OGH 9Os68/84

OGH9Os68/8412.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lurz als Schriftführerin in der Einweisungssache betreffend Karl A wegen Einweisung gemäß § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 1. März 1984, GZ 6 Vr 1656/83-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des gesetzlichen Vertreters Margarete F***, und des Verteidigers Dr. Oehlzand, jedoch in Abwesenheit des Betroffenen zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des 50-jährigen Karl A in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Dieser Einweisung liegt als im Sinne des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 15, 269 Abs 1

StGB tatbildliche Anlaßtat zugrunde, daß der Betroffene am 15. Mai 1983 in Lödersdorf unter dem Einfluß eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustandes zwei Gendarmeriebeamte durch Gewalt an seiner Vorführung zum Distriktsarzt zu hindern versucht hatte, indem er sich mehrmals mit ganzer Kraft durch heftige Stöße von den Beamten loszureißen trachtete.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Betroffenen dagegen erhobene, auf die Z 4, 5, 7 und 9 lit c des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist teils unbegründet, teils nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. Der Verfahrensrüge (Z 4) genügt es zu erwidern, daß es ihr mangels eines vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung gestellten Antrages oder eines gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefällten Zwischenerkenntnisses des Gerichtes schon an den formellen Voraussetzungen gebricht. Daß aber - nach Ansicht der Beschwerde erforderliche - amtswenige Erhebungen unterblieben, vermag eine Nichtigkeit weder nach der Z 4 noch nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO zu bewirken (Mayerhofer-Rieder E Nr. 149 f zu § 281 Z 4 StPO).

Die von der Beschwerde monierten mangelnden Konstatierungen darüber, ob die beiden einschreitenden Gendarmeriebeamten vom Betroffenen verletzt wurden, vermögen dem Rechtsmittel aber auch unter dem Blickwinkel der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn das Gesetz verlangt zur Verwirklichung des Tatbildmerkmales der 'Gewalt' keineswegs eine hiedurch bewirkte Verletzung, ja nicht einmal eine besonders qualifizierte Form körperlicher Kraftanwendung. Sie muß nur so beschaffen sein, daß sie nach den Umständen des Falles geeignet ist, durch ihren Einsatz die Durchführung der in Aussicht genommenen Amtshandlung ernstlich und in wirksamer Weise zu verhindern (Mayerhofer-Rieder E Nr. 1 zu § 269 StGB). Damit erweist sich die vermißte Feststellung als rechtlich irrelevant und die Nichtigkeitsbeschwerde auch unter diesem Aspekt als unbegründet.

Der in der Mängelrüge (Z 5) zunächst erhobene Vorwurf einer Unvollständigkeit bzw. Undeutlichkeit und eines inneren Widerspruches der Entscheidungsgründe entzieht sich mangels Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung und kann es mit diesem Hinweis sein Bewenden haben.

Dem formal unter demselben Nichtigkeitsgrund erhobenen, der Sache nach eine Rechtsrüge nach der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO darstellenden Beschwerdeeinwand, für die Einweisung nach § 21 Abs 1 StGB fehle es an schweren Folgen der Anlaßtat, weil diese nicht einmal zu 'sichtbaren Merkmalen und Folgen' geführt habe, ist zu erwidern, daß dem eine irrige Ansicht bezüglich der materiellen Einweisungsvoraussetzungen zu Grunde liegt. Die Norm des § 21 Abs 1 StGB stellt nämlich in bezug auf die Anlaßtat nicht auf bestimmte Tatfolgen, sondern nur darauf ab, ob die - unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhenden Zustandes begangene - Tat mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist. Daß dies beim Vergehen nach § 269 Abs 1 StGB zutrifft, muß nicht weiter erläutert werden.

Soweit der Beschwerdeführer nominell unter der Z 9 lit c des § 281 Abs 1 StPO gegen die Bejahung der Gefährlichkeitsprognose remonstriert, ist dieses Vorbringen, mit welchem der Sache nach keine materielle Nichtigkeit geltend gemacht wird, als Berufung zu werten und wird daher bei deren Behandlung erörtert werden (vgl. Mayerhofer-Rieder 2 , E Nr. 34 f zu § 21 StGB).

Wenn der Betroffene schließlich unter der Z 7 des § 281 Abs 1 StPO (sinngemäß) eine Nichterledigung der Anklage behauptet, weil im Urteil ein Ausspruch darüber fehle, daß er hinsichtlich der unter Punkt I 1 und 2 sowie II 1 'im Strafantrag vom 5. Dezember 1983 ON 7 (gemeint: im gemäß § 429 StPO gestellten Antrag ON 29) angeführten Fakten freigesprochen' worden sei, bedarf es hiezu keiner Einlassungen, weil es ihm diesbezüglich an der Anfechtungslegitimation mangelt (Mayerhofer-Rieder, E Nr. 1 zu § 281 Z 7 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war mithin zu verwerfen. Das Erstgericht wies den Betroffenen gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ein und begründete dies im wesentlichen damit, es sei auf Grund der Gutachten der Sachverständigen Dr. B und Dr. C zu erwarten, daß beim Betroffenen nach wie vor mangels intellektuellen Steuerungsvermögens die Neigung zu abrupten Aggressionshandlungen bestehe, sodaß die eminente Gefahr gegeben sei, daß er unter dem Einfluß der bei ihm vorliegenden Abartigkeit mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen begehen werde. Aus den von ihm bisher gesetzten Tathandlungen ergebe sich insgesamt, daß er sich nicht bloß seiner Eskortierung zum Distriktsarzt widersetzte, sondern aus nichtigen aber stets mit seiner Alkoholsucht im Zusammenhang stehenden Anlässen aggressiv wurde, sodaß das Risiko seiner Freiheit seiner sozialen Umwelt nicht weiter zugemutet werden könne.

In seiner Berufung bestreitet der Betroffene, daß Taten mit schweren Folgen zu befürchten seien. Die Anlaßtat habe keine schweren Folgen nach sich gezogen und sei mit dem natürlichen Freiheitsbestreben eines jeden Menschen, d.h. also mit einer völlig normalen Abwehrreaktion, zu erklären.

Die Berufung ist nicht begründet.

Angesichts der schlüssigen Gutachten der beiden psychiatrischen Sachverständigen und des in der Vergangenheit gesetzten Verhaltens des Betroffenen bedarf die tatrichterliche Gefährlichkeitsprognose keiner Korrektur, und zwar unbeschadet dessen, daß die vorliegende Anlaßtat glücklicherweise keine schweren Folgen nach sich gezogen hat.

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