt wird, aus der (in Verbindung mit ihrer Verwendungsbestimmung) schon für sich allein in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen kann; das Delikt kann vielmehr auch durch eine Folge von Einzelakten begangen werden, mit denen der Täter den vorerwähnten tatbestandsmäßigen Erfolg nach und nach erreicht. Eine solcherart zur Annahme einer Handlungseinheit - und damit bei der Frage, ob durch die Summe der einzelnen Tathandlungen insgesamt eine (abstrakte) Gemeingefahr im Sinne des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG begründet wurde, zur Addition aller tatgegenständlichen Suchtgiftteilmengen - führende fortlaufende Tatbestandsverwirklichung ist dann anzunehmen, wenn die betreffenden Einzelakte objektiv mit einer am einheitlichen Gefahrenbegriff orientierten Kontinuität gesetzt werden und wenn dabei auf der subjektiven Tatseite der zumindest bedingte Vorsatz des Täters jeweils auch den an diese bewußte kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfaßt.

Vorliegend ist nun das Erstgericht in Ansehung aller vom Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG erfaßten Fälle unzweifelhaft von einem als rechtliche Einheit zu beurteilenden Gesamtgeschehen ausgegangen; hat es doch (unbekämpft) festgestellt, daß der Angeklagte in der Zeit von März bis Dezember 1983 (mit Ausnahme des Monats August 1983; vgl. hiezu jedoch seine eigenen Angaben S 61, wonach er sich nach einem Krankenhausaufenthalt seiner Lebensgefährtin, der im Juli 1983 stattfand, anschliessend 14 Tage in Mariazell auf Urlaub befand), um auf diese Weise seinen Heroinkonsum zu finanzieren (S 188), kontinuierlich in unterschiedlichen Teilmengen von 0,5 Gramm bis 40 Gramm insgesamt ein Vielfaches der sogenannten Grenzmenge, - welche bei Heroin (von reiner Qualität) 0,5 Gramm beträgt - somit eine Menge, die dazu ausreicht, in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, an andere Personen verkaufte, wobei er von seiner Hauptabnehmerin (Yvonne E) wußte, daß sie das (zum kommissionsweisen Verkauf) übernommene Suchtgift (40 Gramm Heroin) an andere ihm unbekannte Interessenten abgab, sodaß er den Empfängerkreis nicht beliebig beschränken konnte und er diesbezüglich in Ansehung seiner übrigen Abnehmer mit - zumindest bedingtem - Vorsatz handelte (S 189, 190). Ausgehend von einer auf einem einheitlichen Gefährdungsvorsatz des Angeklagten beruhenden Folge von Einzelakten und davon, daß der Angeklagte - was unbestritten ist - schon durch die Abgabe einer beträchtlichen Suchtgiftmenge an Yvonne E mit dem zum Tatbestand des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG gehörigen Vorsatz dieses Delikt verwirklicht hat, wurde vom Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zutreffend erkannt, daß die Suchtgiftverkäufe des Beschwerdeführers an die oben zu 1

a) - c) genannten Personen mit der Weitergabe des Suchtgifts an Yvonne E eine rechtliche Einheit bilden, der Angeklagte also, mit anderen Worten gesagt, durch alle diese Teilhandlungen ein einziges Delikt, nämlich jenes nach der oben bezeichneten Gesetzesstelle, begangen hat.

Der Rechtsrüge mußte demnach ein Erfolg versagt bleiben. In der Mängelrüge (Z 5) releviert der Angeklagte als Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe, daß sich das Erstgericht mit Stillschweigen über seine Verantwortung und jene Aussagen der Zeugen B und D hinweggesetzt hat, wonach er an sie in den dem Schuldspruch zu den Fakten 1 a bis c zugrunde liegenden Fällen über einen längeren Zeitraum hindurch jeweils nur kleine Suchtgiftmengen zum Eigenkonsum weitergegeben habe.

Da jedoch, wie bereits zur Rechtsrüge dargelegt, vorliegend eine isolierte Betrachtung der einzelnen Tathandlungen aus rechtlichen Gründen nicht zielführend ist, mußte sich das Erstgericht mit dieser Behauptung des Angeklagten nicht weiter auseinanderzusetzen. Im übrigen ist der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang der Vollständigkeit halber darauf zu verweisen, daß D sowohl im Vorverfahren (S 70) als auch in der Hauptverhandlung (S 178) davon gesprochen hat, daß er 'einmal ein halbes Gramm (Heroin) auf einmal bekommen hat' und das Gericht im Urteil ohnedies eine dieser Aussage entsprechende Feststellung getroffen hat (S 189).

Die insgesamt unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde mußte daher verworfen werden.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG und § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 1/2 Jahren, sowie nach § 12 Abs. 4 SuchtgiftG zu einer Geld- (als Wertersatz-) Strafe in der Höhe von 138.200 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 2 Monaten Ersatzfreiheitsstrafe. Das sichergestellte Suchtgift wurde gemäß § 12 Abs. 3

SuchtgiftG für verfallen erklärt. Gemäß § 38 Abs. 1 StGB wurde die Vorhaft auf 'die Strafe' (richtig - nach dem Wortlaut der vom Erstgericht für die Vorhaftanrechnung herangezogenen Gesetzesbestimmung - die Strafen) angerechnet.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend die wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat erfolgte Vorverurteilung, weiters den Umstand, daß er seine Lebensgefährtin Edith F drogenabhängig gemacht hat, die große Menge des in Verkehr gesetzten, die Grenzmenge um ein Vielfaches übersteigenden Suchtgiftes, den raschen Rückfall und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, welche letzterem Umstand es jedoch wegen der Heroinabhängigkeit des Täters kein besonderes Gewicht beimaß. Als mildernd wurde das Geständnis des Angeklagten gewertet.

Der Berufung, die undifferenziert eine 'Herabsetzung bzw. Milderung' der Strafe begehrt, was ersichtlich bloß auf das Ausmaß der Freiheitsstrafe nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG gemünzt sein kann - weil nämlich eine Berufung in Ansehung der Höhe der nach § 12 Abs. 4 SuchtgiftG verhängten Geld- (als Verfallsersatz-) Strafe, unzulässig ist, zumal diese nach objektiven, kein Raum für Billigkeitserwägungen lassenden Kriterien zu ermitteln ist und demgemäß, von dem hier nicht aktuellen Fall einer Aufteilung des Verfallsersatzes auf mehrere Beteiligte abgesehen, nur aus der Z 11 des Par 281 Abs. 1 StPO angefochten werden kann (vgl. ÖJZ-LSK 1981/16 u.a.), - kommt keine Berechtigung zu.

Dem Umstand, daß der Angeklagte durch seine Verantwortung auch zur überführung von Vorlieferanten beigetragen hat, wurde vom Gericht durch die Annahme des Milderungsgrundes des Geständnisses, der auch seinen Beitrag zur Wahrheitsfindung mitumfaßt, bereits hinlänglich Rechnung getragen. Die eigene Süchtigkeit ist, wie der Oberste Gerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, kein Milderungsgrund. Daß schließlich seine Lebensgefährtin Edith F erstmals auf Grund einer 'Einladung' des Angeklagten mit Suchtgift in Kontakt kam und in der Folge süchtig wurde, kann der Strafbemessung unbedenklich zugrunde gelegt werden; dem steht nicht entgegen, daß die Genannte als Zeugin in der Hauptverhandlung angegeben hat, vom Angeklagten zum Konsum von Suchtgift nicht verleitet worden zu sein (S 177). Selbst aus diesen Angaben ergibt sich nämlich unzweideutig, daß sie vor ihrer Bekanntschaft mit ihm nicht süchtig war, bis dahin niemals Drogen konsumierte, erstmalig vom Angeklagten Suchtgift erhielt und dieses seither stets von ihm bezog.

Das Erstgericht hat demnach die vorliegenden Strafzumessungsgründe richtig und vollständig erhoben. Es hat dieselben richtig gewürdigt und insgesamt ein Strafmaß gefunden, das angesichts der nicht unbeträchtlichen tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten keineswegs als überhöht angesehen werden kann. Der Berufung war daher, insoweit sie eine Herabsetzung der nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG verhängten Freiheitsstrafe anstrebt, ein Erfolg zu versagen.

Dem vom Verteidiger des Angeklagten erstmals im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof gestellten Begehren auf Herabsetzung der nach § 12 Abs. 4 SuchtgiftG verhängten Wertersatz-Geldstrafe und der hiefür ausgesprochenen Ersatzfreiheitsstrafe konnte als verspätet von vornherein nicht näher getreten werden. Im übrigen ist in Ansehung der Höhe der nach § 12 Abs. 4 SuchtgiftG ausgesprochenen Wertersatzstrafe auf das oben Gesagte zu verweisen.

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