Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Roman A (1.) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und (2.) des Vergehens nach § 36 Abs 1 lit b WaffenG schuldig erkannt.
Darnach liegt ihm zur Last, 1. am 5. November 1983 in Lustenau den Hanspeter B durch einen Stich mit einem Springmesser in das Herz vorsätzlich getötet sowie 2. in der Zeit von Sommer 1981 bis 5. November 1983 in Lustenau und an anderen Orten Österreichs das zu 1. erwähnte Springmesser mit einer Klingenlänge von 15 cm, sohin eine verbotene Waffe (§ 11 Abs 1 Z 6 WaffenG), unbefugt besessen zu haben.
Rechtliche Beurteilung
Der auf die Z 6, 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich der Sache nach nur gegen Punkt 1 des Schuldspruchs richtet, kommt keine Berechtigung zu.
Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund macht der Beschwerdeführer geltend, auf Grund des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Reinhard C wäre auch eine vom Verteidiger in der Hauptverhandlung beantragte Eventualfrage nach Totschlag (§ 76 StGB) zu stellen gewesen. Entgegen der vom Vorsitzenden vertretenen Auffassung (vgl. S 42/II) - unter den gegebenen Umständen lasse sich ein Kraftfahrer auch im Falle provozierten örgers zu einem derartigen Messerstich gegen einen anderen Fahrzeuglenker nicht hinreißen, dieses Verhalten sei für einen Durchschnittsmenschen nicht verständlich - komme es nicht darauf an, ob sich ein anderer in der gleichen Gemütsverfassung zu einem 'derartigen Messerstich hinreißen' hätte lassen.
Auch falle die Beurteilung der Frage, ob das Verhalten des Angeklagten für einen Durchschnittsmenschen verständlich ist, nicht in die Kompetenz des Vorsitzenden; diese sei ausschließlich von den Geschwornen zu prüfen. Der Schwurgerichtshof habe daher mit seiner den betreffenden Antrag ablehnenden Entscheidung den Wahrspruch der Geschwornen in unzulässiger Weise beeinflußt.
Diese Rüge geht jedoch fehl.
Ob in der Hauptverhandlung vorgebrachte Tatsachen in rechtlicher Beziehung geeignet sind, die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat einem (bestimmten) anderen (nicht strengeren) als dem in der Anklageschrift angeführten Strafgesetz zu unterziehen, und sonach eine entsprechende Eventualfrage an die Geschwornen zu stellen ist (§ 314 Abs 1 StPO), ist vom Schwurgerichtshof zu beurteilen (§ 310 StPO). Geht es wie hier als Alternative zur Mordanklage um den mit vergleichsweise geringerer Strafe bedrohten (privilegierten) Tatbestand des Totschlags, welcher dadurch charakterisiert ist, daß sich der Täter zur vorsätzlichen Tötung eines anderen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hinreißen läßt (§ 76 StGB), dann hat der Schwurgerichtshof zu prüfen, ob im Beweisverfahren Tatsachen vorgebracht worden sind, die, wenn sie (von den Geschwornen) als erwiesen angenommen werden, den tiefgreifenden Affekt, in welchem sich der Angeklagte zur Tötung hinreißen ließ, allgemein begreiflich erscheinen ließen (vgl. Mayerhofer/Rieder StPO, § 314 E Nr 38).
Totschlag (§ 76 StGB) ist dadurch charakterisiert, daß sich der Täter zur vorsätzlichen Tötung eines anderen in einer 'allgemein begreiflichen heftigen' Gemütsbewegung hinreißen läßt. Um privilegierend zu wirken, muß demnach der - für das spontane Fassen des Tatentschlusses kausale sowie zum Tatzeitpunkt noch nicht abgeklungene (ÖJZ- LSK 1977/95 u. a.) - Affekt des Täters zum einen tief greifend und zum anderen (als objektives Kriterium) allgemein begreiflich sein. Wie der Beschwerdeführer mit Recht hervorhebt, unterliegt zwar nicht die Tat selbst als Folge dieses Ausnahmszustands, noch weniger in ihrer im Einzelfall besonders abstoßenden oder grausamen Ausführung, wohl aber die konkrete Gemütsbewegung des Täters, durch die er sich letzten Endes zur vorsätzlichen Tötung eines Menschen hinreißen ließ, in ihrer gesamten Dimension und Dynamik also einschließlich ihrer tatkausalen Heftigkeit in Relation zu dem sie herbeiführenden Anlaß rechtsethischer Bewertung und muß (demzufolge) für jedermann sittlich verständlich sein (ÖJZ-LSK 1977/379, 13 0s 149/81 u.a.):
sie muß so entstanden sein, daß sich ein (rechtsgetreuer) Durchschnittsmensch vorstellen kann, auch er wäre in der Situation des Täters - genauer: in der psychischen Spannung, der jener ausgesetzt war -, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles, jedoch unter Vernachlässigung solcher Faktoren, die bloß in einer psychisch abnormen Persönlichkeitsstruktur wurzeln (EvBl 1976/119, ÖJZ-LSK 1978/199 u.a.), in eine derartige Gemütsverfassung geraten (SSt 46/49, 13 0s 149/81, 10 0s 6/82, 10 0s 10/82 u.a.). Nach der im Protokoll wiedergegebenen Begründung für die Ablehnung der Stellung der begehrten Eventualfrage hat der Schwurgerichtshof ersichtlich darauf abgestellt, daß der Angeklagte nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens in keinen solchen Erregungszustand geraten ist, der schließlich in eine Endphase gemündet haben könnte, in der sich ein rechtstreuer Durchschnittsmensch, abstrakt gesehen, in der Lage des Täters vorstellen kann, in jene Gemütsverfassung zu geraten, auf welche § 76 StGB abstellt. Dies zu Recht, weil die Annahme eines den angeführten Kriterien entsprechenden Gemütszustands des Angeklagten durch die in der Beschwerde relevierten Verfahrensergebnisse tatsächlich nicht indiziert war (§ 314 StPO). Denn selbst unter Berücksichtigung der Bekundung des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Reinhard C, 'die die Hirnleistungsfähigkeit beeinträchtigende, Aggressionstendenzen begünstigende und die psychische Reizschwelle herabsetzende Einwirkung des konzentrierten Autofahrens sei, insbesondere wenn es zu Kontroversen mit anderen Autofahrern kommt, eine wohlbekannte und von verkehrspsychologischer Seite wissenschaftlich belegte Tatsache' (S 313/I), sodaß beim Angeklagten in der Tatsituation (auch) die 'Aggressionsfreisetzung im Straßenverkehr' enthemmend gewirkt habe (S 21/II), kann nämlich von einer allgemeinen Begreiflichkeit des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Affekts keine Rede sein. Die Verantwortung des Angeklagten ging dahin, sich durch Hanspeter B provoziert gefühlt zu haben und in 'Wut und örger' geraten zu sein, weil jener ihn zuerst mit seinem PKW überholt, dann aber mehrmals (unnötig) abgebremst (und ihn dadurch zu unvermitteltem Bremsen genötigt) habe; er habe daher seinerseits B überholt und diesen zum Anhalten veranlaßt, um mit ihm zu 'schimpfen', worauf B und seine beiden Begleiter ausgestiegen und auf den Angeklagten zugegangen seien und einer von ihnen ihm einen Stoß versetzt habe; in dieser Situation habe er Angst bekommen und den Messerstich gegen B geführt (vgl. insbes. S 4, 5, 8, 9, 10, 12/II). Dieser Verantwortung zufolge hat aber der Angeklagte schon durch das Anhalten und verbale Attackieren des anderen Fahrzeuglenkers wegen dessen Fahrweise selbst in unangemessener Art zur Eskalation des Konflikts und damit zum unmittelbaren Anlaß der Affektsituation selbst in einer Weise beigetragen, welche die Vorstellung ausschließt, daß ein rechtstreuer Durchschnittsmensch überhaupt in diese Lage und in eine derartige Gemütsbewegung hätte geraten können (vgl. 10 0s 168/83). Da der Schwurgerichtshof somit die Stellung einer auf Totschlag abzielenden Eventualfrage im Ergebnis zutreffend abgelehnt hat, sind gesetzliche Vorschriften über die Fragestellung (insbesonders § 314 Abs 1 StPO) nicht verletzt worden.
Gleichermaßen versagt die Kritik des Beschwerdeführers an der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung (§ 345 Abs 1 Z 8 StPO). Daß zur Hauptfrage nach Mord (I.) nach Wiedergabe des (objektiven) Tatbestands dieses Deliktes mit den Worten des Gesetzes (§ 75 StGB) erst im folgenden Satz der Rechtsbelehrung auf die subjektive Tatseite hingewiesen wurde (S 62/II), konnte diesbezüglich bei den Geschwornen kein Mißverständnis bewirken; hatten sie doch die Rechtsbelehrung als Ganzes zur Kenntnis zu nehmen und waren zudem ausdrücklich danach gefragt worden, ob der Angeklagte 'vorsätzlich getötet' habe.
Auch über die von der subjektiven Tatseite her zu beurteilende Abgrenzung der Tatbestände des Mordes (§ 75 StGB), der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge (§ 87 Abs 1 und Abs 2 letzter Fall StGB) und der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 83 Abs 1, 86 StGB) sind die Geschwornen - dem Beschwerdevorbringen zuwider - ausreichend belehrt worden. Während nämlich die in der Rechtsbelehrung zur Eventualfrage nach absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge (II.) enthaltene Passage 'Bedingter Vorsatz genügt nicht', das unmittelbar zuvor erörterte Erfordernis einer auf die Zufügung einer schweren Körperverletzung gerichteten Absicht des Täters (nur noch) bekräftigt, wird im folgenden Satz - den der Beschwerdeführer unrichtig zitiert - hervorgehoben, daß Mord (oder Totschlag) vorläge, würde der Täter mit bedingtem Tötungs vorsatz handeln (S 65/II). Die Relation beider in Rede stehender Delikte zueinander nach ihrem unterschiedlichen subjektiven Tatbestand wird hieraus hinreichend deutlich.
Aus der Rechtsbelehrung zur Eventualfrage nach schwerer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (III.) hinwieder geht klar hervor, daß der (allenfalls auch nur bedingte) Vorsatz des Täters hier nur auf die Verletzung (oder Mißhandlung) des Opfers gerichtet ist (S 66/II). Da wie dort wird überdies gesagt, daß hinsichtlich der Todesfolge nur Fahrlässigkeit vorliegen darf (aber auch muß), wogegen bei darauf gerichtetem Vorsatz Mord (oder Totschlag) gegeben wäre (S 65, 66/II). Auch insoweit weist die Rechtsbelehrung weder eine erhebliche sachliche Unrichtigkeit auf noch ist sie in einer Weise unvollständig, daß dies einer Unrichtigkeit gleichkäme. Der vom Beschwerdeführer außerdem noch bemängelte Hinweis zur Eventualfrage II., eine (Eventual-)Frage nach Totschlag sei nicht gestellt worden, weil 'u.a. die Tat für einen Durchschnittsmenschen verständlich sein müßte' (S 65/II), konnte für den Wahrspruch der Geschwornen schon deshalb, weil ihnen - nach dem zuvor Gesagten mit Recht - eine derartige Eventualfrage gar nicht unterbreitet worden war, von vornherein keine Bedeutung erlangen und hat darum als in der Rechtsbelehrung überflüssig für eine Nichtigkeit außer Betracht zu bleiben (vgl. SSt 43/3; EvBl 1973/309, 1983/86 u.a.m.). Soweit es schließlich in der Rechtsbelehrung zu den Eventualfragen nach Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (IV. bis VI.) heißt, man erkenne diesen Zustand 'als Laie bei völlig betrunkenen Personen; sie handeln plan- und sinnlos, sind in Zeit und Raum nicht mehr völlig orientiert und können sich danach an bestimmte Vorgänge und Zeitabschnitte nicht mehr erinnern' (S 68/II), werden damit Tatsachen beschrieben, welcher erfahrungsgemäß als typische Kennzeichen und Indizien für eine volle Berauschung gelten können (vgl. Leukauf-Steininger StGB 2 § 287 RN 9). In rechtlicher Beziehung konnten die Geschwornen dadurch umso weniger beirrt werden, als ihnen darüber hinaus mit dem Hinweis, daß volle Berauschung eine (durch Alkohol oder ein anderes berauschendes Mittel bewirkte) hochgradige Bewußtseinstrübung voraussetzt, die den Täter unfähig macht, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, auch das entscheidende rechtliche Kriterium eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausches erläutert worden ist (vgl. EvBl 1972/216).
Die Rechtsrüge (§ 345 Abs 1 Z 12 StPO) reklamiert abermals die (unterbliebene) Eventualfrage nach § 76 StGB (und deren nach Ansicht des Nichtigkeitswerbers naheliegende Bejahung durch die Geschwornen unterstellt) ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht vom tatsächlich vorliegenden, sondern von einem lediglich für den Fall einer anderen Fragestellung erwarteten Wahrspruch der Geschwornen ausgeht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Roman A war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 75 StGB zu 14 (vierzehn) Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen und die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe als erschwerend, nichts hingegen als mildernd.
Der Berufung des Angeklagten, mit welcher er eine Herabsetzung der Strafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.
Entscheidende Argumente für ein anderes Strafmaß vermag der Berufungswerber nicht aufzuzeigen. Unbesonnenheit kommt dem Angeklagten deshalb nicht als mildernd zugute, weil die Tat nicht auf eine augenblickliche Eingebung, auf einen Willensimpuls zurückzuführen ist, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist und nach der charakterlichen Beschaffenheit des Täters in der Regel unterdrückt worden wäre; ihr liegt vielmehr eine grundsätzliche Geringschätzung fremder Interessen zugrunde. Auch kann nach Lage des Falles nicht von einer Provokation des Angeklagten gesprochen werden. Das Erstgericht hat die Alkoholisierung des Angeklagten zutreffend nicht als mildernd gewertet, weil der Vorwurf, daß sich der Täter in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, nach Lage des Falles jedenfalls schwerer wiegt als die durch den Rauschzustand bewirkte verminderte Zurechnungsfähigkeit (ÖJZ-LSK 1976/265). Entgegen dem Vorbringen in der Berufung bildet das bloße Tatsachengeständnis des Angeklagten keinen Milderungsgrund (vgl. Leukauf/Steininger, StGB, RZ 25 zu § 34).
Die verwahrloste Erziehung kann gleichfalls nicht als mildernd ins Gewicht fallen, weil nach herrschender Auffassung Erziehungsmängel nur dann mildernd wirken können, wenn sie mit der Tat im unmittelbaren Zusammenhang stehen. Es kann aber dann - wie hier - nicht vom Milderungsgrund des § 34 Z 1, letzter Fall, StGB gesprochen werden, wenn ein gewisser Abstand zwischen Erziehung und Tat gegeben ist und die verfehlte Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten durch wiederholte Abstrafungen vor Augen geführt worden ist (vgl. 13 0s 3/81, 13 0s 162/82 u.a.).
Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt der verminderten Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit deshalb keine Bedeutung zu, weil sie teils auf die Alkoholisierung, teils auf eine Gemütsarmut zurückzuführen ist, aus der sich gleichzeitig auch seine besondere Gefährlichkeit ergibt. Auf der Basis der vom Geschwornengericht festgestellten Strafzumessungsvorschriften wird die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe sohin seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld vollauf gerecht und war daher der Berufung ein Erfolg zu versagen.
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