OGH 3Ob60/84

OGH3Ob60/8413.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Stadtgemeinde M*****, wider die verpflichtete Partei O*****, vertreten durch Dr. Erik Samesch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 612.692,94 S sNg, infolge Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Februar 1984, GZ 46 R 87/84‑5, womit der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 18. Oktober 1983, GZ E 10.138/83‑1, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0030OB00060.840.0613.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Der zweiten Instanz wird aufgetragen, über den an sie gerichteten Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden und dabei auch die Kosten des Rekurses an die dritte Instanz zu berücksichtigen.

Begründung

Gegen den ihm am Mittwoch, dem 16. 11. 1983, zu eigenen Handen zugestellten Beschluss der ersten Instanz über die Bewilligung der Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung ob dem 1/100‑Anteil an der EZ 4179 KG ***** als Haupteinlage und der EZ 3199 derselben KG als Nebeneinlage gab der Verpflichtete am Mittwoch, dem 30. 11. 1983, einen an die erste Instanz adressierten, dort am Donnerstag, dem 1. 12. 1983, eingelangten Rekurs zur Post, der von Amts wegen im Grundbuch angemerkt wurde.

Die zweite Instanz wies diesen Rekurs zurück.

Es führte aus, für die Bewilligung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung und den Vollzug der Einverleibung würden nach § 88 Abs 2 EO die Bestimmungen des GBG 1955 ua mit der Maßgabe gelten, dass die Frist zur Einbringung von Rekursen 14 Tage betrage. Gemäß dem anzuwendenden § 81 Abs 2 des letztzitierten Gesetzes dürften bei der Berechnung der Fristen die Tage, während deren sich eine bei dem Grundbuchsgericht zu überreichende Schrift auf der Post befinde, nicht abgerechnet werden. Der Rekurs hätte daher spätestens am Mittwoch, dem 30. 11. 1983, bei der ersten Instanz eingelangt sein müssen. Da er dort erst am 1. 12. 1983 eingelangt sei, wäre er nach § 123 Abs 2 GBG 1955 schon von der ersten Instanz als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Der Zurückweisungsbeschluss der zweiten Instanz wurde dem Vertreter des Verpflichteten am Donnerstag, dem 19. 4. 1984, zugestellt. Der dagegen ergriffene, als „Oberrekurs“ bezeichnete, am Donnerstag, dem 3. 5. 1984, an die erste Instanz zur Post gegebene Rekurs langte am Freitag, dem 4. 5. 1984, beim Erstgericht ein. Der Rekurswerber beantragt, den Zurückweisungsbeschluss der zweiten Instanz aufzuheben, weil die im § 88 Abs 2 EO geregelte Rekursfrist eine verfahrensrechtliche Frist sei, in die die Tage des Postenlaufs nicht einzurechnen seien.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die zweite Instanz nicht über den die zwangsweise Pfandrechtsbegründung bewilligenden Beschluss der ersten Instanz entschieden, sondern den Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung aus dem formellen Grund der Verspätung zurückgewiesen. Dabei handelt es sich um einen von der Entscheidung über „die Bewilligung und den Vollzug der Einverleibung“ grundsätzlich verschiedenen verfahrensrechtlichen Beschluss, auf den § 88 Abs 2 EO und damit auch die Bestimmungen des GBG 1955 nicht anzuwenden sind (EvBl 1980/25; JBl 1980, 159; vgl auch Heller‑Berger‑Stix I 652). Die Rekursfrist beträgt daher nach dem gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren anzuwendenden § 521 Abs 1 ZPO 14 Tagen, in die gemäß § 89 GOG die Tage des Postenlaufs nicht eingerechnet werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs an die dritte Instanz ist daher rechtzeitig.

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

Nach § 68 Abs 3 der Regierungsvorlage einer Exekutionsordnung sollte die Rekursfrist, wenn nichts anderes angeordnet ist, acht Tage betragen (Materialien zu den neuen österreichischen Civilprocessgesetzen I 397). Nach § 96 Abs 3 dieser Regierungsvorlage sollten für die Bewilligung und den Vollzug der Einverleibung (der Pfandrechtsbegründung) die Bestimmungen des Allgemeinen Grundbuchsgesetztes vom 25. 7. 1871, RGBl Nr 95, ua mit der Maßgabe gelten, „daß in Bezug auf die Frist zur Anbringung von Recursen die Vorschriften des § 68 Abs 3 zur Anwendung zu kommen haben“ (Mat I 401). Die Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage führen zum vorgeschlagenen § 96 Abs 3 aus: „Die Pfandrechtsbegründung erfolgt in Ansehung der in den öffentlichen Büchern inneliegenden Güter nach den Bestimmungen des Grundbuchgesetzes ... An dessen Vorschriften waren für den Bereich des Executionsverfahrens nur die beiden im § 96 Z 1 und 2 angeführten Modificationen vorzunehmen, ... während die zweite Abänderung (Dauer der Recursfrist) nur bestimmt ist, eine für das geltende Recht nicht immer ganz gleichmäßig beantwortete Frage den Anordnungen des Executionsverfahrens gemäß unzweifelhaft zu entscheiden“ (Mat I 496).

In den Anträgen des Permanenzausschusses zur Exekutionsordnung wurden § 68 Abs 3 der Regierungsvorlage als § 65 Abs 2, § 96 Abs 3 der Regierungsvorlage als § 87 Abs 3, jeweils inhaltlich unverändert übernommen (Mat II 90 und 98). Ein Antrag, die Rekursfrist allgemein mit 14 Tagen zu bestimmen, um die Gleichförmigkeit mit der Zivilprozessordnung herzustellen, fand keine Mehrheit. Manche machten geltend, dass es sich im Exekutionsverfahren zumeist um Fragen von einfacher Art handle, und dass eine kurze Rekursfrist ganz wesentlich zur Beschleunigung des Verfahrens beitrage. Auch wurde erwogen, dass nach dem bisher zumeist zur Anwendung kommenden Summar‑ und Bagatellverfahren die Rekursfrist acht Tage nicht überstieg (Bericht des Permanenzausschusses zur Exekutionsordnung, Mat II 21).

Der Beschluss der gemeinsamen Conferenz zur Exekutionsordnung übernahm aus den Anträgen des Permanenzausschusses § 65 Abs 2 unverändert (Mat II 696), fügte jedoch § 87 Abs 2 und 3 als § 88 Abs 1 und 2 ein, wobei ua die Frist zur Einbringung von Rekursen auf 14 Tage verlängert wurde (Mat II 705). Aus dem gemeinsamen Bericht der Permanenzcommission des Herrenhauses und des Permanenzausschusses des Abgeordnetenhauses über die Exekutionsordnung und das dazu gehörende Einführungsgesetz ist zu entnehmen, dass die Verlängerung der Rekursfrist bei der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung ‑ wie übrigens auch bei der Bewilligung einer Exekution aufgrund eines ausländischen Titels ‑ die Position des Verpflichteten befestigen und verbessern sollte (Mat II 644).

Die historische Auslegung lässt daher keinen Zweifel an der klaren Absicht der Regierungsvorlage und des Permanenzausschusses des Abgeordnetenhauses, dass für die Bewilligung und für den Vollzug der Einverleibung bei der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung zwar die Bestimmungen des Grundbuchsgesetzes gelten sollten, dass für die Rekursfrist aber nicht § 123 GBG, sondern die vor der Zivilverfahrens‑Novelle 1983 im Exekutionsverfahren mangels anderer Anordnung geltende allgemeine kurze Rekursfrist von acht Tagen zur Anwendung kommen sollte.

Die gemeinsame Conferenz der Permanenzcommission des Herrenhauses und des Permanenzausschusses des Abgeordnetenhauses wollte an der vorgeschlagenen Ersetzung der grundbuchsrechtlichen Rekursfrist durch die exekutionsrechtliche nichts Grundsätzliches ändern, sondern nur die Position des Verpflichteten bei dieser wichtigen Realexekution durch Verlängerung der Rekursfrist von acht auf 14 Tage verbessern, in dieser Beziehung also eine Rechtslage herbeiführen, die wegen der durch Art V Z 8 Zivilverfahrens‑Novelle 1983 verfügten Aufhebung des Abs 2 des § 65 EO seit 1. 5. 1983 im Hinblick auf den gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren anzuwendenden § 521 Abs 1 ZPO in Exekutionssachen allgemein gilt.

Daraus folgt, dass die Frist für Rekurse gegen die Bewilligung, aber auch gegen die Abweisung (EvBl 1980/25; SZ 41/3; Heller‑Berger‑Stix I 652 und II 930) der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung und des Vollzugs der Einverleibung nicht nach dem GBG 1955, sondern nach der Exekutionsordnung zu berechnen ist.

Deshalb ist auch der im (die Rekursfrist regelnden) § 123 Abs 1 GBG 1955 bezogene § 81 Abs 2 leg cit, wonach bei der Berechnung der Fristen Sonn‑ oder Feiertage sowie die Tage, während deren sich eine bei dem Grundbuchsgericht zu überreichende Schrift auf der Post befindet, nicht abgerechnet werden dürfen, bei den im vorigen Absatz bezeichneten Rekursen nicht anzuwenden ( Feil , Angewandtes Grundbuchsrecht, 268; ders , Österreichisches Grundbuchsrecht, 316 f; MGA, Österreichisches Grundbuchsrecht³, 354 Anm 2 zu § 123 GBG 1955).

Nach dem gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren anzuwendenden § 126 Abs 2 ZPO ist vielmehr der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen, wenn ihr Ende auf einen Sonntag oder Feiertag fällt. Dasselbe gilt nach § 1 Abs 1 BG vom 1. 2. 1961, BGBl Nr 37, über die Hemmung des Fristenablaufs durch Samstage und den Karfreitag, auch wenn das Ende der Frist auf einen solchen Tag fällt.

In diese Rekursfristen werden aber auch gemäß § 89 GOG die Tage des Postenlaufs nicht eingerechnet.

§ 81 Abs 2 GBG 1955 hat ‑ soweit er sich auf Rekursfristen bezieht ‑ seinen Grund darin, dass die Rekursfrist des § 123 Abs 1 GBG 1955 auch bei Zustellung im Inland von der Zivilverfahrens‑Novelle 1983 erheblich länger war als die in der ZPO, in der EO und im Außerstreitgesetz geregelten Rechtsmittelfristen ( Kaserer , Mat zu GBG 285 f; Bartsch , Das österreichische allgemeine Grundbuchsgesetz 7 , 606; Feil , Angewandtes Grundbuchsrecht, 260). Auch nach dem 1. 5. 1983 besteht im Vergleich zu den einseitigen Rekursen nach der ZPO, zu den Rekursen nach der EO und den Rekursen nach dem Außerstreitgesetz noch immer ein großer, zu den Berufungs‑, Revisions‑ und Rekursfristen bei zweiseitigen Rekursen noch immer ein spürbarer Unterschied.

Während es im Hinblick auf die bei Zustellung im Inland 30 Tage dauernde Rekursfrist nach § 123 Abs 1 GBG 1955 nicht so stark ins Gewicht fällt, wenn Samstage, Sonn‑ und Feiertage sowie die Tage des Postenlaufs nicht abgerechnet werden, würde eine solche Nichtabrechnung bei einer Rechtsmittelfrist von nur 14 Tagen diese insbesondere für eine auf dem Postweg angewiesene Partei erheblich verkürzen. Diese könnten ihren Rekurs nicht mehr am letzten Tag der Frist zur Post geben, sondern müsste dies aus prozessualer Vorsicht ‑ im Exekutionsverfahren gibt es ja keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand! ‑ mindestens zwei Tage vor Fristablauf tun (vlg auch Kaserer aaO).

Der auf einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht beruhende, von Amts wegen gefasste Zurückweisungsbeschluss der zweiten Instanz war daher ersatzlos aufzuheben und diesem Gericht aufzutragen, über das zu Unrecht zurückgewiesene Rechtsmittel unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden und dabei die Kosten des Rekurses an die dritte Instanz, über die derzeit noch nicht erkannt werden kann (§ 78 EO und § 52 Abs 1 ZPO), zu berücksichtigen.

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